Kommunalrecht Bayern. Tobias Weber
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Prägen Sie sich auch zusätzlich ein, dass eine kreisangehörige Gemeinde niemals zusätzlich Aufgaben des Landratsamtes kraft Gesetzes zugewiesen erhält. Dies kann Ihnen nur bei Großen Kreisstädten und kreisfreien Städten begegnen.
3. Teil Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften › B. Aufgabenbereiche der einzelnen Kommunen › II. Aufgaben der Großen Kreisstadt (Art. 9 Abs. 2 GO, GrKrV)
II. Aufgaben der Großen Kreisstadt (Art. 9 Abs. 2 GO, GrKrV)
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Obwohl auch die Große Kreisstadt dem Grunde nach eine kreisangehörige Gemeinde verkörpert, bedarf sie einer näheren Betrachtung. Für die Großen Kreisstädte bringt Art. 9 Abs. 2 GO eine Sonderregelung. Da sie, wie Art. 5a Abs. 4 GO bestätigt, über eine gesteigerte Leistungs- und Verwaltungskraft verfügt, weist der Gesetzgeber ihr über die gewöhnlichen Aufgaben kreisangehöriger Gemeinden hinausgehende Aufgaben zu.
Der Großen Kreisstadt werden mittels Rechtsverordnung Aufgaben zur Erfüllung zugewiesen, die sonst vom Landratsamt als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde wahrgenommen werden. Diese Aufgaben finden sich in der Verordnung über Aufgaben der Großen Kreisstädte (GrKrV).
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Besonders bedeutsam ist hierbei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV, der der Großen Kreisstadt sämtliche Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 BayBO) zuweist. Art. 9 Abs. 2 GO, § 1 Abs. 1 GrKrV bestimmt weiter, dass die Große Kreisstadt die dergestalt übertragenen Aufgaben des staatlichen Landratsamtes im übertragenen Wirkungskreis wahrzunehmen hat.
Missverständlich ist allein der gesetzliche Passus in Art. 9 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GO, wonach die Große Kreisstadt „Kreisverwaltungsbehörde“ ist. Gemeint ist damit nur, dass die Große Kreisstadt funktional Aufgaben der Staatsbehörde übernimmt, sie bleibt aber auch hier ihr eigener Rechtsträger (außerhalb des Staates) und ist insoweit auch bei Wahrnehmung einer Aufgabe nach § 1 Abs. 1 GrKrV vor Gericht zu verklagen.[2]
Beispiel
Soweit eine Große Kreisstadt für ihr Gebiet eine Baugenehmigung gegenüber einem Bauherrn verweigert, muss dieser im Rahmen einer Verpflichtungsklage in Gestalt einer Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 VwGO gegen die Große Kreisstadt vorgehen, um die begehrte Baugenehmigung gerichtlich zu erstreiten. Dass die Große Kreisstadt dabei nach Art. 9 Abs. 2 GO, Art. 54 Abs. 1 Hs. 2 BayBO, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrKrV im übertragenen Wirkungskreis handelt, ist irrelevant. Die Wirkungskreise spielen für die Frage der Passivlegitimation nach § 78 Abs. 1 VwGO keine Rolle.
JURIQ-Klausurtipp
Auch wenn eine Große Kreisstadt handelt, ist für die Frage der Passivlegitimation (§ 78 VwGO) stets die Große Kreisstadt selbst zu verklagen.
