Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten. Группа авторов

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sie mehreren Personen zusteht. Das deutsche Reich kann – wie B. als einer der ersten erkennt – keinem dieser Begriffe ausschließlich zugeordnet werden, es hat vielmehr einen aus monarchischen (Kaiser) und aristokratischen Elementen (Reichsstände) bestehenden „status mixtus“.

      Auch das bis dahin in der staatsrechtlichen Literatur kaum beachtete Problem der „vertikalen“ Machtverteilung im Reich wird von B. sehr deutlich gesehen. Er versucht es durch Einführung des neuen Begriffs „subalterner Staat“ zu lösen: Es könne Staaten geben, die nach unten absolute Gewalt haben, nach oben in ihrer maiestas personalis durch ein übergeordnetes Staatswesen beschränkt sind. Solche subalternen Imperien seien z.B. die Herrschaften der deutschen Reichsstände (Fürsten, Herzöge, Grafen, Freie und Reichsstädte) im Hinblick auf die übergeordnete Reichsgewalt; das Reich sei eine „respublica composita“ aus Subalternstaaten. So deutet B. die Territorialgewalt (sachlich angemessen) als eine eigenartige Form der Staatlichkeit und gibt einen wesentlichen Anstoß für die Ausformung der Lehre von den Staatenverbindungen, wie sie sich z.B. bei Ludolf HugoHugo, Ludolf (1630–1704) und → PütterPütter, Johann Stephan (1725–1807), der den Bundesstaatsbegriff vorweggenommen hat, findet.

      Hauptwerke: Synopsis politicae doctrinae, 1623, 51643 (= Extrakt aus einer Reihe politisch-staatsrechtlicher Arbeiten B.s, meist Sammlungen von Disputationen und Dissertationen, seit 1614; unter ihnen besonders: Politicorum libri II, 1618, 1620). Dt. Übers. der Ausg. von 1637: Synopse der Politik, hrsg. von L. Boehm, 2000. – |62|Delibata juris, 2 Bde. 1627/29, 3 Bde. 1632 (Pandektenkommentar). – Thesaurus practicus, continens explicationem terminorum atque clausularum in aulis et dicasteriis Romano-Germanici lmperii usitatorum, 1629, 1643 bearb. v. J.J. Speidel, weit. Ausg. 1659, 1666, 1679, 1697 hrsg. v. C.L. Dietherr, letzte Aufl. 1740. – Consiliorum Tubingensium sive illustrium juris responsorum et consultationum Pars I–IV, 1628, 21634, 31659–1661 (P. I–VI). Bibliographie: K. Neumaier: Ius publicum. Studien zur barocken Rechtsgelehrsamkeit an der Universität Ingolstadt, 1974, 261–268 (Versuch einer Sachbibliographie); Jugler: Beiträge zur juristischen Biographie I, 1773, 85–124; Friedel Walter Meyer: Christoph Besold als Staatsrechtler, Diss. jur. Erlangen, 1957 (masch.).

      Literatur: L. Boehm: Christoph Besold und die universitäre Politikwissenschaft seiner Zeit, in: Synopse (s.o.), 291–332. – R. v. Friedeburg: Between Scylla and Charybdis? Evidence on the conversion of Christoph Besold from his letters and his legal and political thought, in: J. de Landtsheer u.a. (Hrsg.): Between Scylla and Charybdis, Leiden 2011, 409–426. – Herm. Lange: Ius commune und Statutarrecht in Christoph Besolds Consilia Tubingensia, in: FS f. M. Kaser, 1976, 637–655. – F.W. Meyer (s.o.). – K. Neumaier (s.o.), bes. 63–68, 209–215. – E. Niethammer: Christoph Besold, in: Schwäbische Lebensbilder 11, 1941, 11–34. – M. Philipp: Christoph Besold und die Soiuveränität, in ders. (Hrsg.): Debatten um die Souveränität, 2016, 123–159. – W. Roscher: Geschichte der deutschen Nationalökonomie, 21924, 195–205. – R. Frhr. v. Schönberg: Das Recht der Reichslehen im 18. Jh., 1977, 48ff. – L.T. Spittler: Über Christoph Besolds Religionsveränderung, in: Patriot. Arch. f. Deutschland (hrsg. v. F.C. v. Moser) 8, 1788, 433–472 (auch in ders.: Sämtl. Werke 12, 283ff.). – Stintzing-Landsberg: GDtRW 1, 692–696. – H. de Wall: Politik, Recht und ‘Maiestas’ – zur Staatslehre Christoph Besolds, in: U. Köpf (Hrsg.): Die Universität Tübingen zwischen Reformation und Dreißgjährigem Krieg, 2010, 223–234. – B. Zeller-Lorenz: Christoph Besold (1577–1638) und die Klosterfrage, Diss. jur. Tübingen, 1986. – B. Zeller-Lorenz/W. Zeller: Christoph Besold, 1577–1638, in: Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hrsg. v. F. Elsener, 1977, 9–18. – ADB 2 (1875), 556–558 (T. Muther). – HRG2 I (2008), 551f. (Jan Schröder). – Jur., 83f. (M. Stolleis). – Jur.Univ. II, 327–329 (J.M. Rodríguez de Santiago). – NDB 2 (1955), 178f. (E. Niethammer)

      P.

