Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten - Группа авторов страница 29

Жанр:
Серия:
Издательство:
Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten - Группа авторов

Скачать книгу

Frankreich 1792, das Deutsche Reich 1875). B.s Darstellung des protestantischen Kirchenrechts zählt mit seiner gründlichen historischen Methode wohl zu den größten Leistungen der Rechtswissenschaft des 18. Jahrhunderts (und B. ist einer der ganz wenigen Juristen dieser Zeit, die sogar vor der Kritik → SavignysSavigny, Friedrich Carl v. (1779–1861) bestanden haben!).

      In der Pandektenwissenschaft führt B. das Werk → Samuel StryksStryk, Samuel (1640–1710) weiter, ausdrücklich im „Usus modernus Strykianus“ (1733). Sein Ruf als Pandektist beruht aber vor allem auf dem Erfolg der „Introductio in ius digestorum“, die bis 1791 vierzehn Auflagen erfuhr und sich in Klarheit, Systematik und praktischer Brauchbarkeit als bestes Lehrbuch des usus modernus erwies. Bei der Anpassung des römischen Rechts an die praktischen Bedürfnisse der Gegenwart zieht B. noch mehr als einige seiner bedeutendsten Vorgänger (→ StrykStryk, Samuel (1640–1710), Lauterbach, Struve, Schilter) deutsches und Naturrecht heran; so will er etwa dem Mieter, abweichend vom römischen Recht, einen umfassenden Besitzschutz gegenüber dem Vermieter und Dritten gewähren.

      Im peinlichen Recht lehnt er wie → ThomasiusThomasius, Jakob (1622–1684); dt. Philosoph die Strafbarkeit von Hexerei und Ketzerei ab (1745) und sucht die Anwendung der Folter durch die Feststellung einzuschränken, daß Verurteilung auch ohne erzwungenes Geständnis möglich sei, wo voller Beweis vorliege.

      |81|Mit der Veröffentlichung von praktischen Anleitungen (zu Disputationen, 1703, zum Referieren und Dekretieren, 1732) folgt er der Tendenz der Frühaufklärung, wie auch in seiner bedeutenden „Introductio in ius publicum universale“, einer naturrechtlichen Darstellung des Staatsrechts in der Nachfolge von → Ulrich HuberHuber, Zacharias (1669–1732); niederl. Jurist.

      Hauptwerke: Introductio in ius digestorum, 1704, 141791. – Introductio in ius publicum universale, 1710, 41773. – Kurzer Entwurf des Kirchenstaats der ersten drey Jahrhunderte, 1713. – Ius ecclesiasticum protestantium usum hodiernum juris canonici juxta seriem decretalium ostendens et ipsis rerum argumentis illustrans, 5 Bde., 1714–1737, 51756ff. – (Hrsg. mit J.F. Ludovici und J.S. Stryk) Usus moderni Strykiani continuatio III/IV, 1712. – Exercitationes ad Pandectas, hrsg. v. G.L. Böhmer, 6 Bde., 1745–1764. – (Hrsg.) Corpus iuris canonici, 1747. Bibliographie bei D. Nettelbladt: Hallische Beiträge zu der Juristischen Gelehrten Historie III (1755), 425–482.

      Literatur: S. Buchholz: Justus Henning Böhmer (1674–1749) und das Kirchenrecht, in: Ius Commune 18 (1991), 37–49. – Conrad: DRG II, 296, 311. – Döhring: GDtRPfl, 378. – R. Kirstein: Die Entwicklung der Sponsalienlehre und der Lehre vom Eheschluß in der deutschen protestantischen Eherechtslehre bis zu J.H. Böhmer, 1966 (dazu D. Schwab in: FamRZ 1968, 637–640). – P. Landau: Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, in: N. Brieskorn u.a. (Hrsg.): Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317–333. – H. Liermann: Justus Henning Böhmer, in: ZRG (KA) 35 (1948), 390–399. – W. Rütten: Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers. Ein Beitrag zur Methode des usus modernus pandectarum. 1981. – H. Schnizer: Justus Henning Böhmer und seine Lehre von der media via zur Interpretation der kanonischen Quellen des gemeinen Rechts, in: ZRG (KA) 93 (1976), 383–393. – W. Schrader: Geschichte der Friedrichs-Universität Halle, I, 1894, 147f. – G. Schubart-Fikentscher: Hallesche Spruchpraxis, 1960. – v. Schulte: Gesch., III 2, 1880 (Ndr. 1956), 92–95. – Renate Schulze: Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler: Bausteine des Ius Ecclesiasticum Protestantium, 2009. – Stintzing-Landsberg: GDtRW III 1, 145–149. – Stolleis: Gesch., I, 293f. – H. de Wall: Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, in: ZRG (KA) 87 (2001), 455–472. – Wieacker: PRG 220f. – ADB 3 (1876), 79–81 (R.W. Dove). – HRG2 I (2008), 640f. (H. de Wall). – Jur., 93 (P. Landau). – Jur.Univ II, 506–508 (P. Landau). – NDB 2 (1955), 392f. (H. Liermann). – Nds.Jur., 41–45 (H. Hof).

