Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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dem Rechtsgüterschutz dienen, folgerichtig hervorging. B. wich damit von der, z.B. in A.F. Berners einflußreichem Lehrbuch zugrunde gelegten, Legalordnung des StGB ab, wie auch von der Systematik → FeuerbachsFeuerbach, Paul Johann Anselm (1775–1833), die im wesentlichen auf der Begehungsweise der Delikte aufgebaut war. Im einzelnen bringt das Lehrbuch, das als erste wissenschaftliche Bearbeitung der Einzeldelikte des StGB angesehen werden muß, eine Fülle von Erkenntnissen; auch heute noch ist es für die Beschäftigung mit vielen Problemen des Besonderen Teils unentbehrlich. Als besonders wichtig seien hervorgehoben: die „Substanztheorie“ des Diebstahls, die in der Gegenwart mit guten |65|Gründen wieder belebt wird, der lange Zeit einflußreiche „juristische“ Vermögensbegriff beim Betrug und die „normative“ Ehrauffassung bei den Beleidigungsdelikten.

      Ein weniger geschlossenes Bild als seine Strafrechtsdogmatik bietet B.s Straftheorie. Im Vordergrund steht für ihn der schon von Kant mit besonderer Schärfe betonte Vergeltungscharakter der Strafe. Hierbei weist B. die wohl auf Hegel zurückgehenden „Heilungstheorien“ – auf Grund eines naturalistischen Mißverständnisses der Hegelschen „Aufhebung der Verletzung“ durch Strafe – zurück; er sieht in der Strafe nur die „Bewährung der Rechtsherrlichkeit durch Beugung des Verbrechers unter den Rechtszwang“. Als Nebenzweck erkennt er aber bei dazu geeigneten Strafarten die Spezialprävention an. Auch die → FeuerbachFeuerbach, Paul Johann Anselm (1775–1833)sche Lehre von der generalpräventiven Wirkung der gesetzlichen Strafdrohung lehnt er nicht gänzlich ab, wenn er auch eine Abschreckungswirkung nur in begrenztem Umfang für möglich und eine Rechtfertigung der Strafe selbst unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention für ausgeschlossen hält. Der ganz auf die Spezialprävention abgestellten „soziologischen Schule“ → Franz v. LisztsLiszt, Franz v. (1851–1919) stand B. mit seiner „klassischen“ Haltung scharf ablehnend gegenüber; zu dem aus dieser Gegnerschaft resultierenden „Schulenstreit“ trug er in scharfen Polemiken bei: Er konnte in jener Lehre, die nach seiner Deutung alle Menschen zu Wahnsinnigen degradierte, nur „rechtlichen Nihilismus“ sehen und meinte, sie liefe auf die „einzige Maßnahme, die radikal helfen würde: die Abschaffung des Menschen überhaupt“ hinaus.

      Die übliche Einordnung von B.s strafrechtlichem Werk unter das Schlagwort „Gesetzespositivismus“ trifft nur zum Teil das Richtige. Gesetzespositivist ist B. zwar in der Tat insofern, als er jede außerhalb des Gesetzes liegende Rechtfertigung des Strafrechts für überflüssig und wohl auch unmöglich hält („Hinter Verbot und Gebot beginnt aber für den, der nach der Rechtswidrigkeit sucht, tiefster undurchdringlicher Nebel“). Gleichwohl drängt bereits die Normentheorie mit ihrer Trennung von schuldhaft normwidrigem und strafbarem Verhalten über das positive Recht hinaus: In der von B. vertretenen Form, nach der die Verbote für fahrlässige und vorsätzliche Rechtsgüterverletzung identisch sind, kommt sie zu für die staatliche Rechtsordnung unbekannten Verboten, z.B. dem der fahrlässigen Ehrverletzung. Überhaupt betont B. wiederholt, daß auch der Gesetzgeber an die Eigengesetzlichkeit des Rechtsstoffs (z.B. an den Unterschied zwischen Tat- und Verbotsirrtum, zwischen Täterschaft und Teilnahme) gebunden sei, wenn |66|es ihm auch freistehe, wie er die strafrechtlichen Folgen z.B. dieser Irrtums- oder Teilnahmefälle regelt. Unpositivistisch ist ferner B.s Einstellung zu dem Problem der richterlichen Gesetzesanwendung, wie sich an seiner im Zusammenhang mit der Vorschrift des StGB über die Rechtsbeugung (§ 336) stehenden, fast freirechtlich klingenden Äußerung zeigt: „Für jeden Richter ist nur seine Auslegung des Gesetzes Gesetz.“ Schließlich paßt auch sein Kampf gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ (→ FeuerbachFeuerbach, Paul Johann Anselm (1775–1833)) in diesen Zusammenhang.

