Strafrecht Besonderer Teil. Группа авторов

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hat) und ein anderer anschließend am Ort des Geschehens erscheint, aber untätig bleibt, obgleich das Leben des Sterbewilligen durch die Einleitung von Rettungsmaßnahmen noch gerettet werden könnte. Hinsichtlich des untätig Bleibenden könnten zum einen die Voraussetzungen eines Totschlags durch Unterlassen nach §§ 212 Abs. 1, 13 StGB und zum anderen diejenigen einer unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c StGB vorliegen.

      aa) Tötung durch Unterlassen

      124Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Totschlags durch Unterlassen ist zunächst, dass der untätig Bleibende i.S.v. § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, also eine auf die Verhinderung des Todeseintritts gerichtete Garantenstellung innehat. Hiervon könnte zum einen bei Ehegatten und Familienangehörigen, zum anderen aber auch bei Hausärzten u.ä. ausgegangen werden, die die Pflege des Sterbewilligen übernommen haben. Unabhängig von der Frage, welche Personen im Einzelfall eine auf die Verhinderung der Selbsttötung gerichtete Garantenstellung innehaben, ist in diesem Zusammenhang jedoch zu erörtern, ob im Fall eines eigenverantwortlichen Suizids die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines daneben untätig Bleibenden nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Hintergrund ist der Umstand, dass zumindest im Fall eines eigenverantwortlichen Handelns des Suizidenten allein dieser das zum Tode führende Geschehen beherrscht, ihm also die Tatherrschaft zufällt. Da dies zur Folge hat, dass sich derjenige, der den Suizidenten aktiv unterstützt (etwa in der Form, dass er ihm die Schlaftabletten besorgt und überreicht) nicht strafbar macht, leuchtet nicht ein, warum eine Person, die nicht gegen den bereits in Gang gesetzten Sterbeverlauf vorgeht und hierdurch den Willen des Suizidenten respektiert, einer strafrechtlichen Verantwortung unterfallen sollte.

      125Trotz dieser grundsätzlichen Bedenken hat der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 zu erkennen gegeben, dass er in entsprechenden Konstellationen eine Strafbarkeit des untätig Bleibenden aus einem unechten Unterlassungsdelikt prinzipiell für möglich erachtet. Zu beurteilen war ein Fall, in dem ein Arzt im Rahmen eines Hausbesuches erkannte, dass seine bereits bewusstlose 76-jährige Patientin Morphium und Schlafmittel in Selbsttötungsabsicht zu sich genommen hatte. Der Arzt unternahm nichts zu ihrer Rettung, da die Patientin ihm gegenüber mehrfach ausdrücklich ihren Sterbewillen bekundet hatte und der Arzt davon ausging, sie nicht ohne schwere Dauerschäden retten |59|zu können. Obgleich der BGH die Strafbarkeit des Arztes im konkreten Fall verneinte, wies er darauf hin, dass sich ein Garant in vergleichbaren Konstellationen grundsätzlich nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB strafbar machen könne. Zur Begründung führte er aus, dass ab dem Moment, in dem »der Suizident die tatsächliche Möglichkeit der Beeinflussung des Geschehens (›Tatherrschaft‹) endgültig verloren hat, weil er infolge Bewußtlosigkeit nicht mehr von seinem Entschluß zurücktreten kann, […] der Eintritt des Todes […] allein vom Verhalten des Garanten [abhänge]. In dessen Hand [läge] es nunmehr, ob das Opfer, für dessen Leben er von Rechts wegen einzustehen hat, gerettet wird oder nicht. In diesem Stadium des sich […] oft über viele Stunden hinziehenden Sterbens [habe] dann nicht mehr der Selbstmörder, sondern nur noch der Garant die Tatherrschaft und, wenn er die Abhängigkeit des weiteren Verlaufs ausschließlich von seiner Entscheidung in seine Vorstellung aufgenommen hat, auch den Täterwillen.«[212] Zusammenfassend nimmt der BGH also einen (ggf. strafbarkeitsbegründenden) Tatherrschaftswechsel ab dem Zeitpunkt an, in dem der Suizident selbst nicht mehr einschreiten kann, der Garant aber noch in der Lage ist, den Todeseintritt zu verhindern.