      H.

       [Zum Inhalt]

      |82|Henry de BractonBracton, Henry de (1200/1210–1268)

      (1200/1210–1268)

      Geboren im Dorf Bratton Fleming in Devon, studiert B. (auch Bratton geschrieben) wahrscheinlich an der Domschule von Exeter u.a. bei William de Raleigh Theologie, römisches und kanonisches Recht und tritt in den geistlichen Stand ein. Um 1230 beginnt er seine Laufbahn als Schreiber (clericus) des königlichen Richters William de Raleigh, der während der Krisenjahre 1234–1239 Chief Justice ist. Als Raleigh 1239 Bischof wird, bleibt er zunächst in dessen Dienst. 1245 ernennt ihn König Heinrich III. (König 1216–1272) zum „Justice in Eyre“ (Reiserichter). 1247/48 wird er schliesslich Nachfolger Williams von York als Richter am königlichen Gerichtshof „Coram Rege“ (später King’s Bench) und hat dieses Amt zunächst bis 1251 und dann wieder von 1253 bis 1257/59 inne. Er gehört zum Kreis der königlichen Rechtsberater und taucht als Zeuge in Königsurkunden auf. 1264 wird er Domkanzler von Exeter. Nach seinem Tode 1268 wird er dort in der Kathedrale beigesetzt.

      Über Jahrhunderte hinweg galt B. als der alleinige Autor des berühmtesten juristischen Werks des englischen Mittelalters „De legibus et consuetudinibus Angliae“ und des „Note-book“, das ca. 2000 Fälle aus der Rechtsprechung der königlichen Gerichte referiert und kommentiert. Neuerdings wird auch die Ansicht vertreten, dass beide Werke auf Anregung des königlichen Richters William de Raleigh von dessen Schreibern verfasst worden seien, zu denen B. gehörte, oder dass Raleigh selbst bereits Ende der zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts mit der Abfassung begonnen habe, als er „senior clerk“ unter Martin de Pattishall war, und dass B. in den vierziger und fünfziger Jahren maßgeblich an Ergänzungen und Überarbeitungen mitwirkte. Die Ermittlung des ursprünglichen Textes des Werks und dessen Datierung ist aufgrund der zahllosen Revisionen wohl unmöglich.

      Das Werk gliedert sich nach dem römischen Institutionensystem in drei Teile (personae, res, actiones), wobei mehr als drei Viertel auf den (unvollendeten) Abschnitt über das Aktionenrecht entfallen. In diesem stellt der Verfasser anhand der verschiedenen Klagetypen und -formeln (lat. brevia, engl. writ), die sich seit dem 12. Jahrhundert entwickelt hatten, das gesamte Common Law (Privat-, Lehn-, Strafrecht) dar. Neben dem System hat der Verfasser auch Begriffe, Definitionen und Begründungen der Kanonisten und Glossatoren herangezogen. Namentlich die Summa Institutionum des → Azo v. BolognaAzo (vor 1190–1220) diente ihm |83|als Vorlage. Die Formulierung → MaitlandsMaitland, Frederic William (1850–1906), wonach das Werk „romanesque in form, english in substance“ sei, ist durch neuere Forschungen als ungenau erkannt. Wenngleich eine systematische Rezeption nicht stattgefunden hat, lassen sich in der Abhandlung rund 500 Stellen aus den Digesten und dem Codex nachweisen, bei denen der Verfasser materielle Anleihen beim römischen Recht gemacht hat. Im Strafrecht vertrat B. die Auffassung, dass neben der objektiven Handlung auch ein subjektiver Tatbestand (mens rea) vorliegen müsse.

      Bei der Abfassung verwertete der Verfasser eine Sammlung von ca. 2000 Fällen aus der Rechtsprechung der königlichen Gerichte (überwiegend solche der beiden Richter und Geistlichen Pattishall und Raleigh) und war damit der erste, der Präjudizien benutzte. Diese Fallsammlung konnte erst Ende des 19. Jahrhunderts von Vinogradoff zugeordnet werden und wurde darauf von → MaitlandMaitland, Frederic William (1850–1906) als „Bracton’s Note-book“ herausgegeben. Die methodische Einführung der Präzedenzfälle mit Autoritätscharakter muss vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung zwischen → GlanvilleGlanville, Ranulf de (1120/30–1190) und B. gesehen werden, die durch eine zunehmende Verselbständigung des Richterstandes

Скачать книгу