Das Baustellenhandbuch Abnahme. Uwe Morchutt
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Der Werkvertrag ist das Fundament, auf dem Auftraggeber und Auftragnehmer für eine Werkleistung zusammenarbeiten. Dies gilt gleichermaßen für alle Formen von Werkverträgen. Der Werkvertrag regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Auftraggeber und Auftragnehmer. Er muss nicht immer schriftlich geschlossen werden; zur Dokumentation ist die Schriftform jedoch unerlässlich.
Die Abnahme einer Werkleistung wird in allen Publikationen zum Werkvertrag völlig zu Recht als „Dreh- und Angelpunkt“, „Wendepunkt“ oder „Scheitelpunkt“ bezeichnet. Der Abnahme kommt im rechtlichen Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eine zentrale Funktion zu; an die Abnahme sind elementare Veränderungen in der Stellung des Auftraggebers und des Auftragnehmers zueinander geknüpft.
Die Abnahme ist die wichtigste vertragliche Zäsur im Ablauf eines Werkvertrags: Mit ihr endet das Arbeits- und Erfüllungsstadium; es beginnt der Bereich der Abwicklung und Gewährleistung. Dennoch wird die Abnahme sogar bei großen Bauvorhaben immer wieder sträflich vernachlässigt, woraus nicht selten später erhebliche Meinungsdifferenzen und gerichtliche Auseinandersetzungen resultieren.
Dieses Baustellenhandbuch Abnahme wendet sich in erster Linie an all jene, die im Rahmen eines Bauvorhabens – gleich ob auf Auftraggeberseite oder auf Auftragnehmerseite – mit einer Abnahme konfrontiert werden. Deshalb konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Abnahme bei Bauverträgen. Die wesentlichsten Grundsätze der Abnahme gelten allerdings gleichermaßen auch für Werkverträge außerhalb von Bauvorhaben, z. B. für die Reparatur eines Segelboots.
In der Baupraxis wird dem Bauvertrag häufig die VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) mit ihren Teilen B (Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) und C (Allgemeine Technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen) vorrangig vor den BGB-Vorschriften zugrunde gelegt. Dabei ist zu beachten, dass die VOB/B gegenüber Verbrauchern nicht zur Anwendung vorgesehen und nicht vollständig wirksam ist. Die VOB/B sollte deshalb in Bauverträgen mit Verbrauchern nicht verwendet werden (Näheres in
Kapitel 2.4).Vorschriften für die Abnahme nach BGB und VOB/B
Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Abnahme finden sich für den BGB-Bauvertrag in §§ 634a Abs. 2, 640, 641 und 644 bis 646 BGB (a. F. und n. F.). Für den VOB-Bauertrag wird das BGB überlagert von § 12 VOB/B.
Bei der Abnahme gibt es für den BGB-Bauvertrag und für den VOB-Bauvertrag nur geringe Unterschiede. Die VOB/B kennt besondere Abnahmeformen in § 12 Abs. 4 und 5 (förmliche und fiktive Abnahme), die im BGB-Bauvertrag nicht gelten. Allerdings werden die Bestimmungen der VOB/B, v. a. des § 12 VOB/B, immer stärker zur Auslegung des BGB-Werkvertragsrechts sinngemäß herangezogen oder vom Gesetzgeber sogar in das BGB übernommen, wie mit der Einführung des BGB-Bauvertragsrechts {BGB-Bauvertragsrecht} mit Wirkung zum 01.01.2018.
Abnahme nach BGB alter und neuer Fassung
Hinweis | |
Vorschriften des BGB, die sich infolge der Einführung des BGB-Bauvertragsrechts nicht geändert haben, sind in diesem Buch ohne besondere Kennzeichnung angegeben. Regelungen, die nur für Bauverträge gelten, die bis einschließlich 31.12.2017 geschlossen wurden, sind mit dem Zusatz a. F. (= alter Fassung) markiert. Vorschriften, die nur für ab dem 01.01.2018 geschlossene Bauverträge gelten, enthalten den Zusatz n. F. (= neuer Fassung). |
Das BGB sieht bisher für alle Werkverträge {Werkverträge} ein einheitliches Regelwerk vor. Dieses findet sich in den §§ 631 ff. BGB und gilt auch weiterhin für alle bis einschließlich zum 31.12.2017 abgeschlossenen Werkverträge, Bauverträge etc. Das bisherige Werkvertragsrecht findet weitgehend unterschiedslos für alle Werkverträge von der Kfz-Reparatur bis zum komplexen Großbauvorhaben Anwendung. Viele Besonderheiten von Bauprojekten, z. B. dass deren Durchführung sich regelmäßig über einen langen Zeitraum erstreckt, in dem sich vieles ändern kann, finden in den Vorschriften des bisherigen Werkvertragsrechts keine Beachtung. Deshalb wird in der Baupraxis häufig die VOB/B (und mit ihr die VOB/C) in den Bauvertrag einbezogen, welche auf die besonderen Problemkonstellationen und Interessenlagen bei Bauvorhaben zugeschnitten ist.
