Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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die bisher vorbehaltlos den Romanisten überlassen worden waren … der germanistischen Betrachtungsweise zurück“ zu erobern (O. v. Gierke), ein Erfolg, der freilich nur aus der etwas begrenzten Sicht zeitgenössischer germanistischer Habgier, weniger aus der eines Gesamtfortschritts der Privatrechtswissenschaft bemerkenswert erscheint. Sachlich hat vor allem der von B. (auch bereits in „Volksrecht und Juristenrecht“) erstmals fixierte Begriff der „Genossenschaft“ großen Einfluß gehabt. „Genossenschaften“ sind für B. z.B. die Deich- und Sielverbände, die kirchlichen Sekten, die Bergbaugesellschaften, die religiösen, wissenschaftlichen und künstlerischen Vereinigungen, die Reedereien, Aktien- und Versicherungsgesellschaften, in gewissem Sinne sogar die Gemeinden und der Deutsche Bund. Soziologisch erklärt er das Institut aus dem „Assoziationsgeist“ der Deutschen, dogmatisch weist er ihm eine Mittelstellung zwischen den römischen Formen der „universitas“ (reine juristische Person) und der „societas“ bzw. „communio“ (reine Personenvereinigung ohne eigene Rechtsfähigkeit) zu. → O. v. GierkeGierke, Otto v. (1841–1921) hat diese Genossenschaftstheorie weiter ausgebaut und historisch begründet.

      Hauptwerke: Über die Stellung des römischen Rechts zu dem nationalen Recht der germanischen Völker (Rede), 1836 (auch in: Erlebtes, s.u. und in: K.H. Scheidler [Hrsg.]: Deutscher Juristenspiegel, 1842, 142ff.) – Die Lehre von den Erbverträgen, 3 Bde. 1835–1840. – Volksrecht und Juristenrecht, 1843, Ndr. 2011. – Commentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, 1851, Ndr. 1991. – System des gemeinen deutschen Privatrechts, 3 Bde., 1847–1855, 41885, Ndr. 2009. – Zur Geschichte der deutschen Ständerechte, 1860. – Erlebtes und Erstrebtes, 1884 (Selbstbiographie, Ndr. 2011). Bibliographie bei B.-R. Kern: Georg Beseler. Leben und Werk, 1982, 558–562.

      Literatur: G. Dilcher u. B.-R. Kern: Die juristische Germanistik des 19. Jh.s und die Fachtradition der Deutschen Rechtsgeschichte, in: ZRG (GA) 101 (1984), 1–46. – S. Gagnér: Die Wissenschaft des gemeinen Rechts und der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jh., hrsg. von H. Coing und W. Wilhelm, I, 1974, 1–118 (82–85). – O. v. Gierke: Georg Beseler, |59|in: ZRG (GA) 10 (1889), 1–24. – E. Heymann: Hundert Jahre Berliner Juristenfakultät, in: DJZ 1910, 1103ff. (1141–1143). – T. Holm: Georg Beseler als Politiker 1848–1850, Diss. Tübingen, 1935. – H.H. Jakobs: Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983, 79ff. – B.-R. Kern: Georg Beseler (s.o.). – B.-R. Kern: Georg Beseler – ein Leben für das deutsche Recht, in: JuS 1988, 598–601. – B.-R. Kern: Germanisten versus Romanisten, in: J. Lege (Hrsg.): Greifswald – Spiegel der deutschen Rechtswiss., 2009, 113–127. – J.-D. Kühne: Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985. – O. Pöppelmann: Georg Beseler und seine Tätigkeit für die Grundrechte des deutschen Volkes im Jahre 1848, 1907. – Jan Schröder: Zur älteren Genossenschaftstheorie, in: Quad. Fior. 11/12 (1982–1983), 399–459. – Jan Schröder: Savignys Spezialistendogma und die „soziologische“ Jurisprudenz, in: Rechtstheorie 7 (1976), 23–52 (28ff.). – Stintzing-Landsberg: GDtRW III 2, 507–519. – Wieacker: PRG, 408–410. – ADB 46 (1902), 445–472 (R. Hübner). – HRG2 I (2008), 545–547 (B.-R. Kern). – Jur., 82f. (M. Stolleis). – Jur.Univ. III, 235–237 (I. Núñez Paz). – NDB 2 (1955), 174f. (D. Lang-Hinrichsen). Bibliographie bei B.-R. Kern: Georg Beseler (s.o.), 567–570.

      S.

