Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung. Markus Berndt

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Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung - Markus Berndt Praxis der Strafverteidigung

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Konstellationen des Irrtums über den konkreten Handlungssinn.[8] Dies kann der Fall sein beim Hervorrufen oder Ausnutzen eines graduellen Tatbestandsirrtums, bei dem der Vordermann zwar die tatbestandliche Relevanz, nicht aber die Intensität der Tatbestandsverwirklichung erfasst.

      Beispiel:

      GmbH-Geschäftsführer X erteilt Mitarbeiter Y die Anweisung, eine bestimmte Flüssigkeit in einem Fluss zu entsorgen und erklärt, dass die Menge nur in vergleichsweise geringem Umfang toxisch sei, tatsächlich handelt es sich um eine hochtoxische Substanz. - Strafbarkeit des X nach §§ 326 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB? Obwohl der Irrtum über die Intensität der Rechtsgutsverletzung zu einem Ungleichgewicht zwischen Vorder- und Hintermann führt, kann dem Hintermann keine Tatherrschaft zugeschrieben werden, da der Vordermann die tatbestandliche Dimension seines Verhaltens erfasst und volldeliktisch handelt. Überdies dürfte es kaum möglich sein, zwischen erheblichen und unerheblichen Unrechtssteigerungen in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB genügenden Weise zu differenzieren.[9] Anderes mag gelten, wenn ein Irrtum über das Vorliegen eines Qualifikationsmerkmals hervorgerufen oder ausgenutzt wird, da die Tatherrschaft des Hintermannes hier normativ begründet werden kann und jedenfalls im Hinblick auf die tatbestandlich vertypte Qualifikation das Verantwortungsprinzip nicht gilt.[10]

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      Teilweise wird bei Ausübung eines unterhalb der Schwelle des § 35 StGB liegenden Zwanges mittelbare Täterschaft angenommen.[11]

      Beispiel:

      GmbH-Geschäftsführer X drängt den zunächst widerstrebenden Mitarbeiter Y dazu, eine toxische Substanz in einem Fluss zu entsorgen, indem er ihm mit Kündigung droht. - Y ist weder nach § 34 StGB gerechtfertigt noch nach § 35 StGB entschuldigt, da sub specie § 34 StGB das geschützte das beeinträchtigte Interesse nicht wesentlich überwiegt bzw. die Entsorgung ein unangemessenes Mittel der Gefahrabwendung darstellt; sub specie § 35 StGB ist schon kein notstandsfähiges Rechtsgut betroffen. Hier scheidet nach h.M. eine mittelbare Täterschaft aus, da der Hintermann trotz der manifesten oder latenten Nötigung keine Tatherrschaft innehat und die Nötigung unterhalb der Schwelle des § 35 StGB liegt, womit das Verantwortungsprinzip in vollem Maße zur Geltung gelangt.[12] Aus dem Kreis der abschließend in § 35 StGB aufgeführten Rechtsgüter ist abzuleiten, dass der Genötigte einem solchen Nötigungszwang standzuhalten hat, da anderenfalls das Verantwortlichkeitsprinzip verabschiedet wäre.

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      Geht es um die Begehung von Straftaten in Unternehmenszusammenhängen, rückt die Fallgruppe des Ausnutzens organisatorischer Machtapparate ins Zentrum weiterer Überlegungen. Sie war von Roxin entwickelt worden,[13] um die strafrechtliche Verantwortlichkeit von „Schreibtischtätern“ des NS-Regimes adäquat zu erfassen, was insbesondere über die Anstiftung nicht möglich schien: Zwar sieht § 26 StGB für Anstifter und Haupttäter dieselbe Strafe vor, jedoch blendet der Rückgriff auf eine Teilnahmefigur aus, dass bei einer Tatausführung unter Ausnutzung organisatorischer Machtapparate nicht der Vorder-, sondern der Hintermann die Zentralfigur des Geschehens ist. Dazu passt der die Teilnahme beherrschende Akzessorietätsgedanke nicht, nach dem sich das Unrecht der Teilnahme aus dem Unrecht der Haupttat ableitet.

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      Hinter der Konstruktion steht die Überlegung, dass man einen volldeliktisch handelnden Vordermann nicht allein durch Täuschung und Zwang, sondern auch durch Einbindung in einen Machtapparat steuern kann, weil dessen Struktur und Mitglieder die Begehung einer angeordneten Straftat mit großer Sicherheit gewährleisten. Ein Hintermann kann sich Organisationsstrukturen und Rahmenbedingungen zunutze machen, die dann in die Tatbegehung einmünden.[14] Allerdings besteht wegen der besonderen Suggestivkraft der Konstruktion die Gefahr, dass sie über Gebühr ausgedehnt und damit konturenlos wird.