      126In der Literatur ist der Ansatz des BGH stets auf weitgehende Ablehnung gestoßen. Tatsächlich leuchtet nicht ein, warum auf der einen Seite eine gegen den Willen aufgedrängte ärztliche Heilbehandlung grundsätzlich unzulässig sein soll, sich der Sterbewillige aber auf der anderen Seite einer von ihm abgelehnten ärztlichen Rettungsaktion soll unterwerfen müssen, wenn er den Sterbevorgang selbst eigenverantwortlich in die Wege geleitet hat, ihn aber nunmehr infolge des Eintritts seiner Bewusstlosigkeit nicht mehr abbrechen kann.[213] Richtigerweise ist daher zumindest für den Fall, dass der Entschluss des Suizidenten als freiverantwortlich i.S.v. § 216 StGB anzusehen ist, seinem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang gegenüber der Rettungspflicht eines Garanten einzuräumen und eine Strafbarkeit des untätig bleibenden Garanten aus §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB abzulehnen. In diese Richtung deuten auch jüngere Entscheidungen der Strafverfolgungsorgane,[214] zu denen sich der BGH bislang aber noch nicht abschließend geäußert hat. Unter Berücksichtigung seiner jüngeren Rechtsprechung zum Behandlungsabbruch, die eine prinzipielle Bereitschaft erkennen lässt, einem ausdrücklich geäußerten Sterbewillen weitgehende Beachtung zukommen zu lassen, ist allerdings davon auszugehen, dass der BGH für den Fall, dass er erneut mit der Fragestellung konfrontiert wird, nicht an seiner Entscheidung aus dem Jahr 1984 festhalten würde.[215]

      |60|bb) Unterlassene Hilfeleistung

      127Aus den vorstehenden Erörterungen folgt unmittelbar, dass auch eine Strafbarkeit des untätig Bleibenden aus § 323c StGB im Fall des Nichteinschreitens gegen einen eigenverantwortlichen Suizid nicht anzunehmen ist. Richtigerweise ergibt sich dies bereits daraus, dass schon kein Unglücksfall i.S.d. Vorschrift vorliegt.[216] Demgegenüber handelt es sich nach Einschätzung des BGH bei einer freiverantwortlichen Selbsttötung zwar grundsätzlich um einen Unglücksfall, jedoch hält er sich die Möglichkeit offen, in entsprechenden Fallkonstellationen ein Einschreiten für unzumutbar zu erachten, wenn der untätig Bleibende Kenntnis vom Sterbewillen des Suizidenten hat.[217]

      d) Leitentscheidungen

      128BGHSt 19, 135, 137ff.; Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zur Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung: Nachdem einer Jugendlichen von ihren Eltern der Kontakt mit ihrem Lebensgefährten untersagt wurde, fasst sie den festen Entschluss, aus dem Leben zu scheiden. Der Lebensgefährte versucht zunächst erfolglos, sie umzustimmen, entscheidet sich aber schließlich dazu, mit ihr gemeinsam zu sterben. Sie begeben sich in den PKW des Lebensgefährten und nehmen dort Tabletten ein, die aber keine Wirkung zeigen. Hierauf schlägt der Lebensgefährte vor, die Abgase des Fahrzeugs ins Wageninnere zu leiten. Die Jugendliche erklärt, dies sei eine gute Idee und sie hoffe, dass sie nicht zu früh gefunden würden. Der Lebensgefährte schließt hierauf einen Schlauch an das Auspuffrohr an und führt diesen durch das linke Fenster in das Wageninnere. Anschließend tritt er das Gaspedal durch, bis das einströmende Kohlenoxyd ihm und der Jugendlichen das Bewusstsein nimmt. Während die Jugendliche verstirbt, kann der Lebensgefährte gerettet werden. – Der Lebensgefährte hat den Tod der Jugendlichen in unmittelbarer Täterschaft verwirklicht und ist nicht lediglich (strafloser) Gehilfe einer Selbsttötung. Die Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe an einer Selbsttötung und unmittelbarer Fremdtötung richtet sich nach dem Kriterium der Tatherrschaft. Diese fiel allein dem Lebensgefährten zu, da das zum Tode der Jugendlichen führende Einleiten des Kohlenoxyds ins Fahrzeuginnere allein von ihm beherrscht wurde. Da der Lebensgefährte durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen der Jugendlichen zur Tötung bestimmt wurde, ist er jedoch nicht nach § 212 Abs. 1 StGB, sondern gemäß § 216 StGB zu bestrafen. Die Jugendliche hat insbesondere durch den Hinweis, dass das Einleiten der Abgase eine gute Idee sei und dass sie hoffe, dass sie nicht zu früh entdeckt werden, ihren Sterbewillen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat der Lebensgefährte zwar auch seinen eigenen Tod angestrebt, sich im Hinblick |61|auf die Tötung der Jugendlichen aber ausschließlich von ihrem Wunsch leiten lassen, aus dem Leben zu scheiden.

      129StA München I NStZ 2011, 345f.; Nichteinschreiten gegen eine Selbsttötung: Eine Alzheimer-Patientin beschließt, durch Selbsttötung aus dem Leben zu scheiden, bevor das Krankheitsbild vollständig ausgeprägt ist. Nachdem sie sich umfänglich informiert und ihren Tod von langer Hand geplant hat, trifft sich die Patientin am Abend des 28.2.2009 mit ihren erwachsenen Kindern. Im Anschluss an ein gemeinsames Essen nimmt die Patientin eine Überdosis Medikamente ein und legt sich kurze Zeit später schlafen. Als ihre Atmung gegen 0.30 Uhr flach und unregelmäßig wird, setzen sich die Kinder an das Bett der Patientin und halten deren Hand, bis sie gegen

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