      Neben B.s strafrechtlichen Werken und seiner nach den Grundsätzen der Ranke-Waitzschen Schule geschriebenen „Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs“ steht eine Reihe von staatsrechtlichen Schriften. Von ihnen ist die Arbeit über „Die Gründung des Norddeutschen Bundes“ hervorzuheben. In ihr führt B. den Begriff der „Vereinbarung“, als der gemeinsamen Verpflichtung zu gleichartigem zukünftigem Verhalten, ein, den er im Gegensatz zum Begriff des Vertrages (Leistungsaustausch auf Grund gegensätzlicher Interessen) stellt. Der Begriff der „Vereinbarung“ ist durch Heinrich Triepel zum festen Bestandteil des völkerrechtlichen Begriffskanons geworden und hat sich auch im Staats- und Verwaltungsrecht als fruchtbar erwiesen.

      Hauptwerke: Die Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs 1868. – Die Normen und ihre Übertretung, 4 Bde. Bd. I: 1872, 31916, Bd. II: 1877. Teil 1: 1914, Teil 2: 21916, Bd. III: 1918, Bd. IV: 1919. – Grundriß des gemeinen deutschen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 1879, 51913. – Grundriß des deutschen Strafprozeßrechts, 1881, 51904. – Handbuch des Strafrechts, Bd. I (einziger), 1885. – Die Gründung des norddeutschen Bundes, 1889. – Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, 2 Bde. Bd. I: 1896, 21902, Bd. II,1: 1901 21904 Bd. II,2: 1905. – Die Entstehung der öffentlichen Strafe im germanisch-deutschen Recht, 1909. – Strafrechtliche und strafprozessuale Abhandlungen, 2 Bde., 1915. – Die staatsrechtliche Verwandlung des deutschen Reiches, 1919. – Zum Werden und Leben der Staaten, 1920. – (zusammen mit A. Hoche) Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form, 1920, 21922 (s. dazu die Jenaer Diss. von K. Hammon, 2011).

      Literatur: H. Achenbach: Historische und dogmatische Grundlagen der strafrechtssystematischen Schuldlehre, 1974, 27–36. – E. v. Bubnoff: Die Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffs von Feuerbach bis Liszt unter besonderer Berücksichtigung der Hegelschule, 1966, 110–127. – Döhring: GDtRPfl., 377. – H.J. Kaganiecz: Karl Bindings Wirken für den Rechtsstaat, Diss. jur. Münster, 1950. – Armin Kaufmann: Lebendiges und Totes in Bindings Normentheorie, 1954 (erw. Nachdr. 1988). – R. Müller: Die Normentheorie von Karl Binding, Diss. jur. Tübingen, 1955. – J. Nagler: Karl Binding zum Gedächtnis, in: Der Gerichtssaal 91 (1925), 1–66. – H. Rauch: Die klassische Strafrechtslehre in ihrer politischen Bedeutung, |67|1936, Ndr. 1970. – Schmidt: Einführung, 304–310, 386–388. – H.-L. Schreiber: Gesetz und Richter, 1976, 169ff. – S. Stübinger: Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000, 260–267. – H. Suhr: Karl Binding und das liberale Strafrecht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen, 1945. – D. Westphalen: Karl Binding (1841–1920). Materialien zur Biographie eines Strafrechtsgelehrten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1989. – HRG2 I (2008), 594 (A. Koch). – Jur., 86f. (D. Westphalen). – Jur.Univ. II, 498–501 (J.N. Silva Sánchez). – NDB 2 (1955), 244f. (H. Triepel). – StL 2 (1958), 33–35 (Arthur Kaufmann).

      S.

       [Zum Inhalt]

      Sir William BlackstoneBlackstone, Sir William (1723–1780)

      (1723–1780)

      Geb. am 10.7.1723 in London, 1730–1738 Schulausbildung an der Charterhouse Schule, ab 1738 am Pembroke College an der Universität Oxford. Ab 1741 absolviert B. auf der Rechtsschule Middle Temple die Ausbildung zum Anwalt (barrister) und erhält 1746 die Zulassung. Seine juristische Ausbildung ergänzt er als Mitglied des All Souls College in Oxford 1745 durch den Abschluß eines Bachelors und 1750 durch den Doktortitel. Als Anwalt ist B. wenig erfolgreich; zwar wird er 1749 nebenamtlicher Richter (recorder) im Stadtbezirk Wallingford, Berkshire, und ab 1751 sachverständiger Beisitzer des Chancellor’s Court in Westminster, aber der große Erfolg „at the bar“ bleibt ihm versagt. 1753 wendet sich B. der Lehrtätigkeit und dem akademischen Leben in Oxford zu. Seine Vorlesungen über das englische Recht, die ersten, die überhaupt an einer englischen Universität gehalten werden, finden großen Anklang. Eine Stiftung von Charles Viner ermöglicht

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