Wenn die Nacht stirbt und die Zeit still steht. Lisa Lamp
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Читать онлайн книгу Wenn die Nacht stirbt und die Zeit still steht - Lisa Lamp страница 12
»Stimmt etwas nicht?«, fragte ich sie scheinheilig und stemmte die Hände in die Hüften, wobei ich meinen Hüftknochen mit den Fingern ertasten konnte. Angriff war die beste Verteidigung, richtig? Vielleicht konnte ich meine Unsicherheit überspielen, indem ich sie mit der Wahrheit konfrontierte: Ich war die Königin und Hunter gehörte mir. Bei normalen Menschen hätte es funktioniert, Mel. Aber Mary war nicht normal. Sie begann schallend zu lachen und hielt sich den Bauch, als hätte ich einen Witz gemacht. Ob sie den Verstand verloren hatte?
»Du stimmst hier nicht«, entgegnete sie. Schlagartig wurde sie wieder ernst und jeder Ausdruck von Belustigung war aus ihrem Gesicht verschwunden. Ob Schizophrenie in ihrer Familie weit verbreitet war?
»Dass Hexen bösartig sein können, war mir schon immer klar. Einige wie Morena haben mir gezeigt, dass es nicht alle sind, aber du gehörst zur schlimmsten Sorte. Vier Wochen hatten deine Freunde Ruhe vor dir. Hunter hat sich auskuriert, nach dem, was du ihm angetan hast, er hat seiner Mutter geholfen und war nett zu mir. Zwischen uns entwickelte sich etwas und kaum schlägst du deine Augen auf, war unsere Mühe, ihn aufzubauen, umsonst. Wie ein Hund hechelt er dir hinterher und du nutzt es schamlos aus. Zum Glück bist du ab morgen nicht mehr unser Problem. Morena erwartet dich in fünf Minuten. Ich würde sie nicht warten lassen. Viel Spaß beim Suchen.«
Mary machte auf dem Absatz kehrt, warf mir ihre Haare ins Gesicht und stolzierte davon. Wow! Ich wusste, dass ich in Panik verfallen oder mich wenigstens ärgern sollte, weil ich keine Ahnung hatte, wo dieses Büro lag, aber ich tat es nicht. Weil mich die Bitte von Morena Morgan nicht interessierte und ich Bissigkeit von Nicole gewohnt war, doch die Eisprinzessin war kälter, gemeiner. Sie wusste, wie man die Schwachstelle von jemandem gegen einen verwendete. Sie hatte es jahrelang perfektioniert. Mary hingegen hatte zwar eine hübsche Tirade gehalten, aber sie hatte sich im Grunde selbst heruntergeputzt, indem sie zugegeben hatte, dass ich Hunter wichtiger war als sie und das stärkte meine Selbstachtung auf eine Weise, die die Jägerin vermutlich nicht nachvollziehen konnte. Trotzdem hinterließen ihre Worte einen faden Beigeschmack, weil es mir wieder unter die Nase rieb, dass Hunter und ich nicht gut füreinander waren und ich nicht wusste, was in den vier Wochen passiert war, in denen ich unbeweglich im Bett gelegen hatte. Anstatt den Gedanken in meinen Kopf sickern zu lassen, setzte ich mich in Bewegung und verließ die Bibliothek. Auf jeden Fall wollte ich wieder zurückkehren, um eins der Bücher zu lesen, oder am besten alle. Aber das würde ich nicht, Mel. Dazu würde es nicht mehr kommen, doch das muss ich Dir ja nicht erzählen.
Ich schlenderte durch die Gänge, die wie ausgestorben waren, in der Hoffnung jemanden zu finden, der mir den Weg zeigen konnte, aber ich kam an niemandem vorbei und ich fand auch nicht zurück zum Aufenthaltsraum. Vielleicht hätte ich doch darauf achten sollen, wohin Hunter mich führte, anstatt mich von seinem Geruch berauschen zu lassen. Verstehe mich nicht falsch, Mel. Es war nicht so, dass ich unbedingt Hunters Mutter kennenlernen wollte, aber diese Frau konnte Nicoles Theorie entweder widerlegen und meine Sorgen zerstreuen oder sie bestätigen. Und ich wusste nicht, was mir lieber war. Gerade als ich die Suche abblasen wollte, hörte ich nicht weit entfernt Stimmen. Sie klangen wütend und traurig. Jemand schluchzte und ich verlangsamte meine Schritte, weil sich in meiner Magengegend ein komisches Gefühl ausbreitete. Es war nicht unangenehm und schmerzte auch nicht, aber es war wie ein Drängen, das erst besser wurde, als ich mit einem großen Sicherheitsabstand an einer Wand verborgen in den Schatten stehen blieb. Der Druck in meinem Bauch führte dazu, dass meine Beine am Boden festgewachsen waren und ich nicht gehen konnte, als ich erkannte, dass ich meine Freunde belauschte.
