Kapitalmarktrecht. Petra Buck-Heeb
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Eine Abgrenzung zu strafrechtlichen Regelungen respektive Bußgeldvorschriften ist v.a. im Hinblick auf eine mögliche analoge Anwendung einer kapitalmarktrechtlichen Norm erforderlich[86]. Denn bei Straf- und Bußgeldvorschriften gilt das Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG)[87], sodass hier Auslegungsgrenze der mögliche Wortsinn ist. Innerhalb dieses Rahmens können historische, systematische und teleologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden[88]. Fraglich ist, ob sich diese für die Strafrechtsnormen geltende Grenze auch auf die Auslegung des der Sanktion zugrunde liegenden Verhaltensgebots oder -verbots auswirken. Jedenfalls besteht das Analogieverbot in Bezug auf die zivilrechtlichen Wirkungen einer solchen Norm nicht[89].
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Umstritten ist, ob eine sog. gespaltene Auslegung in Betracht kommt. Teilweise wird das bejaht[90]. Die maßgebliche Auslegungs- und Normanwendungsmethode soll von der jeweils in Frage stehenden Rechtsfolge abhängen. Die Konsequenz ist, dass ein bestimmtes Verhalten einerseits zivilrechtlich verboten sein und damit zu einer Schadensersatzpflicht führen kann, andererseits aber straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich mit dem Gesetz im Einklang steht[91]. Außerdem könnte eine aufsichtsrechtliche Regelung im Zivilrecht zu einer erweiterten analogen Anwendung führen[92]. Überwiegend wird aber zu Recht eine gespaltene Auslegung abgelehnt[93]. Begründet wird dies v.a. damit, dass eine sich über den Wortlaut einer strafrechtlichen Norm hinwegsetzende zivilrechtliche Auslegung (etwa im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB) de facto eine richterrechtliche Ausweitung des Schutzbereichs der Norm darstelle[94].
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Unklar ist, ob diese ablehnende Haltung auch in Bezug auf die europäischen Verordnungen zum Kapitalmarktrecht gelten kann[95]. Diejenigen, die hier eine einheitliche Auslegung favorisieren, weisen darauf hin, dass dies ansonsten eine Rechtszersplitterung zur Folge habe, da die Auslegung in den Mitgliedstaaten davon abhänge, ob die EU-Normen dort von einer strafrechtlichen oder nicht-strafrechtlichen Sanktionsnorm in Bezug genommen werden[96].
V. Das Zusammenspiel von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht
Ausgewählte Literatur:
Assmann, Überlagerung und Komplementierung des Aktienrechts nach dem Aktiengesetz 1965 durch Kapitalmarktrecht, AG 2015, 597; Bachmann, Kapitalmarktrecht im Kodex, WM 2013, 2009; Fleischer, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513; ders., Schnittmengen des WpÜG mit benachbarten Rechtsmaterien – eine Problemskizze, NZG 2002, 545; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, in: FS Zöllner, 1. Bd., 1998, S. 363; Richter, Der Kapitalmarkt und sein Gesellschaftsrecht. Überlegungen zu einem kapitalmarktgemäßen Gesellschaftsrecht börsennotierter Gesellschaften, ZHR 172 (2008), 419.
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Das Kapitalmarktrecht und das Gesellschaftsrecht unterscheiden sich sowohl im Regelungsgegenstand als auch in der Zielsetzung. Das Gesellschaftsrecht schützt den Aktionär und seine Vermögensanlage als Mitglied in einem Verband und damit die Mitgliedschaft[97]. Es geht um die verbandsorientierte Abstimmung der beteiligten Interessen. Ziel des Kapitalmarktrechts ist es, den notwendigen rechtlichen Rahmen für das Funktionieren des Markts bereitzustellen.
