Handbuch des Strafrechts. Группа авторов
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Für die Anwesenheit in der Hauptverhandlung ist vorgesehen (§ 43 VerSanG-E), dass ein Verband mit mehreren gesetzlichen Vertretern selbst dann als erschienen gilt, wenn nur ein gesetzlicher Vertreter anwesend ist (Abs. 1); die Vertretung durch einen Verteidiger ist gestattet (Abs. 2). Das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters kann angeordnet werden (§ 44 VerSanG-E). Trotz Ausbleibens des gesetzlichen Vertreters kann die Hauptverhandlung durchgeführt werden, wenn der Verband ordnungsgemäß geladen und in der Ladung hierauf hingewiesen wurde (§ 45 VerSanG-E). Für den Verletzten (§ 51 VerSanG-E) gilt, dass die Verantwortlichkeit des Verbandes nicht im Wege der Privatklage verfolgt werden kann (Abs. 1) und der Verletzte sich am Verfahren gegen die Leitungsperson oder den Verband beteiligen kann (Abs. 2).
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Hinsichtlich der Rechtskraft (§ 48 VerSanG-E) ist vorgesehen, dass ein rechtskräftiges Urteil nach § 30 OWiG der Verfolgung der Tat nach dem VerSanG entgegensteht (Abs. 1 S. 1). Zudem soll ein rechtskräftiges Urteil nach § 30 OWiG wegen des Unterlassens von Vorkehrungen der Verfolgung der Tat als besonders schwerer Fall nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E entgegenstehen (Abs. 1 S. 2). Dasselbe gilt für den Beschluss nach § 72 OWiG und den Beschluss des Beschwerdegerichts über die Tat als Ordnungswidrigkeit (Abs. 1 S. 3). Durch Sanktionsbescheid kann das Gericht ohne Hauptverhandlung auf Antrag der Verfolgungsbehörde Verbandssanktionen sowie daneben Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung festsetzen (§ 50 VerSanG-E).
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Für die Vollstreckung (§ 53 VerSanG-E) sollen die Vorschriften über die Vollstreckung der Geldstrafe (Abs. 1 S. 1) bzw. der Verwarnung mit Strafvorbehalt (Abs. 2) entsprechend gelten. Kann die Verbandsgeldsanktion nicht eingebracht werden oder unterbleibt die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 StPO, stellt die Vollstreckungsbehörde einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abs. 1 S. 2). Im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge kann die Vollstreckung gegen den oder die Rechtsnachfolger eingeleitet oder fortgesetzt werden (Abs. 1 S. 3).
4. Verbandssanktionenregister
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Umfangreiche Vorschriften enthält Teil 6 für das einzurichtende Verbandssanktionenregister (§§ 54–66 VerSanG-E), das sich am Bundeszentral- und am Gewerbezentralregister orientieren und ein primär für die Justiz konzipiertes Informationssystem sein soll.[543] Die Einzelheiten zum Aufbau, zur Erfassung und Aufbereitung der Daten sowie zur Auskunftserteilung sollen durch allgemeine Verwaltungsvorschriften geregelt werden (§ 66 VerSanG-E). Das Bundesamt für Justiz (BfJ) wird das Register führen (§ 54 Abs. 1 VerSanG-E). Einzutragen sind nicht nur rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen über die Verhängung von Verbandssanktionen, sondern auch rechtskräftige Entscheidungen über die Festsetzung einer Geldbuße nach § 30 OWiG, sofern diese mehr als 300 Euro beträgt (§ 54 Abs. 2 VerSanG-E). Eine nachträglich gebildete Gesamtsanktion ist ebenfalls einzutragen (Abs. 3). Gegenstand der Eintragung (§ 55 VerSanG-E) sind die Daten des verurteilten Verbandes (i.E. Abs. 1 Nr. 1–6), u.a. nicht nur Firma, Name oder Bezeichnung sowie Rechtsform des Verbandes, sondern auch Familiennamen, Vornamen und Geburtsdaten der Mitglieder des Vertretungsorgans oder der gesetzlichen Vertreter zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung sowie bei Verbandssanktionen die rechtliche Bezeichnung der Tat unter Angabe der angewendeten Vorschriften und des Tattages. Eine vorbehaltene Verbandsgeldsanktion (Abs. 2) und die rechtskräftige Wiederaufnahme (Abs. 3) sind ebenfalls einzutragen. Für die Tilgung (§ 57 VerSanG-E) gilt, dass sie ein Jahr nach Eintritt der Tilgungsreife erfolgt (Abs. 1); die Tilgungsfrist beträgt bei Eintragungen von Verbandssanktionen zehn Jahre und in besonders schweren Fällen 15 Jahre, bei Eintragungen von Geldbußen nach § 30 OWiG dagegen nur fünf Jahre (Abs. 2).
