Dienstvereinbarungen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland (MVG-EKD). Christian Warns
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Die kirchengesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Vertragstheorie rechtfertigt es, die Dienstvereinbarung als einen privatrechtlichen Vertrag zu qualifizieren.236 Infolgedessen kann auch auf die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Willenserklärung und das Rechtsgeschäft zurückgegriffen werden,237 soweit nicht durch das Mitarbeitervertretungsgesetz eine besondere Regelung getroffen ist;238 so finden beispielsweise die Vorschriften über die Anfechtung einer Willenserklärung ebenso wie die Vorschriften über die (Teil-) Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts Anwendung.
Die Mitarbeitervertretung muss die Vereinbarung durch ihre vertretungsberechtigten Organe, also insbesondere durch ihren Vorsitzenden abschließen; ihr ist es nicht möglich, die Vereinbarungskompetenz an einen Ausschuss zu übertragen (§ 23a Abs. 1 S. 1 a. E. MVG-EKD). Ein wirksames Zustandekommen der Dienstvereinbarung setzt allerdings voraus, dass die Mitarbeitervertretung einen entsprechenden Beschluss über den Abschluss der fraglichen Dienstvereinbarung fasst, da der Vorsitzende gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 MVG-EKD zur Vertretung nur im Rahmen der gefassten Beschlüsse berechtigt ist. Fehlt dem Vorsitzenden die Berechtigung zum Abschluss der Dienstvereinbarung, so kann der zunächst schwebend unwirksamen Dienstvereinbarung allerdings durch einen ordnungsgemäßen Genehmigungsbeschluss der Mitarbeitervertretung rückwirkend zur Wirksamkeit verholfen werden (§§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB).239
II. Schriftform und Bekanntgabe
Ferner sind beim Abschluss einer Dienstvereinbarung die in § 36 Abs. 2 MVG-EKD genannten Formvorgaben einzuhalten. Die ersten beiden Voraussetzungen – der schriftliche Vertragsabschluss und die Unterzeichnung beider Parteien auf einer Vertragsurkunde – sind gemäß der §§ 125 S. 1, 126 Abs. 1 und 2 BGB als Wirksamkeitsvoraussetzungen anzusehen.240 Demgegenüber hindert jedoch die fehlende Bekanntgabe241 das wirksame Zustandekommen der Dienstvereinbarung nicht.242 Da das Mitarbeitervertretungsgesetz von einem rechtsgeschäftlichen Entstehungstatbestand ausgeht, hat die Bekanntgabe lediglich eine deklaratorische Bedeutung.243 Durch das Privatrecht ist die Bekanntgabe nicht als eine Voraussetzung für das wirksame Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts vorgesehen.244 Von diesem privatrechtlichen Grundsatz weicht auch das Mitarbeitervertretungsgesetz nicht ab. Insbesondere muss die Bekanntgabe nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung der Dienstvereinbarung erhoben werden, um die Regelungsadressaten davor zu schützen, dass ihnen aus einer ihnen nicht bekanntgegebenen Dienstvereinbarung Nachteile erwachsen. Zunächst wird die Information der Mitarbeiter regelmäßig schon aufgrund der Amtspflichten der Mitarbeitervertretung (insbesondere § 35 Abs. 3 lit. b) MVG-EKD) und aufgrund der Kundmachungspflicht der Dienststellenleitung tatsächlich gewährleistet sein. Jedoch ergeben sich auch im Falle einer fehlenden Bekanntgabe keine Nachteile für die Mitarbeiter. Solange die Dienstvereinbarung noch nicht bekannt gegeben ist, können sich die Mitarbeiter gegenüber der Dienststellenleitung darauf berufen, dass sie auf den Fortbestand des geltenden status quo vertraut haben.245 Verstößt ein Mitarbeiter objektiv gegen eine sich aus der Dienstvereinbarung ergebende Pflicht, so kann er sich zudem auf die fehlende Kenntnis berufen und hierdurch den Nachweis führen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 276 BGB).246 Bedeutsam ist schließlich, dass sich die Mitarbeiter trotz fehlender Bekanntgabe bereits ab dem Zeitpunkt des wirksamen Zustandekommens der Dienstvereinbarung auf die ihnen eingeräumten Rechte berufen können.247
III. Freiwilligkeit des Abschlusses