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      Roxin hat folgende Voraussetzungen für die Annahme von Organisationsherrschaft benannt:[15] Erstens kommt es auf die Anordnungsgewalt des Befehlsgebers in einem hierarchisch strukturierten Apparat an; zweitens muss sich der Apparat in der Weise vom Recht gelöst haben, dass er eine Gegenwelt zur sonstigen Rechtsgesellschaft bildet und das im Apparat angesiedelte Individuum davon ausgehen kann, es habe bei Begehung einer Straftat keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten; drittens bedarf es einer Fungibilität des unmittelbar Ausführenden, von der auszugehen ist, wenn er beliebig austauschbar und die Ausführung der Anordnung unabhängig von der Individualität des Ausführenden gesichert ist; viertens muss durch die Zugehörigkeit zu der Organisation eine erhöhte Tatbereitschaft des Ausführenden gegeben sein.[16]

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      Die Rechtsprechung hält diese Rechtsfigur nicht nur für staatliches Unrecht oder organisierte Kriminalität, sondern auch für Wirtschaftsunternehmen anwendbar, indem sie allein auf die Anordnungsgewalt des Befehlsgebers in einem hierarchisch strukturierten Machtapparat sowie die besondere organisationsspezifische Tatbereitschaft abhebt. Maßgeblich sei vor allem die Ausnutzung regelhafter Abläufe in einer hierarchisch gegliederten Organisation mit dem Ziel, auf diese Weise die erstrebte Tatbestandsverwirklichung zu erreichen:

       [BGHSt 40, 218, 232 ff]

      „Es gibt aber Fallgruppen, bei denen trotz eines uneingeschränkt verantwortlich handelnden Tatmittlers der Beitrag des Hintermannes nahezu automatisch zu der von diesem Hintermann erstrebten Tatbestandsverwirklichung führt. Solches kann vorliegen, wenn der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Derartige Rahmenbedingungen mit regelhaften Abläufen kommen insbesondere bei staatlichen, unternehmerischen oder geschäftsähnlichen Organisationsstrukturen und bei Befehlshierarchien in Betracht. Handelt in einem solchen Fall der Hintermann in Kenntnis dieser Umstände, nutzt er insbesondere auch die unbedingte Bereitschaft des unmittelbar Handelnden, den Tatbestand zu erfüllen aus, und will der Hintermann den Erfolg als Ergebnis seines eigenen Handelns, ist er Täter in der Form mittelbarer Täterschaft. Er besitzt die Tatherrschaft. Er beherrscht das Geschehen tatsächlich weit mehr, als dies bei anderen Fallgruppen erforderlich ist, bei denen mittelbare Täterschaft ohne Bedenken angenommen wird, etwa bei Einsatz eines uneingeschränkt verantwortlichen Werkzeugs, das lediglich mangels einer besonderen persönlichen Pflichtenstellung oder mangels einer besonderen, vom Tatbestand verlangten Absicht nicht Täter sein kann. Auch bei Einsatz irrender oder schuldunfähiger Werkzeuge sind Fallgestaltungen häufig, bei denen der mittelbare Täter den Erfolgseintritt weit weniger in der Hand hat als bei Fällen der beschriebenen Art. Der Hintermann hat in Fällen der hier zu entscheidenden Art auch den umfassenden Willen zur Tatherrschaft, wenn er weiß, dass die vom Tatmittler noch zu treffende, aber durch die Rahmenbedingungen vorgegebene Entscheidung gegen das Recht kein Hindernis bei der Verwirklichung des von ihm gewollten Erfolgs darstellt. Den Hintermann in solchen Fällen nicht als Täter zu behandeln, würde dem objektiven Gewicht seines Tatbeitrags nicht gerecht, zumal häufig die Verantwortlichkeit mit größerem Abstand zum Tatort nicht ab-, sondern zunimmt. Eine so verstandene mittelbare Täterschaft wird nicht nur beim Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse, sondern auch in Fällen mafiaähnlich organisierten Verbrechens in Betracht kommen, bei denen der räumliche, zeitliche und hierarchische Abstand zwischen der die Befehle verantwortenden Organisationsspitze und den unmittelbar Handelnden gegen arbeitsteilige Mittäterschaft spricht. Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen“.[17]

      65

      Indes

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