Compliance Management im Unternehmen. Martin R. Schulz

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Compliance Management im Unternehmen - Martin R. Schulz Recht Wirtschaft Steuern - Handbuch

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Kunden vorgaben, die Handelsvertreter aber gleichzeitig im guten Glauben hielten. Anwendung gefunden hat diese Rechtsprechung unlängst auch in einem Fall des unerlaubten Erbringens von Finanzdienstleistungen.198

       3. Fahrlässigkeitshaftung (sog. Organisationsverschulden)

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      Unter dem aus dem Zivilrecht stammenden Begriff des „Organisationsverschuldens“ versteht man die schuldhafte Unterlassung der Wahrnehmung der die Geschäftsleitung treffenden Organisationspflichten bzw. schuldhaft begangene Fehler bei der Organisation des Unternehmens. Da eine solche Vernachlässigung von Organisationspflichten regelmäßig nicht vorsätzlich begangen wird, führt ein solches Unterlassen im Strafrecht „lediglich“ zu einer Fahrlässigkeitshaftung der Unternehmensleitung, wenn aufgrund einer solchen Fahrlässigkeit ein zum Tatbestand eines Deliktes gehörender „Erfolg“, etwa eine Körperverletzung, ein Todesfall oder ein Umweltschaden eintritt. Zu dem relativ unbestimmten Begriff des Organisationsverschuldens haben sich zwischenzeitlich verschiedene Fallgruppen entwickelt, so insbesondere das Auswahlverschulden, das Anweisungsverschulden sowie das Kontroll- bzw. Überwachungsverschulden.

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      Da es bei den klassischen Compliance-Verstößen, etwa im Bereich der Korruption, der Untreue oder des Betruges, keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gibt, ist die Begründung einer strafrechtlichen (Fahrlässigkeits-)Haftung über die Rechtsfigur des Organisationsverschuldens hier nicht möglich, eine Zurechnung im Unternehmen erfolgt insoweit über die Verletzung der Aufsichtspflicht gem. § 130 OWiG.

       4. Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen (§ 130 OWiG)

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      § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG verpflichtet den Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens, Aufsichtsmaßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Auch wenn es sich lediglich um einen Ordnungswidrigkeitentatbestand handelt, drohen hier durchaus schwerwiegende Sanktionen. Sofern der Inhaber vorsätzlich oder fahrlässig die gebotenen Aufsichtsmaßnahmen unterlässt und damit ermöglicht, dass eine Zuwiderhandlung aus dem Unternehmen heraus begangen wird, die durch die Aufsichtsmaßnahmen verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre, handelt er ordnungswidrig. Als erforderliche Aufsichtsmaßnahme führt § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG beispielhaft die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen auf. Die Norm des § 130 OWiG ermöglicht es damit, den aufsichtspflichtigen Verantwortlichen des Unternehmens (Organmitglieder, Gesellschafter sowie gem. § 9 Abs. 2 OWiG auch Betriebsleiter oder sonstige Betriebsbeauftragte) auch Handlungen von Mitarbeitern zuzurechnen, obwohl ihnen persönlich im Hinblick auf die Bezugstat kein vorsätzliches oder auch nur fahrlässiges Handeln zur Last gelegt werden kann.

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      Eine derartige Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung strafbar ist, gem. § 130 Abs. 3 OWiG mit einer Geldbuße von bis zu 1 Mio. EUR sowie im Ausnahmefall über den Verweis gem. §§ 130 Abs. 3, 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG darüber hinaus geahndet werden. Im Falle einer fahrlässigen Aufsichtspflichtverletzung ist das Höchstmaß der Geldbuße auf 500.000,00 EUR begrenzt. (§§ 130 Abs. 3, 17 Abs. 2 OWiG). Handelt es sich bei der Bezugstat dagegen lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, ist das in dieser Vorschrift angedrohte Höchstmaß der Geldbuße maßgeblich (§ 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG).

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      Die Ordnungswidrigkeit gem. § 130 OWiG ist zudem Anknüpfungstat für die Verbandsgeldbuße des § 30 OWiG, so dass über diesen Umweg wiederum Geldbußen – gegen das Unternehmen – weit oberhalb der Millionengrenze verhängt werden können. In der Causa Siemens etwa bestand die „Anknüpfungstat“ in der Aufsichtspflichtverletzung des Vorstandes i.S.v. § 130 OWiG durch die Nicht-Implementierung eines funktionierenden Compliance-Systems und führte zu der Verhängung einer Geldbuße in Höhe von insgesamt 395 Mio. EUR gegen die Siemens AG gem. §§ 30, 130, 17 IV OWiG mit Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft München I vom 15.12.2008, wobei sich der Ahndungsanteil lediglich auf 250.000,00 EUR belief, der Abschöpfungsanteil jedoch auf 394.750.000,00 EUR. Aufgrund des Zusammenspiels mit § 30 OWiG wird der Tatbestand der Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG teilweise als „die“ Compliance-Vorschrift angesehen.

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      Der Normadressat, der Inhaber des Betriebs oder Unternehmens, ist die natürliche Person, der die Erfüllung der betrieblichen Pflichten obliegt. Ist „Inhaber“ des Betriebs eine juristische Person, kann § 130 OWiG gemäß § 9 Abs. 1 OWiG nur auf die „vertretungsberechtigten Organe“ als Repräsentanten der Gesellschaft angewandt werden. Die Eigenschaft als Inhaber begründet eine Garantenstellung zur Abwendung betriebsbezogener Gefahren. Neben dem Inhaber oder an seiner Stelle kann Täter des § 130 OWiG aber auch sein, auf wen der Inhaber die ihn treffende Aufsichtspflicht ordnungsgemäß delegiert hat, etwa der Betriebsleiter (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG) sowie speziell aufsichtspflichtige Personen, etwa Sicherheitsbeauftragte (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) im Rahmen ihres Verantwortungsbereichs.

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      Materielle Voraussetzung einer Ahndung gemäß § 130 OWiG ist zunächst das Vorliegen einer betriebsbezogenen Zuwiderhandlung, also die Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit durch einen anderen als den Betriebsinhaber oder die verantwortlichen Gremienmitglieder (§ 9 Abs. 1 OWiG), durch die eine den Betriebsinhaber treffende Pflicht verletzt wird. Diese Zuwiderhandlung darf nur deshalb möglich geworden sein, weil der Betriebsinhaber eine ihn treffende Aufsichtspflicht verletzt hat.

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