Handbuch des Strafrechts. Группа авторов

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im Jahr 2006 den Führer einer maoistischen Guerilla-Organisation („Leuchtender Pfad“) als mittelbaren Täter der von seinen Leuten begangenen Taten verurteilt und sich darauf berufen, dass die Organisationsherrschaft nicht auf staatliche Organisationen beschränkt sei. Mit dem Kriterium der Amtspflichtverletzung lassen sich solche Fälle nicht lösen.

      212

      

      Auch trifft der Gesichtspunkt der „wissenden Duldung“, auf den Jakobs abstellt, nicht den Vorwurf, um den es bei diesen Taten geht. Denn bei der Vorgesetztenverantwortung handelt es sich um die Haftung für die Taten anderer, bei der Organisationsherrschaft aber um die machtfundierte Durchsetzung eigener Taten von besonderer Schwere. Das begründet einen Unrechts- und Schuldvorwurf, der durch den Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung bei weitem nicht erfasst wird.

      213

      Die Organisationsherrschaft findet zwar ihren Hauptanwendungsbereich bei staatlichen Systemverbrechen, sie ist aber nicht darauf beschränkt und kann auch bei terroristischen, aufrührerischen oder mafiaartigen Organisationen und selbst bei Stammesfehden vorliegen, wenn die in Betracht kommenden Organisationen hierarchisch aufgebaut und vom Wechsel einzelner Mitglieder unabhängig sind.

      214

      

      Der BGH hat diese Rechtsfigur weitergehend auch auf Wirtschaftsunternehmen übertragen. Schon im Mauerschützen-Urteil[168] heißt es: „Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen.“

      215

      

      Der BGH hat in der Folgezeit die Leiter von Wirtschaftsunternehmen als mittelbare Täter von Delikten bestraft, die aus ihrem Unternehmen hervorgegangen oder gegen die sie lediglich nicht eingeschritten waren.[169] So werden in einem Urteil des 2. Senats[170], das sich auf BGHSt 40, 218 beruft, die Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) bestraft, weil sie dafür verantwortlich waren, dass die Abfälle Abnehmern überlassen wurden, die nicht über die Möglichkeiten einer geordneten Abfallbeseitigung verfügten. Die „vom Täterwillen getragene Tatherrschaft“ der Geschäftsführer wird daraus hergeleitet, dass sie zur illegalen Abfallbeseitigung „den Weg … eröffnet und vorgezeichnet“ hätten. Aber das kann allenfalls eine Anstiftung oder Unterlassungsstrafbarkeit, aber keinesfalls eine mittelbare Täterschaft über ein Entsorgungsunternehmen begründen, das nicht einmal in die Firma eingebunden war und unter eigener Regie arbeitete.

      216

      In einem Urteil des 4. Senats[171] werden die faktischen Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter der von Angestellten begangenen Betrügereien bestraft, obwohl „keine konkrete Einwirkung oder auch nur aktuelle Kenntnis der Angeklagten in Bezug auf die einzelnen Warenbestellungen festgestellt“ werden konnte. Es soll genügen, dass der Betrieb trotz Zahlungsunfähigkeit weitergeführt worden war. Denn „als Täter kraft Tatherrschaft“ komme „auch derjenige in Betracht, der durch Organisationsstrukturen bedingte Rahmenbedingungen ausnutzt, die regelhafte Abläufe auslösen“. Beim Fehlen jeglicher Einwirkung auf das Geschehen kann aber natürlich eine Tatherrschaft nicht vorliegen.[172]

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      Richtigerweise kann eine Übertragung der für die Organisationsherrschaft entwickelten Regeln auf Wirtschaftsunternehmen nicht in Betracht kommen. Denn es fehlen sämtliche dafür erforderlichen Voraussetzungen.

      218

      

      Die Weisungsgewalt der Leitungspersonen erstreckt sich von vornherein nicht auf die Begehung von Straftaten. Wirtschaftsunternehmen arbeiten auch in der Regel nicht rechtsgelöst, sondern im Rahmen des geltenden Rechts, so dass erwartet werden muss, dass eine rechtswidrige Anweisung unausgeführt bleibt. Wenn sich dagegen im Einzelfall einige Leute zu betrügerischen oder sonstwie strafbaren Geschäften zusammenschließen, fehlt es jedenfalls am Bestand einer von den individuell Beteiligten unabhängigen Organisation. Die Angestellten sind auch nicht in dem Sinne fungibel, dass ein die Begehung von Straftaten verweigernder Angestellter ohne weiteres durch deliktswillige andere Angestellte ersetzt werden könnte.

      219

      Die Übertragung der Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf Wirtschaftsunternehmen ist daher in der Literatur fast allgemein abgelehnt worden.[173]

      220

      Das ändert freilich nichts daran, dass ein kriminalpolitisches Bedürfnis besteht, die Leiter von Wirtschaftsunternehmen für Straftaten haftbar zu machen, die aus dem Betrieb heraus begangen werden. Dafür gibt es zahlreiche Vorschläge, die hier nicht näher behandelt werden können.[174] Mit der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate ist aber eine Lösung dieser Probleme nicht möglich.

      12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 52 Mittelbare Täterschaft › G. Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten

G. Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten

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      Die bisher behandelten Erscheinungsformen der mittelbaren Täterschaft gelten für Delikte, die jedermann begehen kann. Bei ihnen richtet sich die Täterschaft nach der Innehabung der Tatherrschaft, weshalb ich bei ihnen von „Herrschaftsdelikten“ spreche. Neben ihnen stehen als selbstständige Gruppe von Straftaten die von mir sog. Pflichtdelikte. Das sind Straftatbestände, bei denen die Tatherrschaft dadurch gekennzeichnet wird, dass jemand die ihm aus seiner sozialen Rolle erwachsene Pflicht missbraucht oder vernachlässigt und auf diese Weise eine tatbestandsmäßige Rechtsgutsverletzung herbeiführt.

      222

      

      Ein solches Pflichtdelikt ist z.B. die Untreue (§ 266 StGB), bei der Täter nur sein kann, wer eine Vermögensfürsorgepflicht missbraucht. Täter einer Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) kann nur sein, wem das Gesetz besondere Schweigepflichten auferlegt. Bei den „Straftaten im Amt“ (§§ 331, 332, 343–345, 348) kommen nur Amtsträger als Täter in Betracht, weil nur sie die amtsspezifischen Pflichten verletzen können. Auch die unechten Unterlassungsstraftaten sind Pflichtdelikte; denn Täter kann nur sein, wer als Sonderpflichtiger „Garant“ für den Nichteintritt des Erfolges ist. Der vorstehende Text gibt nur einige Beispiele, die sich leicht vermehren lassen.

      223

      Die Bedeutung der Lehre von den Pflichtdelikten für die mittelbare Täterschaft besteht vor allem darin, dass sie bei den Begehungsdelikten das Problem des sog. qualifikationslosen dolosen Werkzeugs einer zwanglosen Lösung zuführt. Zwei Beispiele mögen das verdeutlichen.

      224

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