       [Zum Inhalt]

      |63|Karl BindingBinding, Karl (1841–1920)

      (1841–1920)

      Geb. am 4.6.1841 in Frankfurt a.M. 1860–1863. Studium der Geschichte (bei Waitz, Lotze, Ernst Curtius) und der Rechtswissenschaften (u.a. bei H.A. Zachariä und Emil Herrmann) in Göttingen. 1863 Promotion. 1864 Habilitation in Heidelberg (bei → MittermaierMittermaier, Karl Josef Anton (1787–1867)) für Strafrecht und Strafprozeßrecht. Aufnahme der Lehrtätigkeit im Wintersemester 1864/65. Herbst 1866 Annahme des Rufs nach Basel auf einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht (Strafrecht, Rechtsphilosophie und Kirchenrecht). 1870 Übernahme einer Professur in Freiburg i.Br., 1872 Annahme eines Rufes nach Straßburg. Ab 1873 Professor in Leipzig, dort auch Tätigkeit im Spruchkollegium der Fakultät; 1879 bis 1900 außerdem Hilfsrichter am Landgericht Leipzig. 1892 und 1909 (bei der Fünfhundertjahrfeier der Universität) Rektor der Universität Leipzig. 1913 Emeritierung und Übersiedlung nach Freiburg i.Br. Dort am 7.4.1920 gestorben.

      Als B.s bedeutendstes Werk auf dem Gebiet der Strafrechtsdogmatik gilt seine Normentheorie, die ihn fast fünfzig Jahre beschäftigt hat. Sie geht von der Feststellung aus, daß der Verbrecher, z.B. der Dieb, das Strafgesetz nicht übertritt, sondern erfüllt („Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen … wegnimmt“). Wenn man gleichwohl den Diebstahl als „Übertretung“ bezeichnet, so deswegen, weil dem Strafgesetz Ge- und Verbote, „Normen“, vorgelagert sind (z.B. „Du sollst nicht fremde bewegliche Sachen wegnehmen!“), gegen die der Verbrecher verstößt. Diese Normen lassen sich aus dem Strafgesetz erschließen, sie haben wie dieses die Qualität von Rechtssätzen. Aus den Normen wiederum lassen sich Werturteile entnehmen. Nach der Richtigkeit dieser Werturteile hat der Jurist nicht zu fragen. B. sieht das Verhältnis der Normen zum Strafgesetz als vergleichbar dem zivilrechtlichen von Recht auf Sachleistung zum Recht auf Schadensersatz: Das aus der Norm resultierende Recht des Staates „auf Botmäßigkeit“ verwandelt sich im Fall der Normverletzung in ein „Recht auf Zwang |64|wegen Ungehorsams“, in das (subjektive) staatliche Strafrecht. – Auf die Normen gründet B. nun sein Strafrechtssystem. „Delikt“ ist für ihn die schuldhaft normwidrige Handlung, „Verbrechen“ das Delikt, „soweit es strafbar ist“. Diese Unterscheidung ist charakteristisch für B.s Normenlehre, sie beruht auf seiner Ansicht, daß das Gesetz nicht jeden Normverstoß unter Strafe stelle. Die Norm (z.B. „Du sollst nicht fremde Sachen beschädigen“) verbiete nämlich nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige Begehung des jeweiligen Delikts, das Strafgesetzbuch bestrafe aber nur in Ausnahmefällen auch die fahrlässige Begehung (z.B. ist fahrlässige Sachbeschädigung nach dem StGB nicht strafbar).

      In der von B. vertretenen Form hat sich die Normentheorie im Strafrecht nicht durchsetzen können. Immerhin sind mindestens zwei wichtige Dogmen der gegenwärtigen Strafrechtslehre auf sie zurückzuführen. Das eine ist die Figur der „objektiven Strafbarkeitsbedingungen“, die ohne die Unterscheidung von Verbotsnorm und gesetzlicher Strafbarkeit nicht möglich wäre, das andere die von B. gegen die ältere Theorie „error iuris nocet“ energisch verfochtene Lehre von der Beachtlichkeit des Verbotsirrtums. Sie ergibt sich zwangsläufig aus der Normentheorie: gegen den Normbefehl kann nur der verstoßen, der konkret um ihn weiß. Im Ergebnis nähert sich B.s Lehre vom Verbotsirrtum sehr stark der jetzt in § 17 StGB verankerten sog. „Schuldtheorie“. – Darüber hinaus muß die Bedeutung der Normentheorie für die allgemeine Rechtslehre hervorgehoben werden: sie hat den Blick für „imperative“ Strukturen des Rechts geschärft, deren Ausschließlichkeit B. allerdings selbst – mit Recht – nicht anerkannte.

      Durch sein Lehrbuch

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