Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner
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»Ich will euch, liebe Schüler, aber auch nicht zu sehr langweilen. Wenn ich eure Namen vorlese, begebt ihr euch bitte mit euren Eltern nach vorne auf die Bühne … Isabell Scheft!«
Ich hob wieder den Kopf und sah, wie Isabell mit erhobenem Kinn nach vorne lief, flankiert von ihren Eltern, und sich neben Yu Weiß stellte. Der erste Mentor in der Reihe trat vor, ein kleiner, stämmiger Mann mit einem etwas merkwürdigen Gesicht (es sah ehrlich gesagt aus, als wäre er gegen eine Wand gelaufen) und Isabell verbeugte sich vor ihm. Die Abfolge hatten wir vor ein paar Wochen mit unserer ehemaligen Klassenlehrerin geübt. Der Mann nahm etwas Wasser aus einer Schale, die Yu Weiß ihm reichte, und ließ drei Tropfen auf ihren Kopf herunterfallen.
»Im Name der Rotkutten«, sagte er und träufelte noch etwas Wasser auf ihren Kopf, »der Schwarzkutten«, drei Tropfen rieselten auf ihren Kopf, »und der Blaukutten. Isabell Scheft, wirst du mir gehorchen, um deine Magie zu entfalten? Wirst du mir Glauben schenken, was auch immer ich dir erzähle, und meiner Meinung vertrauen?«
Isabell nickte. »Ja, ich werde.« Die Menge klatschte, und Isabell und ihre Eltern setzten sich wieder, auf ihren Gesichtern prangte ein breites Grinsen.
Ich wusste, warum Isabell als erste nach vorne hatte gehen dürfen; sie hatte am meisten Magie, und bekam aus diesem Grund auch den ersten Mentor. Am Ende der Klasse zehn hatten wir eine Art Abschlusszeugnis erhalten, auf dem der Grad unserer Magie stand. Auf meinem Stand 0 (nachvollziehbar), Isabell hingegen hatte 17 Magiepunkte erhalten, Bea 9. 17 Magiepunkte waren für Rotkutten schon ziemlich viele, natürlich nichts gegen Blaukutten. (Ich hatte gehört, dass ihre Magie bis zu 86 Punkte erreichte!)
Es folgten ein paar Kutten aus meiner Parallelklasse, dann zwei Jungen aus meiner Klasse und Bea. Ich lächelte sie an, als sie nach vorne ging, so anmutig wie sie lief, konnte man es fast fliegen nennen. Ihr Mentor war eine große Frau, die verkniffen schaute und ihr so viel Wasser aufs Haar schüttete, dass es ihr in die Augen lief. Aber Bea grinste tapfer und zwinkerte mir zu, was ihre Eltern mit einem leichten, ungläubig Kopfschütteln quittierten. Je mehr Schüler aufgerufen worden, desto unruhiger wurden meine Eltern. Ich fragte mich wirklich, wieso. Ihnen war doch klar, dass ich die wenigste Magie von allen hatte (nämlich gar keine) und deshalb als Letzte aufgerufen werden würde.
Die Mentoren, die schon Schülern zugeteilt worden waren, verschwanden hinter dem Vorhang, sodass ich immer genau wusste, wie viele Mentoren noch übrig waren. Bald darauf stand nur noch Yu Weiß auf der Bühne. Das konnte nicht wahr sein! »Wir haben dieses Jahr ein besonderes Mädchen bei uns«, sagte der Direktor und ich schaute auf meine Füße. Bitte nicht, betete ich. Bitte sag es jetzt nicht!
»Sie hat keine Magie«, widersetzte Yu Weiß sich meiner stummen Bitte. In diesem Augenblick drehten sich alle Eltern um und starrten mich an. Meine Mutter rückte unauffällig (wie sie wahrscheinlich dachte) ein bisschen von mir weg. »Und die meisten Mentoren, die ich gefragt habe, wussten nicht, was sie sie lehren sollten. Aus diesem Grund werde ich mich ihrer annehmen.« Sofort entbrannte Protest, vor allem von den Eltern der ersten Schüler (angeführt natürlich von Isabells Mutter und Vater). »Warum unterrichten Sie denn nicht die Mächtigsten?«, brüllte Isabells Vater. Doch ein Blick von Yu Weiß brachte ihn zum Schweigen. »Kommst du nach vorne, Sofia Winters?«
Ich konnte ihre Blicke förmlich spüren, als ich nach vorne ging. Der Direktor lächelte mich leicht an. »Keine Magie ist auch eine Magie«, sagte er leise, sodass nur ich es hören konnte, und hob die Schale. »Im Namen der Rotkutten, der Schwarzkutten und der Blaukutten. Sofia Winters, wirst du mir gehorchen, um deine ganz eigene Magie zu entfalten? Wirst du mir Glauben schenken, was ich dir auch immer erzähle und meiner Meinung vertrauen?« Das Wasser, das er auf meinen Kopf träufelte, machte mich merkwürdig ruhig und ließ mich die ganzen empörten und teilweise auch entsetzten Gesichter, die in diesem Moment zu mir hochstarrten, vergessen.