       [Zum Inhalt]

      Christoph BesoldBesold, Christoph (1577–1638)

      (1577–1638)

      Geb. 22.9.1577 in Tübingen, aus lutherischer Familie; Vater: Hofgerichtsadvokat in Tübingen; ab 1591 Studium in Tübingen, zunächst in der philosophischen Fakultät, 1593 Magister; dann Studium der Rechte; aus der Studienzeit rührt seine Freundschaft mit Johannes Kepler (dessen Mutter durch ein wahrscheinlich auf B. zurückgehendes Gutachten der Tübinger Juristenfakultät vor dem Feuertod wegen „Zauberei“ gerettet wurde); 23.8.1598 Promotion, Betätigung als Advokat am Hofgericht; 1600 Vermählung mit Barbara Breitschwert, der Tochter eines vermögenden badischen Beamten; 1610 Professor Pandectarum in Tübingen; 1614 bis 1635 siebenmal Rektor der Universität; 1622 und 1626 Inquisitionsverfahren gegen B., Vorwürfe: Fanatismus, Neigung zum Katholizismus 1628 und 1629 verfaßt B. zwei im Ergebnis gegensätzliche Gutachten zur Frage, |60|ob die württembergischen Klöster der katholischen Kirche zurückerstattet werden müssen oder ob sie beim Herzogtum Württemberg bleiben sollen, B.s Meinungsänderung ist zu erklären durch das dazwischen ergangene Restitutionsedikt von 1629; 1630 wird B., nach bis dahin kinderloser Ehe, eine Tochter geboren; er tritt daraufhin, einem Gelöbnis entsprechend, zum Katholizismus über. Öffentlich bekannt macht er diesen Schritt aber erst 1635 nach Eintritt in die österreichisch-württembergische Regierung (Württemberg war nach der Schlacht v. Nördlingen 1634 an Österreich gefallen); B.s Festhalten an der Forderung nach Rückgabe der Klöster an die Kirche macht ihn nun bei Österreich unbeliebt, da das klösterliche Gebiet ein Drittel des Herzogtums Württemberg ausmacht und Österreich einen solchen Verlust nicht will; 1636 nimmt B. einen Ruf an die Universität in Ingolstadt als Professor des Codex und des Jus publicum an; zu seinem Titel eines kurbayerischen Rats kommt 1638 noch der eines kaiserlichen Rats hinzu; Angebote des Kaisers und des Papstes (Ruf an die Universität Bologna) kann B. wegen Krankheit nicht mehr annehmen; er ist am 15.9.1638 in Ingolstadt gestorben.

      B.s Übertritt zum Katholizismus ist weit über seinen Tod hinaus zu einem Streitpunkt geworden: Handelte er als Opportunist oder als tiefgläubiger Mystiker, dem die lutherische Orthodoxie nicht genügend Möglichkeit zur Versenkung in den Glauben bot? Die Uneinigkeit hierüber geht so weit, daß man seinen offiziellen Übertritt zu verschiedenen Zeitpunkten ansetzt. Immerhin kann man B.s Verhalten während seiner Tätigkeit für die österreichisch-württembergische Regierung zu seiner Verteidigung anführen. Die durch das Restitutionsedikt geänderte Rechtslage brachte ihn 1629 dazu, die Rückgabe der Klöster an die Kirche zu fordern. Und an dieser für das württembergische Gebiet ungünstigen Ansicht hielt B. fest, auch als sie den Interessen Österreichs zuwiderlief und ihn in Mißkredit brachte.

      B., der zu den angesehensten Gelehrten seiner Zeit gehörte, hat in weniger als drei Jahrzehnten über 90 Werke veröffentlicht. Neben juristischen finden sich auch bedeutende volkswirtschaftliche – Roscher nennt B. „den wohl größten Staatsgelehrten, den Deutschland in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts besessen“ habe – und historische sowie theologische Arbeiten. Unter dieser großen Materialfülle mußte die wissenschaftliche Durchdringung im einzelnen leiden. Dieser Vorwurf ist oft erhoben worden, meistens verbunden mit dem Hinweis darauf, daß B. seine Werke teilweise von Studenten ausarbeiten ließ, die er in seinem Haus aufgenommen hatte.

      |61|Größte Berühmtheit hat sein „Thesaurus practicus“ erlangt, der übrigens auch von einem seiner Schüler zusammengestellt wurde. Es handelt sich dabei um ein Reallexikon für die juristische Praxis, das neben Begriffserklärungen auch eine Reihe staatsrechtlicher, geschichtlicher und sprachwissenschaftlicher Abhandlungen enthält.

      In seinen staatsrechtlichen Werken vertritt B. die Lehre von der doppelten Souveränität. Aus der Gesellschaft (societas), die auf naturgegebenem Zusammenschluß einzelner Individuen beruht, entsteht durch die Bildung eines Gemeinwillens (maiestas realis) der Staat. Er hat die Aufgabe, das Gemeinwohl der Bürger zu sichern. Diese so weit an die Volkssouveränitätslehre (→ AlthusiusAlthusius, Johannes (1557–1638)) angelehnte Auffassung steht jedoch im Widerspruch zu der nun folgenden Theorie von der maiestas personalis. Sie wird bei B. nämlich aufgefaßt als

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