Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Thomas Rauscher
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Bis zu ihrer Flucht waren Ying und John vietnamesische Staatsangehörige. Im Zeitpunkt der Eheschließung ist jedoch ein Personalstatut nach Art. 12 des UN-Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 28.7.1951[3] (Genfer Flüchtlingskonvention) zu prüfen.
Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention setzt die Eigenschaft als Flüchtling iSd Art. 1 Genfer Flüchtlingskonvention voraus, wobei gemäß Art. I Abs. 2 Genfer Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 31.1.1967[4] die zeitliche Beschränkung als in Art. 1 Abschnitt A Nr 2 Genfer Flüchtlingskonvention nicht mehr enthalten anzusehen ist. In Betracht kommt das Flüchtlingsmerkmal der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer politischen Überzeugung. Das trifft nach Sachverhalt für John zu. John befand sich bei Eheschließung außerhalb seines Heimatstaates Vietnam und wollte offenkundig den Schutz Vietnams wegen der Verfolgungsbefürchtung nicht in Anspruch nehmen. John war also Konventions-Flüchtling. Im Zeitpunkt der Eheschließung bestimmt sich sein Personalstatut nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes, hilfsweise des Landes seines (schlichten) Aufenthalts; er hat also ein italienisches Personalstatut.
Für den Namen des John wird damit auf italienisches Recht verwiesen.
bb)
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Ying erfüllte selbst nicht die Voraussetzung der begründeten Furcht vor Verfolgung. Ob ein abgeleiteter Flüchtlingsstatus für Familienangehörige möglich ist, lassen Genfer Flüchtlingskonvention und Protokoll offen. Für Ying ist die strittige Frage jedenfalls zu verneinen; eine solche Erstreckung wird nur für Familienangehörige vertreten, welche die Staatsangehörigkeit des Flüchtlings aufgrund familienrechtlicher Vorgänge (Erwerb durch Geburt oder Eheschließung) teilen;[5] Ying war bis zur Eheschließung keine Familienangehörige von John und leitet ihre vietnamesische Staatsangehörigkeit nicht von John ab. Ying hatte also nach der Aufnahme in Italien weiter ein vietnamesisches Personalstatut.
cc)
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Ying hat die vietnamesische Staatsangehörigkeit jedoch noch vor Eheschließung durch Entlassung verloren und ist dadurch staatenlos geworden. Ihr Personalstatut als Staatenlose bestimmt sich nach dem Recht ihres gewöhnlichen, hilfsweise schlichten Aufenthaltes (Art. 29 aF EGBGB entspricht Art. 5 Abs. 2 EGBGB, vgl MAT c). Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich rein tatsächlich nach dem Daseinsmittelpunkt. Vorliegend könnte ein italienischer gewöhnlicher Aufenthalt fraglich sein. Zwar können auch Flüchtlinge oder Asylbewerber ohne bereits gesicherten Status einen gewöhnlichen Aufenthalt im Aufnahmeland erwerben,[6] wenn ihr Verbleib nicht offenkundig ausländerrechtlich/aufenthaltsrechtlich unzulässig ist. Erforderlich ist jedoch eine gewisse soziale Eingliederung, die zB bei von vornherein kurzfristigem Aufenthalt, besonders bei Flüchtlingen in Durchgangslagern, fehlen kann. Hier ist angesichts eines nicht von vornherein vorübergehenden (Asylantrag!) einjährigen Aufenthalts wohl von einem italienischen gewöhnlichen Aufenthalt bei Eheschließung auszugehen.
Nähere Ermittlungen zum Sachverhalt sind jedoch nicht erforderlich, denn Ying hatte bei Eheschließung in Italien wenigstens schlichten Aufenthalt.
Für den Namen der Ying wird damit auf italienisches Recht verwiesen.
e) Ehewirkungsstatut
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Für die alternative Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut ist auf das gemeinsame italienische Personalstatut im Zeitpunkt der Eheschließung (für den untersuchten Namenserwerb maßgeblicher Zeitpunkt) abzustellen, also auf italienisches Recht.
f) Gesamtverweisung
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Beide alternativ zu prüfenden Anknüpfungen sprechen eine Gesamtverweisung aus (aus Art. 27 aF EGBGB entwickeltes Prinzip, das Art. 4 Abs. 1 EGBGB entspricht – vgl MAT c). Es sind also die Kollisionsnormen des jeweils verwiesenen Rechts zu prüfen.[7]
2. Italienisches IPR
a) Intertemporal: Inkrafttreten IPRG 1995
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Im italienischen IPR stellt sich ebenfalls eine intertemporale Frage, denn am 1.9.1995 ist der kollisionsrechtliche Teil des IPRG von 1995 in Kraft getreten. Die Lösung intertemporaler Fragen wird immer der betroffenen Rechtsordnung überlassen, in der eine Rechtsänderung stattgefunden hat. Gesucht wird also nicht, vom deutschen Übergangsrecht ausgehend, das italienische IPR des Jahres 1981. Es entscheidet vielmehr die italienische intertemporale Kollisionsnorm, ob altes oder neues IPR anzuwenden ist.
Das italienische intertemporale Recht erklärt aber (wie Art. 220 Abs. 1 EGBGB, MAT k) das alte IPR für anwendbar: Gemäß Art. 72 des italienischen IPRG von 1995 gelten die neuen Bestimmungen auch in nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten gerichtlichen Verfahren nicht, sofern es sich um abgeschlossene Sachverhalte handelt.
b) Namensstatut John
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Für das Namensstatut des John ist nach früherem italienischen IPR dessen Personalstatut berufen (MAT d). Italien gehört der Genfer Flüchtlingskonvention an, John hatte also auch aus italienischer Sicht ein italienisches Personalstatut (Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention). Italienisches Recht nimmt die Verweisung an.
c) Namensstatut Ying
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Für die staatenlose Ying knüpft das (alte) italienische IPR an den Wohnsitz (Art. 29 disp.s.l.ingen., MAT g) an. Der Wohnsitzbegriff des italienischen Rechts (Art. 43 Abs. 2 codice civile – cc) entspricht insoweit dem deutschen (MAT k), als auch ein kürzerer, freiwilliger Aufenthalt den Wohnsitz begründen kann.[8]
Individuelles Namensstatut beider Ehegatten ist also italienisches Recht.
d) Ehewirkungsstatut
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Für das Ehewirkungsstatut ist die bei gemeinsamem Personalstatut maßgebliche ehewirkungsrechtliche italienische Kollisionsnorm anzuwenden (vgl Fn 7), also Art. 17 disp.s.l.ingen. (MAT e). Das italienische IPR nimmt danach für das Ehewirkungsstatut bei Eheschließung die Verweisung an.
3. Materielles italienisches Recht
a) Ehename
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Einen Ehenamen bei Eheschließung können die Ehegatten also nur nach italienischem Recht erworben haben. Auf die Frage, ob die Ehegatten sich (konkludent) für eine Namensführung nach dem Ehewirkungsstatut entschieden hatten, kommt es nicht an.
Art. 143-bis cc (MAT i) sieht keinen § 1355 Abs. 1 BGB vergleichbaren Ehenamen vor, sondern lediglich die Möglichkeit der Führung des Familiennamens des Mannes durch die