Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner

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Die Magie von Pax - Sarah Nicola Heidner

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Weiß sah mich enttäuscht an, was eigentlich noch schlimmer war, als wenn er wütend geworden wäre. »Es war grob fahrlässig, das nicht zu erzählen«, stellte er fest, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf Mary.

      »Wir müssen darüber beraten, was mit dir geschieht«, sagte Yu Weiß nüchtern. »Du kannst nicht zu deinem Onkel, weil Kinder und Jugendliche ab ihrem sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahr in Schülerhäusern leben und lernen müssen – ob nun bei den Schwarz- oder den Rotkutten. Quandri, könnten Sie Mary vielleicht vor die Tür geleiten, während wir uns beraten?«

      Quandri sah mich erbost an; wahrscheinlich fragte sie sich, weshalb ich bleiben durfte (ehrlich gesagt fragte ich mich das auch!). Sie bedeutete Mary mit einer unwirschen Handbewegung, ihr zu folgen, dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss und hüllte uns in Schweigen. Es dauerte einige Zeit, bis der stellvertretende Schulleiter Herr Must seinen Vorgesetzten anblickte. »Ich weiß nicht, was Sie denken, Yu. Die Geschichte scheint sehr … verrückt zu sein. Zu verrückt, zu unglaublich, um wahr zu sein. Dennoch bezweifele ich, dass dieses Mädchen lügt. Ich würde ihr die Wahl lassen. Kehrt sie zurück zu ihrem Stamm, haben wir kein Problem. Will sie bei uns bleiben, müssen wir sie bewachen. Wir können nicht ausschließen, dass sie ein Spion ist und wir können uns nicht leisten, dass sie eine Horde Schwarzkutten auf uns hetzt.«

      Yu Weiß nickte bedächtig und fuhr langsam mit der Hand über das Holz seines Schreibtisches, bevor er mich anblickte. »Was meinst du, Sofia?«

      Ich starrte ihn perplex an. Wollte er jetzt wirklich von mir, einer magielosen, sechzehnjährigen Schülerin, eine Antwort für dieses Problem?!

      »Ähm … ja. Also sie macht auf mich nicht den Eindruck einer Lügnerin und Herrn Musts Idee … finde ich gut«, stammelte ich.

      Yu Weiß schaute uns zustimmend an. »Dann ist es beschlossen. Quandri, kommen Sie rein!«

      Sofort öffnete sich die Tür, als ob Quandri nur darauf gewartet hätte, dass sie hereingerufen werden würde. Beas Mentorin setzte sich schnell, während sich Mary ziemlich erschöpft in einen der Ledersessel fallen ließ, kurz für einen Moment die Augen schloss und Yu Weiß dann ängstlich ansah.

      »Wir haben beschlossen, dich selbst entscheiden zu lassen, in welches Schülerhaus du möchtest. Natürlich wäre das der Schwarzkutten für deine Fähigkeiten am besten geeignet, doch wir verwehren niemandem, der seinem Stamm den Rücken gekehrt hat – vor allem nicht dem Stamm der Schwarzkutten – die Hilfe«, sagte Yu Weiß langsam und schaute Mary abwartend an.

      Ein Ausdruck unglaublicher Erleichterung breitete sich in ihrem Gesicht aus und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Schnell wischte sie mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Ich will – ehrlich gesagt würde ich lieber hier bleiben«, sagte sie mit zittriger Stimme.

      Yu Weiß nickte. »Dann soll es so sein. Sei dir allerdings im Klarem darüber, dass deine Fähigkeiten hier nicht so leicht auszubilden sind, wie in einem Schülerhaus der Schwarzkutten. Mit Nekromantie hat niemand hier Erfahrungen, wir werden dich also nicht auf diesem Gebiet unterrichten. Außerdem wird dich immer jemand bewachen. Nimm es nicht persönlich, aber du bist immer noch eine Schwarzkutte. Nun denn – Sofia, wir sehen uns beim Nachmittagsunterricht. Mary, bleibst du bitte noch kurz hier? Wir müssen über deinen Mentor und über deinen Schlafraum sprechen.«

      »Sie kann bei Bea und mir im Zimmer schlafen«, schlug ich vor, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Alle Blicke richteten sich auf mich und Herr Must hob überrascht die Augenbrauen.

      »Na ja, sie kennt ja nur mich und außerdem haben wir auch nicht so viele Zimmer frei«, sagte ich verlegen, aber Yu Weiß nickte zustimmend.

      Ich verließ hinter Quandri den Raum (die mich übrigens aus zusammengekniffenen Augen musterte. Das zum Thema patziges-Verhaltenvergessen).

