Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD). Christian Warns
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272AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 57; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 21 Rn. 1; Schielke, Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 254.
273AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 57; nicht ganz deutlich, wohl aber die Kontrollbefugnis grundsätzlich bejahend Fey/Rehren, MVG-EKD, § 36 Rn. 25; allgemein zur Berechtigung der staatlichen Arbeitsgerichte, eine Inzidentkontrolle vorzunehmen Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 21 Rn. 2 f.; Richardi, NZA 2000, 1305, 1307 f.; Schielke, Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 254.
274Ebenso Schielke, Mitarbeitervertretungsgesetz, S. 254 („mit der Besonderheit, daß das kirchliche Recht zu beachten ist“).
Die Betriebsvereinbarung und die Dienstvereinbarung erhalten ihre besondere Bedeutung als Regelungsformen des staatlichen Rechts dadurch, dass sie unmittelbar und zwingend für die einzelnen Arbeitsverhältnisse respektive Dienstverhältnisse gelten.275 Für die Betriebsvereinbarung findet sich eine ausdrückliche Anordnung dieser Wirkungsweise in § 77 Abs. 4 BetrVG. Im Personalvertretungsrecht hielt der Gesetzgeber eine derartige Anordnung für entbehrlich,276 ohne dass dies jedoch nach allgemeiner Auffassung der Wirkungsweise der Dienstvereinbarung entgegenstünde.277 Die unmittelbare und zwingende Wirkung begründet den wesentlichen Unterschied zu anderen Regelungsformen, durch die lediglich eine die Betriebsparteien verpflichtende Abrede getroffen wird (Regelungsabrede).278 Die besondere Bedeutung der unmittelbaren und zwingenden Wirkung ergibt sich daraus, dass durch die Wirkungsanordnung das Arbeitsverhältnis ohne Zutun der Arbeitsvertragsparteien gestaltet wird. Die unmittelbare Wirkung findet ihren Ausdruck darin, dass es keiner Umsetzung der in einer Betriebs- oder einer Dienstvereinbarung getroffenen Regelungen durch die Arbeitsvertragsparteien bedarf.279 Die zwingende Wirkung äußert sich darin, dass abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag, jedenfalls soweit sie für den Arbeitnehmer ungünstiger sind, durch die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung verdrängt werden und stattdessen die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.280 Die besondere Bedeutung der Regelungsinstrumente erschließt sich daher vom Adressatenkreis. Der einzelne Arbeitnehmer wirkt nicht am Zustandekommen der Betriebs- oder der Dienstvereinbarung mit, sein Arbeitsverhältnis wird aber durch sie gestaltet. Für den Arbeitgeber bietet die Betriebs- oder die Dienstvereinbarung damit eine Möglichkeit, für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen einheitliche Regelungen zu schaffen, ohne dass es einer Umsetzung in jedem Einzelvertrag bedarf; es handelt sich für den Arbeitgeber um „‘das‘ Instrument der innerbetrieblichen Normsetzung“281, mit dem er die Ordnung im Betrieb einheitlich zu gestalten vermag. Häufig wird deshalb im Zusammenhang mit der unmittelbaren und zwingenden Wirkung auch von einer normativen Wirkung gesprochen;282 die Umschreibung mit dem Begriff der „Normwirkung“ darf jedoch nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten, insoweit der verwendete Normbegriff zunächst als ein eigenständiger betriebsverfassungsrechtlicher wahrzunehmen ist und nicht notwendigerweise mit dem Normbegriff einer „staatlichen Rechtstheorie“ übereinstimmen muss.283