Ich nickte. »Ja, ich werde.«
Meine Eltern verschwanden als erste. Kaum waren sie weg, verkroch ich mich in meinem Zimmer, um den wütenden Blicken meiner Mitschüler und den Eltern zu entgehen, die sich noch im Saal versammelt hatten, um zu feiern und später in der Mensa zu essen. Natürlich waren auch Bea und ihre Eltern dort geblieben, sodass ich mich in mein Bett kuschelte und meinen Gedanken nachhing. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber je mehr ich es versuchte, desto zorniger wurde ich. Gönnte mir denn niemand auch nur einen kleinen Triumph? Gönnte mir niemand eine Ausbildung?
Mir schnürte es die Luft zu und ich öffnete das Fenster, um ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen. Draußen stürmte es, was es eigentlich sehr selten tat. Das Wetter war beständig und obwohl wir Spätherbst hatten, war es nicht viel kühler als im Sommer und ich nahm auch nicht an, dass die Temperaturen bis zum Winter besonders weit fallen würden.
Der Wind fegte mir ins Gesicht und ließ meine Haare hinter mir tanzen. Ich genoss die kühle Luft, die ins Zimmer wehte und begann mich zu beruhigen. Sollten meine Mitschüler und von mir aus auch deren Eltern doch reden. Ich hatte einen Mentor – wahrscheinlich einen der besten. Ich blieb noch einen Moment am Fenster stehen, so lange, bis sich der Sturm langsam legte. Ich beschloss, nicht zum Abendessen zu gehen. Beas Eltern würden noch da sein und mit ihnen wollte ich bestimmt nicht essen. Ich konnte mich ja immer noch nachts runter schleichen, bei so etwas hatte ich eine gewisse Routine. Das erste Mal war ich auch wegen der ersten Stunde der Mentoren aufgeregt und verspürte nicht nur die gewöhnliche Angst. Yu Weiß war der einzige, der mich bisher normal behandelt hatte (und ich spreche nicht nur von Schülern, sondern auch von Lehrern). Vielleicht würden die nächsten zwei Jahre doch nicht so schlimm werden.
Bea kam erst am späten Abend in unser Zimmer. »Lass sie reden«, sagte sie nur. »Du hast echt Glück. Yu Weiß ist wirklich nett und meine Mentorin – Quandri – wirkt sehr streng.« Wir redeten nicht viel an diesem Abend, weil es nichts zu sagen gab. Morgen würde sich klären, wie das mit den Mentoren lief und ob die anderen Schüler mir meinen kleinen Erfolg noch übel nehmen würden.
Ich schlief nicht viel in dieser Nacht. Irgendwann lief ich nach unten in die Küche und nahm mir etwas Nachtisch. Ich war so häufig nachts essen gewesen, dass ich den Weg ohne Probleme im Dunkeln fand. Ich hasse es, wenn man weiß, dass man am nächsten Morgen ausgeschlafen sein muss, aber nicht einschlafen kann. So war das auch heute. Ich dachte gar nicht so viel über die Mentoren nach, eher über meine Eltern. Ich hatte gehofft, dass sie sich doch verändert hatten. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Vielleicht, dass sie mir sagten, wie sehr sie mich vermisst hatten. Immerhin hatten sie mich seit zwei Jahren nicht gesehen. Meine Eltern waren keine, die zu den Besuchertagen kamen wie Beas Mutter und Vater.
Manchmal fragte ich mich, ob das nur daran lag, dass ich keine Magie hatte. Ich konnte mich einfach zu wenig an früher erinnern, als es noch normal war, dass sich keine Anzeichen der Magie zeigten.
Ich wusste nicht, wann ich endlich eingeschlafen war. Irgendwann wachte ich jedenfalls von dem Geräusch der Dusche auf. Bea duschte jeden Morgen vor mir, und normalerweise liebte ich es, im Bett zu liegen und dem Rauschen des Wassers zu lauschen. Doch heute war ich viel zu nervös. Ich wusste nur, dass die Mentoren uns beim Frühstück abholen würden und wir auch Vormittags- und Nachmittagsunterricht haben würden.
Nachdem Bea und ich fertig waren, liefen wir nach unten in die Mensa. Die Schlange reichte mal wieder bis zur Tür. Ich stellte mich hinter einer Sechstklässlerin an und nahm mir ein Tablett. Wie immer konnten sich vorne manche nicht entscheiden und hielten alle anderen auf. Als wir endlich beim Buffet angekommen waren, nahm ich mir Müsli und Bea sich ein Brötchen, dann setzten wir uns an unseren Stammtisch ganz am Ende des Raumes an der Fensterseite.
Kaum hatte Bea einmal in ihr Brötchen gebissen, stand ihre Mentorin von ihrem Platz am Lehrertisch auf und kam zielstrebig auf sie zu.
»Du