»Wieso sagst du es mir nicht? Ich soll einfach so tun, als wären die letzten Monate nicht passiert, aber das kann ich nicht. Ist das so schwer für dich zu verstehen, dass es für mich schwierig war? Ich war dir einfach egal und jetzt interessiert es dich anscheinend wieder nicht, was ich fühle. Also warum können wir nicht einmal darüber reden und es dann hinter uns lassen?« Über das Gesicht Deines Bruders liefen Tränen und seine Lider waren gerötet, weil er sich mit den Fingern in regelmäßigen Abständen über die Augen fuhr, um etwas sehen zu können, Mel. Er saß mit dem Rücken an einer Mauer und sah böse zu Jonathan auf, der unter seinem Blick klein wurde. Zumindest nahm ich an, dass er erzürnt wirken wollte, jedoch hatten die großen Hundeaugen und der Schmollmund den gegenteiligen Effekt und ich hätte Jaimie gern in den Arm genommen, wie ein Kind, das man trösten musste.
»Du wärst sauer auf mich und das will ich nicht. Ich will nicht schon wieder, dass wir einander anschweigen und nebeneinander her leben, ohne zu wissen, wie es dem anderen geht. Außerdem geht es dich letztendlich nichts an. Das war eine Sache zwischen Alex und mir.« Jona hatte die Arme vor der Brust verschränkt, aber das Zittern seiner Lippen und die geweiteten Pupillen verrieten, dass er nicht so ruhig war, wie er tat. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere und ging den Gang ein paar Schritte auf und ab, als er Jaimies stechenden Blick nicht mehr aushielt.
»Ich bin jetzt sauer auf dich. Alex ist meine Freundin und du bist mein bester Freund, deshalb geht es mich sehr wohl etwas an. Überhaupt … wenn sie mir vorwirft, dass ich schuld bin, dass ihr euch getrennt habt und ich nichts erwidern kann, weil ich keine Ahnung habe … Wir haben früher über alles geredet und jetzt beschränken wir uns auf das Wetter und die Gesamtsituation mit Rabiana, als wären unsere Gefühle nicht existent. Machst du mich auch für das Ende eurer Beziehung verantwortlich? Ist es das? Ich hab wirklich versucht, mich mit eurer Beziehung abzufinden und damit klarzukommen, dass du weniger Zeit für mich hast. Ich wollte nicht, dass ihr euch trennt. Du mochtest sie. Es tut mir leid, wenn ich es vermasselt habe.« Jaimies Stimme wurde leise, bis sie brach und er legte seine Arme um seine angewinkelten Knie, um sein Kinn darauf abstützen zu können. Wieder rollte eine Träne über seine Wange und er zitterte leicht, obwohl es im ganzen Gebäude angenehm warm war. Er starrte an Jona vorbei an die Wand und schluchzte, als eine bedrückende Stille entstand, die von Jona unterbrochen wurde, der hart schluckte, als würde ihm Jaimies trauriger Anblick körperliche Schmerzen bereiten.
»Es ist nicht deine Schuld. Es ist meine«, meinte Jonathan und seine Worte hörten sich unangenehm laut an, sodass Jaimie und ich zusammenzuckten. Er sagte es mit einer Intensität, die keinen Widerspruch zuließ. Er griff nach Jaimies Arm und zog seinen Freund auf die Beine, sodass sie sich gegenüberstanden und Jaimie der Blick auf die Mauer versperrt wurde. Er war gezwungen, Jona anzusehen.
»Aber wieso? Sie liebt dich und ihr könntet, wenn dieser Wahnsinn endlich vorbei ist, Kinder haben und ins Haus deiner Familie nach Bellone ziehen. Wir werden Rabiana besiegen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wenn es das ist, was dir Sorgen bereitet.« Unschuldig sah Jaimie zu Jona auf und es zerbrach mir das Herz, als mir klar wurde, dass Dein Bruder es ernst meinte. Er wünschte sich das für Jona, weil er ihn liebte. Was die beiden hatten, ging weit über Freundschaft hinaus. Es war viel tiefer. Sie waren eine Familie. Die Bereitschaft zu haben, auf sein eigenes Glück zu verzichten, um jemand anderen glücklich zu sehen, ist etwas, das nicht viele tun würden. Schon gar nicht, wenn es ihnen selbst das Herz in Stücke riss, und Jaimie war anzusehen, dass das bei ihm der Fall war.
»Ich will nichts davon. Aus dem gleichen Grund, warum du mich nicht mit ihr teilen wolltest.« Jaimie schniefte, als Jona ihn anlächelte. Auch in Jonathans Augen schwammen Tränen, die nicht zu seinen Gesichtszügen passen wollten, doch er wirkte selig, mit sich selbst