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Gleichzeitig sind das Kapitalmarktrecht und das Aktienrecht eng miteinander verknüpft[98]. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Schutz des Anlegers (Kapitalmarktrecht) und dem Schutz des Aktionärs (Gesellschaftsrecht), wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Insbesondere aufgrund der zunehmenden Überlagerung des Gesellschaftsrechts durch das Kapitalmarktrecht gewinnt dieses nicht nur für die Praxis des Gesellschaftsrechts, sondern auch für gesellschaftsrechtliche Klausuren an Relevanz.
1. Vorrang kapitalmarktrechtlicher Mitteilungs- und Publizitätspflichten
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Sowohl im Aktiengesetz als auch im Kapitalmarktrecht gibt es Melde- und Veröffentlichungspflichten. Dabei gilt ein Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflicht[99]. So gelten die Meldepflichten des Aktiengesetzes (§§ 20, 21 AktG) nicht für Aktien eines Emittenten iS der kapitalmarktrechtlichen Meldepflichtregelung des § 33 Abs. 2 WpHG[100] (§§ 20 Abs. 8 und 21 Abs. 5 AktG). Für diese finden ausschließlich die Bestimmungen des WpHG Anwendung. In den Rechtsfolgen sind die aktienrechtlichen und die kapitalmarktrechtlichen Regelungen angeglichen, sodass nach beiden die Rechte aus Aktien für die Zeit des Unterlassens der Mitteilung ausgeschlossen sind (Rechtsverlust, §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG sowie § 44 WpHG).
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Zudem beeinflussen die kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten des WpHG aufgrund dieses Rechtsverlusts (§ 44 Satz 1 WpHG) insofern das Aktienrecht, als für die nicht gemeldeten Aktien damit ein Teilnahme- und Stimmrechtsausübungsverbot in der Hauptversammlung besteht[101].
2. Kapitalmarktrechtliche „Lösung“ bzgl Börsenrückzug (Delisting)
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Ein weiteres Beispiel für die Verknüpfung zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht ist das sog. Delisting[102], dh der Rückzug eines börsennotierten Unternehmens von der Börse[103]. Bei einem freiwilligen Delisting stellte sich lange Zeit die Frage des angemessenen Ausgleichs der Anleger/Aktionäre. Nunmehr hat sich der Gesetzgeber gegen eine gesellschaftsrechtliche Lösung, etwa durch eine Gesamtanalogie zu den §§ 305, 320b, 327b AktG und den §§ 29, 207 UmwG[104], entschieden. Das bedeutet, dass sich die Abfindung der Aktionäre nicht am Unternehmenswert orientiert und für eine Klage nicht der Zivilrechtsweg gegeben ist[105]. Vielmehr wurde eine „kapitalmarktrechtliche“ Lösung favorisiert, bei der sich die Abfindung nach dem Börsenkurs bemisst und hiergegen der Verwaltungsrechtsweg offensteht[106].
3. Vorrang der kapitalmarktrechtlichen Haftung vor Gläubigerschutz
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Der Emittent haftet für die rechtzeitige und vollständige Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen nach den §§ 97 und 98 WpHG[107]. Diese kapitalmarktrechtliche Haftung hat nach hM Vorrang vor dem aktienrechtlichen Gläubigerschutz, insbesondere dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG) und dem Verbot des Erwerbs eigener Aktien (§ 71 AktG)[108]. Eine kapitalmarktrechtliche Haftung soll nicht an diesen aktienrechtlichen Regelungen scheitern. Gerechtfertigt wird das in erster Linie mit dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori und dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali[109].
4. Unternehmensübernahmen
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Das WpÜG regelt die Unterbreitung eines öffentlichen Kaufangebots durch einen Erwerbswilligen (Bieter) an die Aktionäre der (Ziel-)Gesellschaft[110]. Es nimmt eine Zwitterstellung ein und ist zum einen Kapitalmarktrecht (zB Publizität und Verfahrensablauf von Übernahmeangeboten) und zum anderen (Börsen-)Gesellschaftsrecht[111] (zB Verhaltenspflichten der Organe)[112].
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