3. Teil Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften › B. Aufgabenbereiche der einzelnen Kommunen › III. Aufgaben der kreisfreien Stadt (Art. 9 Abs. 1 GO)
III. Aufgaben der kreisfreien Stadt (Art. 9 Abs. 1 GO)
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Da die kreisfreie Stadt kein Landratsamt kennt, das die staatlichen Aufgaben (Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO) bzw. die Aufgaben als Kreisbehörde (Art. 37 Abs. 1 S. 1 LKrO) wahrnimmt, müssen diese zwangsläufig durch die kreisfreie Stadt selbst wahrgenommen werden. Art. 9 Abs. 1 GO bestätigt diese Überlegung. Art. 9 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GO bestimmt, dass die kreisfreie Stadt im übertragenen Wirkungskreis sämtliche Aufgaben erfüllt, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde wahrzunehmen sind. Missverständlich ist wiederum der Hs. 2 von Art. 9 Abs. 1 S. 1 GO, wonach die kreisfreie Stadt insoweit Kreisverwaltungsbehörde sei. Damit ist – wie bei der Großen Kreisstadt – lediglich gemeint, dass auch der kreisfreien Stadt die Funktion einer Kreisverwaltungsbehörde zukommt. Nicht ausgesagt ist damit, dass die Gemeinde eine dem Freistaat Bayern unterstellte Staatsbehörde wird. Die kreisfreie Stadt bleibt wie jede Gebietskörperschaft stets ihr eigener Rechtsträger. Als solcher ist die kreisfreie Stadt auch bei Wahrnehmung staatlicher Aufgaben selbst zu verklagen, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.[3]
JURIQ-Klausurtipp
Achten Sie in Klausuren stets darauf, ob die gemeindlichen Wirkungskreise tatsächlich relevant sind, d.h. ob das Ergebnis und der Verlauf einer Klausur unterschiedlich ausfallen. Prägen Sie sich ein, dass die Frage des Klage- oder Antragsgegners von dem jeweiligen Wirkungskreis unabhängig ist. Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass die Unterscheidung in den Wirkungskreisen für die Frage der Passivlegitimation irrelevant ist!
Beispiel
Sofern eine Baugenehmigung im Stadtgebiet der kreisfreien Stadt A zur Entscheidung ansteht, ist nach Art. 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 BayBO, Art. 9 Abs. 1 S. 1 GO die kreisfreie Stadt A selbst sachlich zuständig. Sie nimmt insoweit die Aufgabe des fehlenden Landratsamtes als Staatsbehörde gemäß Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO wahr. Wird der Bauantrag abgelehnt, hat der Bauherr im Wege einer Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die kreisfreie Stadt A selbst zu verklagen.
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Da es für das Gebiet der kreisfreien Stadt auch keinen Landkreis als Gebietskörperschaft gibt (und damit auch kein Landratsamt als Kreisbehörde, vgl. Art. 37 Abs. 1 S. 1 LKrO), müssen der kreisfreien Stadt weitere gesetzliche Aufgaben obliegen. Insoweit ist auf Art. 9 Abs. 1 S. 2 GO zu verweisen, wonach die kreisfreie Stadt zusätzlich die den Landkreisen (als Gebietskörperschaft) obliegenden Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises (Art. 51 Abs. 1, 53 Abs. 1 LKrO) zu erfüllen hat.
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Dabei erfolgt keine weitere Wirkungskreisdifferenzierung. Die eigenen Angelegenheiten des Landkreises (Art. 5, 51 Abs. 1 LKrO, z.B. Art. 3 Abs. 1 BayAbfG[4]) werden dem eigenen Wirkungskreis der kreisfreien Stadt zugeschlagen. Die vormals übertragenen Angelegenheiten des Landkreises (Art. 6, 53 Abs. 1 LKrO, z.B. Wohngeld, § 1 Abs. 1 ZustVWoGG[5]) werden der kreisfreien Stadt im übertragenen Wirkungskreis zugeschlagen.[6]
Hinweis
Beachten Sie an dieser Stelle die Grundsystematik: Sowohl die staatlichen Aufgaben des fehlenden Landratsamts als Kreisverwaltungsbehörde, als auch die übertragenen Aufgaben des Landkreises, gehen stets als materiell-inhaltliche Staatsaufgaben in den übertragenen Wirkungskreis der kreisfreien Stadt über.
Nur die Selbstverwaltungsangelegenheiten der fehlenden Gebietskörperschaft Landkreis werden dem eigenen Wirkungskreis der kreisfreien Stadt zugeschlagen.