Das Mitarbeitervertretungsgesetz orientiert sich nicht nur terminologisch an der Begrifflichkeit der „Dienstvereinbarung“, sondern ordnet zugleich in § 36 Abs. 3 MVG-EKD ebenfalls an, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können, also zwingend wirken. Der kirchliche Gesetzgeber geht danach von der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Dienstvereinbarung aus. Entgegen dieser kirchengesetzlichen Anordnung hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts jedoch in seinem Urteil vom 24.06.2014 die unmittelbare und zwingende Wirkung der kirchlichen Dienstvereinbarung für den säkularen Rechtskreis verneint.284 Hatte derselbe Senat noch in einem Urteil vom 19.06.2007 die unmittelbare und zwingende Wirkung von Dienstvereinbarungen auch im Rahmen der kirchlichen Anordnung für möglich gehalten,285 so wurde diese frühere Rechtsprechung nunmehr aufgegeben. Unabhängig von der inhaltlichen Entscheidung erscheint diese Rechtsprechungsänderung in einem obiter dictum durchaus fragwürdig; die Vorinstanz behandelte die Frage jedenfalls nicht.286 Der 1. Senat statuiert im Urteil vom 24.06.2014 in einiger Kürze, dass eine normative Wirkung der Dienstvereinbarung nach § 36 MVG-EKD nicht in Betracht käme. Entscheidend sei, dass es ebenso wie bei den auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen an einer im säkularen Recht enthaltenen Anordnung der normativen Wirkung fehle.287
Wird der besondere Wesensgehalt der kirchlichen Dienstvereinbarung bestritten, so hat dies Auswirkungen auf die gesamte Betrachtung und Beurteilung des mitarbeitervertretungsrechtlichen Rechtsinstituts. Die Frage nach der Wirkungsweise der kirchlichen Dienstvereinbarung muss daher an den Anfang jeglicher weiteren Auseinandersetzung mit dem Regelungsinstrument der Dienstvereinbarung gestellt werden.
275Für die Betriebsvereinbarung siehe nur: DKKW/Berg, § 77 Rn. 88; Fitting, § 77 Rn. 124 ff.; LK/Kaiser, § 77 Rn. 7; GK/Kreutz, § 77 Rn. 35, 186 ff.; HWGNRH/Worzalla, § 77 Rn. 180, 182 f.; für die Dienstvereinbarung siehe nur: Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, § 73 Rn. 5; Richardi/Dörner/Weber/C. Weber, Personalvertretungsrecht, § 73 Rn. 21 ff.
276BT-Drs. 7/176, S. 33.
277Ilbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, § 73 Rn. 5; Richardi/Dörner/Weber/C. Weber, Personalvertretungsrecht, § 73 Rn. 21.
278Fitting, § 77 Rn. 216 f.; GK/Kreutz, § 77 Rn. 8 f.; WPK/Preis, § 77 Rn. 92, 95.
279AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 36; entsprechend zur Betriebsvereinbarung GK/Kreutz, § 77 Rn. 237 m.w.N.
280AKS/Andelewski, MVG.EKD, § 36 Rn. 37; entsprechend zur Betriebsvereinbarung GK/Kreutz, § 77 Rn. 254 m.w.N.
281So GK/Kreutz, § 77 Rn. 7.
282Vgl. nur GK/Kreutz, § 77 Rn. 239 ff.; Richardi BetrVG/Richardi, § 77 Rn. 147; Waltermann, Arbeitsrecht, Rn. 873; ebenso zur kirchlichen Dienstvereinbarung: Baumann-Czichon/Gathman/Germer, MVG-EKD, § 36 Rn. 4; Fey/Rehren, MVG-EKD, § 36 Rn. 12.
283So zutreffend GK/Kreutz, § 77 Rn. 242.
284BAG vom 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 74 [Rn. 12]; zustimmend LAG Berlin-Brandenburg vom 25.01.2017 – 15 Sa 1891/16, BeckRS 2017, 108497 [Rn. 18].
285BAG vom 19.06.2007 – 1 AZR 340/06 – AP KSchG 1969 § 1a Nr. 4 [Rn. 41].
286Vgl. LAG Hamm vom 08.11.2012 – 8