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Einem Verband wird auf Antrag Auskunft gegeben, welche Informationen über ihn im Verbandssanktionenregister enthalten sind (§§ 58, 59 VerSanG-E). Unbeschränkte Auskunft erhalten auf ausdrückliches Ersuchen Gerichte und Staatsanwaltschaften, oberste Bundes- und Landesbehörden, Verfassungsschutzbehörden, BND und MAD, Finanzbehörden, den Kriminaldienst verrichtende Dienststellen der Polizei, die für die Ahndung nach § 30 OWiG zuständigen Behörden und die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 81 GWB zuständigen Behörden, Gnadenbehörden und die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (§ 60 VerSanG-E). Die Auskunft an ausländische sowie über- und zwischenstaatliche Stellen (§ 63 VerSanG-E) erfolgt nach den hierfür geltenden völkerrechtlichen Verträgen (Abs. 1). Ersuchen eines anderen EU-Staates werden für die gleichen Zwecke und in gleichem Umfang wie gegenüber vergleichbaren deutschen Stellen ausgeführt (Abs. 2). Ersuchen eines anderen EU-Staates um Erteilung einer Auskunft aus dem Register für nichtstrafrechtliche Zwecke werden ausgeführt, soweit die Erteilung nach Maßgabe eines EU-Rechtsaktes geboten ist (Abs. 3). Die Auskunftserteilung (§ 64 VerSanG-E) erfolgt schriftlich oder elektronisch (Abs. 1), wobei die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens unter engen Voraussetzungen zulässig ist (Abs. 3). Die erteilten Auskünfte werden protokolliert (§ 65 VerSanG-E).
II. Bewertung
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Der Regierungsentwurf des VerSanG stößt, wie bereits der Kölner Entwurf[544] und der erste Referentenentwurf vom August 2019,[545] von dem er sich – abgesehen insb. von der Beschränkung auf wirtschaftlicher Verbände und den Wegfall der Verbandsauflösung – nicht wesentlich unterscheidet, auf grundlegende Bedenken. So wurde bereits gegen den (ersten) Entwurf angeführt, er zeige ein „starkes Misstrauen der Verfasser gegenüber wirtschaftlicher unternehmerischer Tätigkeit“,[546] sei „erkennbar eilig und gedankenlos formuliert“,[547] die enthaltenen Reglungen gäben „Anlass zur Sorge“ und seien „teilweise wohl sogar verfassungswidrig“.[548] Fraglich ist vor allem, ob durch das Verbandssanktionenrecht die Defizite des geltenden Rechts hinsichtlich Struktur, Anwendung und Vollzug beseitigt oder zumindest abgemildert werden können, ohne zugleich erhebliche neue Defizite aufzutun, mithin ein Fortschritt erzielt werden kann. Die bestehenden Defizite sind vor allem darin zu erblicken, dass die Verbandsgeldbuße strukturell und in der Ausgestaltung als zu schwache Sanktion angesehen wird, Anwendung und Vollzug als ungleichmäßig gelten und spezifische Verfahrensregelungen fehlen, insb. Regelungen zu internen Untersuchungen und zur Compliance (Rn. 125).
1. Konzept
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Eine grundlegende Weichenstellung stellt es dar, dass der VerSanG-E – wie bereits der Kölner Entwurf – den Begriff „Verbandssanktion“