Der Abschluss einer Dienstvereinbarung setzt schließlich voraus, dass sich die Dienststellenpartner über einen bestimmten Inhalt einig werden. Bei den kirchlichen Dienstvereinbarungen handelt es sich im Regelfall immer um sogenannte freiwillige Dienstvereinbarungen. Das Mitarbeitervertretungsrecht hält weder für die Mitarbeitervertretung noch für die Dienststellenleitung eine Möglichkeit bereit, den Abschluss einer Dienstvereinbarung zu erzwingen.248 Wird das Kirchengericht wegen des Abschlusses einer Dienstvereinbarung angerufen, so kann es gemäß § 60 Abs. 3 MVG-EKD den Dienststellenpartnern nur einen Vermittlungsvorschlag unterbreiten;249 Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung können sich insoweit nur im Voraus darauf einigen, dass sie den Vermittlungsvorschlag für sich als bindend auffassen und ihn im Anschluss durch eine Dienstvereinbarung umsetzen.250
Das Kirchengericht hat selbst in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten der §§ 39 f. MVG-EKD nicht die Befugnis, einem (vermittelnden) Regelungsvorschlag der Mitarbeitervertretung oder der Dienststellenleitung stattzugeben. Es ist vielmehr in den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gemäß § 60 Abs. 6 MVG-EKD darauf beschränkt, die von der Dienststellenleitung beantragte Zustimmungsersetzung vorzunehmen oder den Ersetzungsantrag abzuweisen. Aus § 60 Abs. 6 S. 2 MVG-EKD, wonach sich die Entscheidung der Kirchengerichte im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften und im Rahmen der Anträge von Mitarbeitervertretung und Dienststellenleitung halten muss, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Insbesondere kann die Befugnis des Kirchengerichts nicht durch einen Antrag ausgeweitet werden, mit dem die Mitarbeitervertretung oder die Dienststellenleitung den Erlass einer vermittelnden Regelung begehrt; ein solcher Antrag kann im Verfahren nach §§ 38 Abs. 4, 60 Abs. 6 MVG-EKD nicht gestellt werden und müsste als unzulässig abgewiesen werden.
Gemäß § 36a MVG-EKD können die Mitarbeitervertretung und die Dienststellenleitung allerdings in einer freiwilligen Dienstvereinbarung die Einrichtung einer Einigungsstelle vereinbaren, die für Regelungsstreitigkeiten der Dienststellenpartner in den organisatorischen und sozialen Angelegenheiten des § 40 MVG-EKD zuständig ist. Wurde eine solche Einigungsstelle gebildet, so ersetzt ihr Spruch gemäß § 36a Abs. 2 S. 2 MVG-EKD ausnahmsweise die Einigung von Dienststellenleitung und Mitarbeitervertretung. Nur in diesem äußerst begrenzten Umfang kann ein Dienststellenpartner die Regelung einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit erzwingen.
C. Geltungsbereich der Dienstvereinbarung
Der kirchliche Gesetzgeber hat den potentiellen Geltungsbereich für das mitarbeitervertretungsrechtliche Rechtsinstitut der Dienstvereinbarung nicht explizit festgelegt. Grundsätzlich steht es den Dienstvereinbarungsparteien daher frei, den Geltungsbereich ihrer Vereinbarung selbst zu bestimmen. Aufgrund dessen ist der Geltungsbereich einer Dienstvereinbarung vom Rechtsanwender stets zunächst im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Dienstvereinbarungsparteien unterliegen jedoch bei der Festlegung des Geltungsbereichs gewissen äußeren Beschränkungen. So kann der Geltungsbereich eines mitarbeitervertretungsrechtlichen Rechtsinstituts nicht weiter reichen als der Geltungsbereich des Mitarbeitervertretungsgesetzes.
Der räumliche Geltungsbereich einer Dienstvereinbarung ist deshalb durch die begrenzte räumliche Zuständigkeit der Mitarbeitervertretung begrenzt; die Mitarbeitervertretung kann gemeinsam mit der Dienststellenleitung eine Dienstvereinbarung nur für diejenige Dienststelle abschließen, für die sie gewählt wurde.251 Die Dienstvereinbarungsparteien können allerdings beim Vorliegen sachlicher Gründe den räumlichen Geltungsbereich auf bestimmte Dienststellenteile beschränken.252
Als Adressaten einer Dienstvereinbarung kommen nur diejenigen Mitarbeiter einer Dienststelle in Betracht, für die das Mitarbeitervertretungsgesetz gemäß § 2 MVG-EKD einen Geltungsanspruch erhebt.253 Die Begrenzung des persönlichen Geltungsbereichs auf bestimmte Teile der Mitarbeiterschaft ist den Dienststellenpartnern erlaubt, soweit ein entsprechender sachlicher Grund die Einschränkung rechtfertigen kann.254
Den zeitlichen Geltungsbereich einer Dienstvereinbarung können die Dienststellenpartner festlegen.255 Ihnen ist es daher grundsätzlich auch