Kommunalrecht Bayern. Tobias Weber
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1. Antragsgegner, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog
Der Antrag müsste gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet sein, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog. Da der erste Bürgermeister offensichtlich in seiner Funktion als Gemeindeorgan (und nicht als bloße Privatperson) die angegriffene Verfügung erlassen hat, wird sein Handeln der Gemeinde B zugerechnet. Der Antrag ist dem Rechtsträgerprinzip folgend daher gegen die Gemeinde B zu richten.
Hinweis
Im Weiteren ist zunächst die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu überprüfen.
2. Formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung
a) Zuständigkeit
Die Gemeinde B ist als Ausgangsbehörde für eine Entscheidung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG zuständig zur Anordnung des behördlichen Sofortvollzuges, § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
b) Anhörung
Weiter stellt sich die Frage, ob vor Erlass der sofortigen Vollziehung eine gesonderte Anhörung des Betroffenen zu verlangen ist. Einer gesonderten Anhörung vor Erklärung der sofortigen Vollziehung bedarf es nach h.M. nicht. Die Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO stellt nur einen unselbstständigen Annex zu einem Verwaltungsakt dar; es fehlt ihr an einem eigenständigen Regelungsgehalt im Sinne von Art. 35 S. 1 BayVwVfG.[13] Damit ist Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG nicht direkt anwendbar; auch eine Analogie ist abzulehnen; § 80 Abs. 3 VwGO stellt eine abschließende Regelung zu den verfahrensrechtlichen Anforderungen dar.
c) Form/Begründungserfordernis
§ 80 Abs. 3 S. 1 VwGO verlangt eine schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Dem wurde im Schreiben vom 24.6.2019 Rechnung getragen, da in Schriftform auf die Gefährdung der Bevölkerung durch den frei umher laufenden Kampfhund hingewiesen wurde. Diese Begründung ist einzelfallbezogen und keinesfalls pauschal und schemenhaft. Es ist auch rechtlich möglich, den Sofortvollzug nachzuschieben. Nicht auseinanderfallen dürfen lediglich Anordnungen des Sofortvollzugs und erforderliche Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO.
3. Zwischenergebnis
Der Sofortvollzug der Verfügung wurde formell ordnungsgemäß angeordnet.
IV. Interessenabwägung zwischen Aussetzungsinteresse und Vollzugsinteresse
Das zur Entscheidung berufene Gericht trifft hierbei eine originäre Ermessensentscheidung aufgrund einer summarischen Überprüfung von Sach- und Rechtslage, unter besonderer Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Daher ist im Folgenden maßgeblich auf eine von C noch zu erhebende Anfechtungsklage abzustellen.
1. Zulässigkeit einer Anfechtungsklage
Eine solche kann von C zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben werden. Als Adressat einer ihn belastenden Verfügung ist C insbesondere klagebefugt.
2. Begründetheit einer Anfechtungsklage
Diese wäre nur dann begründet, wenn der von Bürgermeister A verfügte Maulkorb- und Leinenzwang rechtswidrig ist und C dadurch in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
3. Formelle Rechtmäßigkeit der Verfügung
a) Sachliche Zuständigkeit
Die Gemeinde B ist gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG zum Erlass einer Anordnung zur Haltung von Hunden verbandskompetent. Auch eine Organzuständigkeit des ersten Bürgermeisters lässt sich bejahen. Der Erlass der streitgegenständlichen Verfügung war eine laufende Angelegenheit im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO, denn weder hatte diese für die Gemeinde grundsätzliche Bedeutung, noch brachte dies erhebliche Verpflichtungen mit sich. Es handelt sich um eine alltägliche Regelung, die nur einen Hundebesitzer im Gemeindegebiet betraf. Überdies ergibt sich eine Organzuständigkeit des A auch aus Art. 37 Abs. 3 S. 1 GO wegen besonderer Dringlichkeit der Angelegenheit an einem Sonntag.
b) Anhörung, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG
Eine Anhörung war gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 BayVwVfG nicht erforderlich, da wegen der latenten Gefahr, die vom Hund ausgeht, eine sofortige Entscheidung ohne weiteres Zuwarten im überwiegenden Interesse der öffentlichen Sicherheit geboten war.
c) Form
Der Verwaltungsakt konnte zunächst von A mündlich erlassen werden, Art. 37 Abs. 2 BayVwVfG. Er wurde überdies am 24.6.2019 in schriftlicher Form nochmals bestätigt.
4. Materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung
a) Rechtsgrundlage für die Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 LStVG. Danach können Gemeinden zum Schutz von Leib und Leben, Gesundheit, Eigentum oder der öffentlichen Reinlichkeit Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Anders als Art. 18 Abs. 1 LStVG erfasst die Befugnisnorm das „Wie“ der Hundehaltung hinsichtlich aller Hunde ohne räumliche und sachliche Beschränkung.[14] Gefordert wird für Art. 18 Abs. 2 LStVG das Vorliegen einer konkreten Gefahr, die gegeben ist, wenn es bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kommt. Hierbei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je hochrangiger die gefährdeten Rechtsgüter zu bewerten sind. So liegt der Fall hier. Nachdem es um den Schutz von Leib und Leben geht, ist der zu erwartende Schaden sehr hoch. Die geringeren Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind auch ohne bisherigen Zwischenfall gegeben, denn von dem Kampfhund geht rassespezifisch, genetisch bedingt eine ständige Gefahr aus.
b) Außerdem ist trotz des Gutachtens über die Gutmütigkeit bei einem Kampfhund i.S.d. Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass, wenn sich der Hund frei bewegt, er bei Unbeteiligten Angstzustände hervorrufen kann, was wiederum als Gesundheitsbeeinträchtigung zu qualifizieren ist. Insoweit entspricht es auch allgemeiner Erfahrung, dass allein aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, das zu einer Abschreckung oder Einschüchterung von Passanten führen kann, eine konkrete Gefahr angenommen werden kann.
c) Nach alledem kann somit eine konkrete Gefahr für die Gesundheit Dritter bejaht werden.
d) Ermessensfehler sind nicht erkennbar.
e) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird durch die Anordnung gewahrt, zumal die Verfügung nur außerhalb des befriedeten Besitztums des C Geltung beansprucht. Die Verfügung ist insbesondere das mildeste Mittel zur Wahrung des Grundsatzes effektiver Gefahrenabwehr, der für die Gemeinde als unterste Sicherheitsbehörde, Art. 6 LStVG, gilt.