Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
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3. Finanzsystemstabilität
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In einigen neuen Regelungen wird als Regelungsziel auf die „Stabilität des gesamten Finanzsystems“ abgehoben. So ist etwa eine Produktintervention bzw ein Produktverbot durch die ESMA bzw die BaFin bei Gefährdung der Finanzsystemstabilität möglich (Art. 42 Abs. 2 VO 600/2014)[28].
Zudem enthält § 14 WpHG die Befugnis der BaFin, Maßnahmen zur Sicherung des Finanzsystems zu ergreifen, wenn durch bestimmte Missstände Nachteile für die Finanzmarktstabilität bewirkt werden, wobei die getroffenen Maßnahmen grds auf höchstens zwölf Monate befristet sind (§ 14 Abs. 4 Satz 1 WpHG).
III. Rechtsgrundlagen des Kapitalmarktrechts
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Eine Kodifizierung des Kapitalmarktrechts in einem „Kapitalmarktgesetz“ existiert nicht. Es gibt vielmehr verschiedene Kodifikationen, die in großen Teilen Aufsichtsrecht (und damit öffentliches Recht), teilweise aber auch Zivil- oder Strafrecht sind und jeweils einzelne Bereiche des Kapitalmarktrechts regeln[29].
1. Nationales Recht
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Lange Zeit waren das WpHG und das BörsG die zentralen kapitalmarktrechtlichen Gesetze. Das 1998 geschaffene WpHG regelte v.a. die Transaktionen auf dem Kapitalmarkt und wurde von vielen als „Grundgesetz des Kapitalmarktrechts“ bezeichnet[30]. Das hat sich durch die seit 3. Juli 2016 geltende EU-Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR) geändert, in welcher nun zentrale Bereiche wie das Insiderhandelsverbot, die Ad-hoc-Publizitätspflicht und die Marktmanipulation geregelt sind. Das WpHG enthält jetzt für etliche Materien lediglich noch nationale Anwendungsvorschriften. In anderen Bereichen, wie etwa bei den Stimmrechtsmitteilungen, ist allerdings noch eine umfängliche nationale Regelung (im Rahmen einer Richtlinienumsetzung) gegeben.
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Das BörsG enthält im Wesentlichen Organisationsnormen für die öffentlich-rechtlich organisierte Börse als Veranstalter des Börsenhandels.
Dem BörsG fehlt im Gegensatz zum WpHG eine ausschließlich kapitalmarktrechtliche Ausrichtung. Die Börsengesetzgebung hat nicht primär den Kapitalmarkt und den Anlegerschutz im Blickfeld, sondern stellt eine Reaktion auf Missstände an den Börsen dar[31].
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Das BörsG und das WpHG werden durch zahlreiche nationale Rechtsverordnungen ergänzt. Darüber hinaus gibt es Rundschreiben[32], Merkblätter usw der BaFin, die aber keine Rechtsnormen, sondern lediglich die Verwaltungspraxis der Behörde sind[33] und damit als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften gelten[34]. Auch die Fachartikel im BaFinJournal haben keinen rechtsverbindlichen Charakter.
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Das trifft auch für den Emittentenleitfaden der BaFin zu[35], der praxisrelevante Erläuterungen enthält, die zwar die BaFin, nicht aber die Gerichte binden[36]. Der Emittentenleitfaden wird derzeit sukzessive überarbeitet[37]. Die noch nicht neu gefassten Teile werden einstweilen durch die sog. FAQ der BaFin ersetzt[38]. Jedenfalls soll das Vertrauen eines Anfragenden auf eine Auskunft der BaFin nach hM unter bestimmten Voraussetzungen ein Verschulden des Betreffenden ausschließen können[39].
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Weitere kapitalmarktrechtliche Gesetze sind etwa das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das Depotgesetz (DepotG), das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) und das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) sowie das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), das Pfandbriefgesetz[40] sowie das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) für Massenklagen wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformation[41].
