Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner

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Die Magie von Pax - Sarah Nicola Heidner

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– sie schienen den Ärger darüber, dass der Schulleiter mich unterrichte, über ihre erste Mentorenstunden wieder vergessen zu haben – und Yu Weiß war vielleicht ein Mentor mit vielen Merkwürdigkeiten, aber keineswegs mies oder nervig. Im Gegenteil – ich hatte das Gefühl, dass er sehr klug war.

      Die nächsten Stunden mit Yu Weiß waren sehr interessant, auch wenn ich langsam aber sicher zu dem Schluss kam, dass er den letzten Schuss nicht gehört hatte. Wahnsinn und Klugheit lagen nun mal sehr nah beieinander. Bea war mit Mentorin Quandri nicht wirklich zufrieden und das besserte sich auch in den nächsten Tagen nicht. Ich lernte Quandri das einzige Mal kennen, als sie mit Bea so unzufrieden war, dass sie der Meinung war, beim Abendessen ihre Lehreinheit fortzusetzen zu müssen. Sie wirkte sehr arrogant und schien sich nur auf ihren Stoff zu konzentrieren, so wie sie Bea herumkommandierte.

      Ich war so vollkommen mit Yu Weiß’ Arbeit (und seinen Hausaufgaben) beschäftigt, dass ich praktisch keine Zeit für andere Dinge fand.

      Nachdem Luis und Bea ein paar Mal miteinander ausgegangen waren, saß er jetzt immer an unserem Tisch in der Mensa (was schon ein Fortschritt war).

      Der Unterricht mit Yu Weiß wurde immer anspruchsvoller, ein paar Stunden konzentrierten wir uns total auf Heilpflanzen und die Woche darauf nur auf die Magie der Rotkutten.

      »Natürlich ist die Magie bei jeder Kutte unterschiedlich«, erklärte Yu Weiß mir, während wir in einem der leeren Klassenräume saßen, »aber alle Rotkutten sind der Telekinese mächtig, das heißt, sie können Gegenstände bewegen. Die Schwächeren schaffen es vielleicht nur, eine Feder schweben zu lassen, aber die Besten können Häuser verschieben. Diese wenigen werden normalerweise Architekten.« Dann schauten wir uns Studien über die Magiepunkte der Rotkutten an, die ich mir einprägen sollte.

      Ich dachte schon, dass das Leben so eigentlich doch ganz schön war, auch ohne Magie. Ich lernte wirklich viel von Yu Weiß, und auch wenn es anstrengend war, bis spät in die Nacht an Büchern oder Arbeitsblättern zu sitzen, interessierte es mich. Und, was fast das Wichtigste für mich war: Er behandelte mich wie eine normale Rotkutte.

       Kapitel 2

      Ein paar Wochen später folgte ich Yu Weiß nach dem Frühstück quer durch das ganze Schülerhaus (so nannten sich die Gebäude, in denen Schüler nach dem Entdecken ihrer Magie unterrichtet wurden).

      »Warum gehen wir nicht wieder in einen leeren Klassenraum?«, fragte ich.

      »Das wirst du sehen«, antwortete er nur. »Jetzt musst du dich an das Versprechen erinnern, das du mir gegeben hast.«

      Ich kannte das Schülerhaus der Rotkutten nicht so gut, wie man einen Ort, an dem man fast die gesamte Zeit seines Lebens verbracht hatte, eigentlich kennen müsste. Das lag aber vor allem daran, dass ich es vermieden hatte, mit anderen Leuten durch die Korridore zu gehen, oder auch nur von anderen gesehen zu werden. Tatsächlich fiel mir auf, als ich gerade darüber nachdachte, dass ich eigentlich die ganze Zeit entweder in den Klassenzimmern, in der Mensa oder aber in meinem Zimmer verbracht hatte.

      Schließlich drückte Yu Weiß eine Tür auf, und ich fand mich in einem Raum wieder, den man nur als eindrucksvoll beschreiben kann.

      Der Raum (viel eher eine Art Saal) war riesig. Die linke Seite bestand nur aus Fenstern und das morgendliche Sonnenlicht spiegelte sich auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes, an der die Statue stand. Natürlich hatte ich im Unterricht von den Göttern der verschiedenen Kutten gehört, aber als Nichtmagier hatte mich es nicht sonderlich interessiert. Die Götter waren sowieso nicht auf meiner Seite. Aber dennoch konnte ich nicht anders, als die Statue des Rotkuttengottes zu bewundern. Sie reichte fast bis zur Decke, und die langen, kräftigen Beine standen auf einem runden Plateau. Der Gott (ich konnte mich daran erinnern, dass er Armet hieß) hielt in der Rechten Pfeil und Bogen, das Zeichen der Rotkutten. »Du darfst auch nicht von diesem Raum erzählen, Sofia«, sagte Yu Weiß und riss mich aus meinen Gedanken. Ich wandte den Blick von der Statue ab und nickte. Obwohl ich keine Ahnung hatte, warum ich ihm diese Versprechen geben musste, vertraute ich meinem Mentor. Ich hatte nur auf die beeindruckende Statue geachtet, aber der Raum war nicht vollkommen leer. In der Mitte waren Matten auf dem glatten Mamorboden ausgebreitet, und an der Wand hingen Waffen. Fasziniert trat ich näher. Ich hatte noch nie solche Waffen gesehen, da man normalerweise seine Magie nutzte, sollte man angegriffen werden. Das dachte ich jedenfalls.

