Handbuch des Strafrechts. Группа авторов

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unterschiedliche Tatbestandsstrukturen verwiesen. Bei Herrschaftsdelikten sind Begehung und Unterlassung klar geschieden (die unechte Unterlassung verlangt eine zusätzliche Garantenstellung), während bei Pflichtdelikten diese Unterscheidung bedeutungslos ist: Ob der Vermögensverwalter i.S.d. § 266 StGB durch aktive Einwirkungen oder durch Unterlassung gebotener Maßnahmen das ihm anvertraute Vermögen schädigt, ist für die Tatbestandsverwirklichung gleichgültig. Auch z.B. für den Tatbestand der Gefangenenbefreiung durch einen Amtsträger (§ 120 Abs. 2 StGB) spielt es keine Rolle, ob der Aufseher die Strafanstaltstür vorschriftswidrig öffnet oder es unterlässt, sie zu verschließen. Zwischen Herrschafts- und Pflichtdelikten bestehen also gewichtige Abweichungen, die hier nicht in alle Konsequenzen verfolgt werden können, die aber nicht durch beliebige Normativierungen des Herrschaftskriteriums verwischt werden sollten.

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      Wenn man an der Tatherrschaftslehre auch bei Pflichtdelikten festhalten will, müsste man also zur Straflosigkeit aller Beteiligten kommen: Der Ausführende kann nicht Täter sein, weil ihm die dazu erforderliche Qualifikation (die soziale Pflichtenstellung) fehlt. Eine mittelbare Täterschaft oder auch nur Anstiftung des qualifizierten Hintermannes muss an der mangelnden Tatbestandserfüllung durch den Ausführenden scheitern.

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      Die Konsequenz der Straflosigkeit wird wegen des kriminalpolitisch inakzeptablen Ergebnisses nur selten gezogen, findet aber immer noch Anhänger.[187] So sagt etwa Otto:[188] „Die Tatsache einer besonderen Pflichtenstellung des Hintermannes begründet keine Herrschaftsposition über den unmittelbar Handelnden.“ Es entfalle daher „die Möglichkeit, ihn als Täter zu bestrafen“. Über die Lehre von den Pflichtdelikten und über die geschilderten Versuche, eine Täterschaft normativ zu begründen, sagt er: „Beide Meinungen können eine Herrschaft des Hintermannes nicht begründen. Sie kaschieren nur mühsam, dass es ihnen allein darum geht, befürchtete Strafbarkeitslücken zu schließen. Das aber wäre Aufgabe des Gesetzgebers.“

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      Im selben Sinn argumentiert Zieschang:[189] „Vor dem Hintergrund, mögliche Strafbarkeitslücken zu vermeiden, verlässt man die bestehenden sachlich zutreffenden Kriterien zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme.“ Auch er verweist auf den Gesetzgeber als möglichen Lückenschließer.[190]

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      Die Straflosigkeitsthese ist jedoch in doppelter Hinsicht unhaltbar. Zum einen hat der Gesetzgeber keinen bestimmten Täterbegriff kodifiziert. Daher ist es wissenschaftlich möglich und geboten, die Täterschaft an die besondere soziale Pflichtenstellung eines Beteiligten zu knüpfen, wenn diese eine herausgehobene Verantwortung für das Geschehen begründet und den Pflichtigen gegenüber Nichtqualifizierten als „Zentralgestalt“ des deliktischen Geschehens erscheinen lässt.

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      Zum anderen ist auch das Ergebnis einer Straflosigkeit aller Beteiligten derart verfehlt, dass es nicht mehr als eine vertretbare Gesetzesauslegung angesehen werden kann. Wenn in einem oben (Rn. 223 ff.) gebildeten Beispiel ein Amtsträger eine Falschbeurkundung vornimmt (§ 348 StGB), so gibt es kein sinnvolles Argument für die These, dass dies zwar bei eigenhändiger Beurkundung, nicht aber dann strafbar sein soll, wenn er sich eines professionellen Fälschers bedient.