Auch die Rechnungslegungsvorschriften (zB §§ 238 ff HGB) sind kapitalmarktrechtliche Regelungen, da sie einem der wichtigsten Ziele des Kapitalmarktrechts dienen, nämlich der Herstellung von Publizität zur Stärkung des Vertrauens der Anleger in den Kapitalmarkt[42]. Auch die gesellschaftsrechtlichen Regelungen, insbesondere die des Aktienrechts, sind für das Kapitalmarktrecht von Bedeutung[43], da mit der Aktie das wichtigste Kapitalmarktprodukt geregelt wird.
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Kapitalmarktrechtlich relevant sind darüber hinaus die strafrechtliche Vorschrift des § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug), die auch als Schutzgesetz iS des § 823 Abs. 2 BGB angesehen wird[44], und zahlreiche weitere strafrechtliche Regelungen[45]. Diese ergänzen teilweise die speziellen Strafrechtsnormen der Kapitalmarktgesetze. Für das Kapitalmarktrecht spielen auch einige Regelungen des BGB eine Rolle, so etwa die kaufrechtlichen Vorschriften oder die Bestimmungen hinsichtlich der Übertragung und der Funktion von Wertpapieren (zB §§ 929 ff BGB). Zudem ergeben sich immer wieder auch Fragen, die das Internationale Privatrecht betreffen[46].
a) Richtlinien und Verordnungen zum Kapitalmarktrecht
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Das europäische Recht war und ist der Motor des deutschen Kapitalmarktrechts. Mehr als 80 % der kapitalmarktrechtlichen nationalen Vorschriften basieren inzwischen auf europäischer Gesetzgebung[47]. So beruhen zB ein wesentlicher Teil des BörsG sowie das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) auf EU-Richtlinien. Die EU-Richtlinien und EU-Verordnungen gelten gemäß dem sog. Lamfalussy-Verfahren als sog. Level 1-Maßnahmen.
→ Definition:
Das Lamfalussy-Verfahren ist ein Verfahren zur Beschleunigung des europäischen Gesetzgebungsprozesses im Rahmen der Finanzdienstleistungen (Maßnahmen auf Level 1, 2, 3 usw.).
Teilweise werden die (in nationales Recht umzusetzenden) Richtlinien bzw. die Verordnungen durch EU-Durchführungsrichtlinien, die ebenfalls in nationales Recht umzusetzen sind, oder durch EU-Durchführungsverordnungen (als sog. Level 2-Maßnahmen) ergänzt. Die Verwaltungsauffassungen der ESMA wiederum sind als sog. Level 3 zu berücksichtigen, wobei diese – wie die BaFin-Verlautbarungen – zwar die Verwaltung, aber nicht die Gerichte binden.
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Hintergrund der europäischen Richtlinien zum Kapitalmarktrecht sind insbesondere die Herstellung der Kapitalverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit im (Kapital-)Binnenmarkt sowie der Schutz der Anleger durch hinreichende Information. Sahen die Richtlinien lange Zeit ausschließlich eine bloße Mindestharmonisierung vor, so sind sie nun zunehmend auf Vollharmonisierung angelegt[48] (zB die Transparenzrichtlinie 2013[49]). Hier bleibt dem nationalen Gesetzgeber kaum Gestaltungsspielraum, sodass im Wesentlichen eine „Eins-zu-Eins“-Umsetzung zu erfolgen hat[50].
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Auch wenn es bislang keinen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt gibt,[51] so ist in den Richtlinien doch regelmäßig vorgesehen, dass die Zulassung eines Kapitalmarktprodukts oder die Erlaubnis einer kapitalmarktbezogenen Tätigkeit durch die Behörde des Herkunftsstaats in allen anderen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird (Europäischer Pass, single licence-Prinzip). Darüber hinaus besteht das Ziel eines single rulebook des Europäischen Kapitalmarktrechts[52] und der Schaffung einer europäischen