      Am Nachmittag ging ich mit einem mulmigen Gefühl zu der Unterrichtsstunde. Ich wollte Bea eigentlich nicht in den Klauen (okay, das war jetzt vielleicht etwas übertrieben) Quandris lassen, aber dennoch wurde mir bewusst, dass ich das Kampftraining ernster nehmen sollte, als ich es am Anfang getan hatte.

      Yu Weiß war nicht alleine, als ich den großen Raum mit der Statue des Armet betrat (was er ja auch angekündigt hatte). Neben ihm stand ein Junge, etwa in meinem Alter, mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Er war groß und muskulös, aber seine Gesichtszüge waren weich – ein typischer Mädchenschwarm. (Isabell wäre ihm wahrscheinlich sofort um den Hals geflogen.) In seinen Händen hielt er ein dickes Buch – kein gutes Zeichen! Mein Mentor lächelte mir zu, als ich näher trat. »Das ist Merl Kerner. Er wird dich im Kämpfen unterrichten.«

      Ich nickte Merl einmal kurz zu und erkundigte mich dann bei Yu Weiß nach Mary.

      »Im Moment passt Herr Must auf sie auf. Mach dir keine Sorgen, Sofia.«

      Yu Weiß setzte sich unter die Armetstatue, während Merl näher trat. »Also, wir werden erst einmal mit Taekgyeon anfangen. Das ist eine Kampftechnik, bei der unter anderem Tritte, Schläge und Sprünge eingesetzt werden. Das wichtigste beim Taekgyeon ist eigentlich, dass du immer in Bewegung bist, niemals stehen bleibst und dich fließend bewegst. Auf diesem Bild hier«, er klappte das Buch, das er in der Händen gehalten hatte, auf und deutete auf zwei in einander verknäulte Blaukutten, »zeige ich dir erst einmal den sogenannten Gyeot Chigi, auch gewundener Tritt genannt.«

      Wir verbrachten die gesamte Stunde mit Theorie. Merl zeigte mir verschiedene Stellungen auf Arbeitsblättern und in Büchern und bläute mir ein, sie bis zum nächsten Tag nicht zu vergessen. Wir sprachen nur über Kampftechniken, und insgeheim fragte ich mich, wo Merl so gut kämpfen gelernt hatte. Es war nicht üblich, dass eine Rotkutte kämpfen lernte.

      Als ich den Trainingsraum schließlich wieder verließ, schwirrte mir der Kopf von all denn Informationen und Techniken.

      Als ich in mein Zimmer kam, saß Mary auf einer Matratze, die zwischen Beas und mein Bett gelegt worden war (sodass wir nur über die Betten zu unseren Schränken kamen). Auf der Fensterbank saß Herr Must mit einem Stapel Arbeiten vor sich und begann eifrig mit seinem roten Korrigierstift zu schreiben. Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu. (Also ehrlich, musste er denn unbedingt in unser Zimmer, um Mary zu bewachen? Ein bisschen Privatsphäre wäre eigentlich wirklich nicht schlecht, auch vor Lehrern!)

      »Hi«, sagte ich demonstrativ nur zu Mary, kletterte über mein Bett und hängte meine (jetzt einzige, schließlich hatte Bea die andere so zugerichtet, dass sie nicht mehr tragbar war) rote Robe in den Schrank. Wieder warf ich einen grimmigen Blick auf Herrn Must. Musste er denn unbedingt im Zimmer sein und mich in Leggins und T-Shirt sehen?!

      »Wie geht’s dir?«

      »Ganz gut, danke«, sagte sie und fügte schüchtern hinzu: »Ich habe gehört, dass du keine Magie hast. Stimmt das?« Ich verdrehte die Augen (also so langsam war ich das Thema wirklich leid).

      »Ja, das stimmt«, sagte ich etwas patziger als beabsichtigt und schob deshalb noch hinterher: »Aber ich komme hier ganz gut aus, auch wenn ich keine Rotkutte bin. Das wird dir genauso gehen, Mary.« Damit machte ich mich auf den Weg zu Bea. Einerseits wollte ich sie wirklich sehen, andererseits konnte man sich nicht im Zimmer entspannen, wenn Herr Must direkt neben einem hockte. Insbesondere nicht, wenn ich eigentlich vorhatte zu Duschen. Aber darauf, dass der stellvertretende Schulleiter meinen Gesang (na ja, also das Gekreische des Huhns in mir, wie Bea es immer nannte) hörte, konnte ich getrost verzichten.

       Kapitel 3

      Die

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