Im bisherigen Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB a. F. sind auch die besonderen Schutzbedürfnisse von Verbrauchern allenfalls punktuell berücksichtigt. Verbraucher als Bauherren stehen professionellen Anbietern (Bauunternehmer, Generalunternehmer, Bauträger etc.) gegenüber, welche den Verbrauchern gegenüber einen Vorsprung an Wissen und Erfahrung haben. Dies gilt nicht nur für die technische Seite eines Bauprojekts, sondern gleichermaßen für die rechtliche. Bauherren, die Verbraucher sind, sind deshalb auf besonderen Schutz gegenüber unfairen Vertragspartnern und Vertragskonzepten angewiesen. Zudem müssen Verbraucher, die für ein Bauprojekt häufig nicht nur einen sehr großen Teil ihres Vermögens aufwenden, sondern auch auf eine umfangreiche Finanzierung angewiesen sind, vor Gefahren geschützt werden (z. B. einer Insolvenz des Bauträgers).
Das BGB n. F. enthält deshalb für Werkverträge, die ab dem 01.01.2018 geschlossen wurden, neben dem Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB, das weiterhin die Basis aller Werkverträge ist, in den §§ 650a ff. BGB n. F. zahlreiche Sondervorschriften für Bauverträge {Bauverträge}. Bauverträge sind Werkverträge, die sich auf
• | die Herstellung, |
• | die Wiederherstellung, |
• | die Beseitigung oder |
• | den Umbau |
eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon beziehen. Für solche Werkverträge, die nach der gesetzlichen Definition in § 650a BGB n. F. als Bauvertrag bezeichnet werden, gelten seit dem 01.01.2018 die Vorschriften der §§ 650a ff. BGB n. F.
Des Weiteren enthält das BGB n. F. in den §§ 650i ff. Sondervorschriften für Verbraucherbauverträge. Das sind Bauverträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Diese gesetzliche Definition des Verbraucherbauvertrags ist (unabhängig von der Verbrauchereigenschaft des Bauherrn) noch wesentlich enger, als die des Bauvertrags in § 650a BGB n. F. Viele Bauverträge, an denen ein Verbraucher als Bauherr beteiligt ist, werden deshalb nicht die Voraussetzungen für einen Verbraucherbauvertrag erfüllen. So werden von einem Verbraucher beauftragte Renovierungen und kleinere Umbauten zwar Bauverträge, aber keine Verbraucherbauverträge sein. Gleiches gilt wohl bei der Errichtung eines Gebäudes durch zahlreiche Einzelunternehmer („Einzelvergabe“); keiner – oder maximal einer – dieser Einzelunternehmer wird, wie in § 650i BGB n. F. verlangt, ein neues Gebäude errichten, sondern allenfalls Teile der Errichtung übernehmen.
Doch gleich, ob es sich um einen Werkvertrag nach altem oder neuem Recht, BGB-Bauvertrag, VOB-Bauvertrag, Verbraucherbauvertrag, Bauträgervertrag oder auch Architekten- oder Ingenieurvertrag handelt, eines gilt stets gleichermaßen: Die Abnahme ist und bleibt die bedeutsamste Zäsur im Verlauf des Vertrags.
Abnahmebegriff und Abnahmewirkung
Der Begriff der Abnahme selbst ist weder im BGB noch in der VOB/B niedergelegt. Der Abnahmebegriff wird zweigliedrig definiert:
• | Übergabe des Werks vom Auftragnehmer an den Auftraggeber und |