      241

      

      Das gilt für alle Pflichtdelikte. Ein Pflichtdelikt ist z.B. auch § 288 StGB (Vereitelung der Zwangsvollstreckung). Denn der Täter handelt in der sozialen Rolle eines Vollstreckungsschuldners, aus der ihm die Pflicht erwächst, sein Vermögen für die Befriedigung des Gläubigers bereitzuhalten. Befindet er sich auf Reisen und beauftragt er seinen Freund, Vermögensstücke beiseitezuschaffen, so ist er mittelbarer Täter des § 288 StGB, während der Freund als qualifikationsloses doloses Werkzeug und damit als Gehilfe zu bestrafen ist.[191] Die Gegenmeinung, die in einem solchen Fall die Straflosigkeit beider befürwortet, führt, wie Fischer[192] mit Recht sagt, zu einem nicht akzeptablen Ergebnis: „Diese Lösung müsste die kriminelle Energie potentieller Täter auf die risikolose Gewinnung von außenstehenden Komplizen verlagern.“ So etwas zuzulassen, darf man dem Gesetzgeber nicht unterstellen.

      242

      Pflichtdelikte sind auch die unechten Unterlassungen. Denn Täter kann nur sein, wer in einer sozialen Pflichtenstellung als Garant für die Nichtabwendung des Erfolges einzustehen hat. Das bedeutet nach der hier vertretenen Lehre, dass ein Garant, der die Abwendung des Erfolges unterlässt, den Tatbestand des betreffenden Deliktes als Täter verwirklicht, auch wenn ein Begehungstäter den Tatbestand durch aktives Handeln erfüllt. Wenn also ein Vater gegen die Tötung des neugeborenen Kindes durch die Mutter nicht einschreitet, ist er Täter eines Tötungsdeliktes durch Unterlassen, obwohl natürlich auch die Mutter den Tatbestand als Täterin verwirklicht.

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      Man kann darüber streiten, ob man hier von einer mittelbaren oder unmittelbaren Täterschaft des Unterlassenden sprechen sollte. Für die Annahme einer unmittelbaren Täterschaft lässt sich geltend machen, dass die Täterschaft des Vaters unabhängig davon ist, ob der Tod des Kindes durch einen Menschen oder durch ein Naturereignis herbeigeführt wird. Im letzten Fall liegt zweifelsfrei eine unmittelbare Unterlassungstäterschaft vor. Doch das ist eine terminologische Frage ohne praktische Bedeutung.

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      Eine Ausnahme von der Täterschaft des unterlassenden Garanten gilt nur für den Fall, dass ein bestimmter Tatbestand nicht durch Unterlassen verwirklicht werden kann. So liegt es bei eigenhändigen Delikten (man kann z.B. keinen Meineid durch Unterlassen begehen), vor allem aber bei Absichtsdelikten. Wenn jemand während seiner Abwesenheit seine Wohnung durch einen Aufseher bewachen lässt und dieser gegen einen Dieb nicht einschreitet, hat der Aufseher trotz seiner Garantenstellung nur eine Beihilfe zum Diebstahl durch Unterlassen begangen. Denn ihm fehlt die für die Tatbestandserfüllung erforderliche Zueignungsabsicht.

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      Der Auffassung, dass das Garantenunterlassen schon als solches täterschaftsbegründend wirkt, nähert sich in zunehmendem Maße auch der Bundesgerichtshof. Er hatte ursprünglich darauf abgestellt, ob der unterlassende Garant einen Täter- oder Teilnehmerwillen habe[193] – ein bei Unterlassungsdelikten besonders untaugliches Abgrenzungskriterium, weil bei völliger Untätigkeit ein irgendwie gearteter Wille nach außen überhaupt nicht hervortreten kann.

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      In neuerer Zeit hat sich das aber geändert. Das Urteil BGHSt 38, 325 ff. bestraft einen Bürgermeister, den die Entscheidung als Garanten für die Abwendung der von ortsansässigen Grundeigentümern ausgehenden Gewässerverunreinigungen ansieht, als Unterlassungstäter, ohne die Möglichkeit einer bloßen Beihilfe auch nur in Erwägung zu ziehen. „Demgemäß hat der Bürgermeister den Tatbestand der Gewässerverunreinigung (§ 324 Abs. 1 StGB) durch Unterlassen verwirklicht, soweit die pflichtwidrige Verabsäumung der von ihm zu ergreifenden Maßnahmen für den Eintritt des Erfolges ursächlich war.“[194] Nestler[195] zieht daraus mit Recht die Folgerung, die These, dass

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