      Der Großteil der Waffen waren Pfeil und Bogen, aber es gab auch lange Metallstäbe, die Yu Weiß »Lanzen« nannte, »Dolche« und »Schwerter«.

      Nachdem ich mir die Waffen angeschaut hatte, setzten Yu Weiß und ich uns auf die Matten in der Mitte des Raumes.

      »Wenn du kämpfst«, sagte er eindringlich, »kämpfst du nicht mit Magie, wie du vielleicht denkst. Die meisten nehmen das an, aber das liegt daran, dass sie noch nie wirklich gekämpft haben. Wenn man in einem Kampf Magie einsetzt, ist man viel zu schnell erschöpft und wird vielleicht sogar ohnmächtig und das ist das Letzte, was man sich vor einem Feind erlauben kann. Deshalb gibt es diese Waffen, die ich dir gerade benannt habe.« Yu Weiß stand auf, ging zu der Wand mit den Waffen und nahm eine in die Hand.

      »Dolche sind Stichwaffen, die zur Waffenart der Messer gehören«, erklärte Yu Weiß. »Siehst du hier die Klinge? Sie ist zweischneidig, und etwa vierzig Zentimeter lang. Das Griffstück besteht hier aus Holz, es gibt aber auch weit bessere Modelle aus Jade oder Elfenbein.«

      Es klingelte, die Mittagspause hatte begonnen. »Warum …«, fragte ich, »warum erzählen Sie mir das alles? Ich werde nie kämpfen, sondern irgendwo in einem Haushalt putzen oder etwas in der Art.«

      Yu Weiß lächelte mich verständnisvoll an. »Allgemeinwissen«, sagte er sanft, aber ich glaubte ihm kein bisschen. Waffen oder auch nur Kämpfen hatte ganz sicher nichts mit Allgemeinwissen zu tun und das lag nicht nur daran, dass die anderen Mentoren den Schülern das nicht beibrachten.

      Beim Mittagessen war ich sehr still, selbst für meine Verhältnisse, und das fiel auch Bea auf. »Alles in Ordnung?«, fragte sie leise, als Luis für uns Nachtisch besorgte, aber ich schüttelte den Kopf.

      »Nur viele Hausaufgaben«, log ich und verdrehte die Augen. Ich wollte Bea von der Stunde mit Yu Weiß erzählen, aber ich hatte auch ein Versprechen gegeben. Hin- und hergerissen überlegte ich, ob ich Bea davon erzählen sollte und hatte mich gerade dafür entschieden, als Luis mit einem abwertenden Blick auf mich zwei Puddingschalen brachte und sie vor seinen und Beas Teller stellte. Bea sah mich entschuldigend an.

      »Ich hab sowieso keinen Hunger, danke der Nachfrage«, versetzte ich und stand auf. An diesem Abend gingen Bea und Luis zusammen in die Stadt und ich legte mich auf mein Bett und versuchte die Lektüre über Pilze und Kräuter zu lesen, die Yu Weiß mir gegeben hatte. Aber immer wieder drifteten meine Gedanken ab, zu der Stunde mit Yu Weiß und den Fakten über Dolche. Ich wusste nicht wieso, aber ich hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Yu Weiß war niemand, der etwas ohne Grund machte. Und dass er mir Waffentraining gab, beunruhigte mich zutiefst. Vielleicht, überlegte ich, machte er das aber auch nur, weil ich keine Magie zu Verfügung hatte. Ich musste mich ja irgendwie verteidigen können. Allerdings – wovor sollte ich mich als Putzfrau verteidigen, etwa vor Putzlappen?

      Ich konnte nicht einschlafen, und setzte mich deshalb an das Fenster. Draußen war nur der Mond zu sehen und er beleuchtete den gepflasterten Innenhof in einem sanften Licht. In diesem Moment sah ich einen Schatten, nur wenige Meter vom Haus entfernt, auf dem Boden kauern. Ich hätte ihn nicht gesehen, hätte der Mond nicht so hell geschienen. Vorsichtig rutschte ich vom Fensterbrett und schob meine Hand, ohne den Blick von der Gestalt zu lassen, zentimeterweise über die Wand,

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