Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften. David Albrecht
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften - David Albrecht страница 7
![Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften - David Albrecht Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften - David Albrecht Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht](/cover_pre1171364.jpg)
IV. Straftatbestandlicher Schutzzweck sowie Wertungen des Strafprozessrechts
13
Eine etwas weitergehende Auffassung im Schrifttum sucht den Ausgangspunkt für die Auslegung des Verletztenbegriffs ebenfalls in dem, wiederum weit zu bestimmenden, Schutzzweck des möglicherweise erfüllten Tatbestands. Darüber hinaus sollen aber auch Wertungen des Strafprozessrechts die Verletzteneigenschaft einer Person begründen. Letzteres komme immer dann in Betracht, wenn das Gesetz einem von der möglicherweise begangenen Tat Betroffenen bestimmte Mitwirkungsrechte am Strafprozess zugesteht, die Ausdruck einer spezifischen Nähebeziehung zur Tat seien und damit dessen Verhältnis zur Tat prozessrechtlich besonders anerkannt werde.[16] Dies sei etwa bei den in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO genannten Personen der Fall. Nach dieser Vorschrift sind die Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten bzw. Lebenspartner eines durch eine Straftat Getöteten die berechtigt, sich dem Strafverfahren als Nebenkläger anzuschließen. Dieser gesetzgeberischen Entscheidung wird die Wertung entnommen, dass im Falle eines vollendeten Tötungsdelikts der beschriebene Personenkreis in einer gesetzlich privilegierten Nähebeziehung zur Tat stehe, welche auch im Klageerzwingungsverfahren Beachtung finden müsse. In Fällen vollendeter Tötungsdelikte seien daher die in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO Genannten durch die Tat verletzt i.S.d. § 172 StPO.[17] Deren Einbeziehung in den Kreis der Antragsberechtigten vermeide zugleich eine als unbefriedigend empfundene Folge einer strengen Orientierung am tatbestandlichen Schutzzweck, die darin liegt, dass mangels eines noch lebenden Verletzten ein Klageerzwingungsverfahren ausgeschlossen wäre. Darüber hinaus wird eine rechtlich anerkannte Nähebeziehung zur Tat zum Teil auch dann angenommen, wenn der Betroffene strafantragsberechtigt ist.[18] Diese Fallgruppe habe jedoch nur geringe praktische Bedeutung, da in der Regel der Verletzte i.S.d. § 77 StGB bereits dem Schutzbereich des erfüllten Tatbestands unterfalle und ihm schon aus diesem Grunde die Befugnis zur Klageerzwingung zukomme.[19] Zudem seien viele Antragsdelikte zugleich mit der Privatklage verfolgbar und somit nach § 172 Abs. 2 S. 3 StPO dem sachlichen Anwendungsbereich des Klageerzwingungsverfahrens entzogen.[20]
Teil 2 Der Verletztenbegriff in § 172 StPO › A. Meinungsstand zum Verletztenbegriff in § 172 StPO › V. Unmittelbare Beeinträchtigung in einem Recht
V. Unmittelbare Beeinträchtigung in einem Recht
14
Die h.M. geht schließlich davon aus, dass Verletzter i.S.d. Klageerzwingungsrechts derjenige ist, der durch die Tat, ihre Begehung unterstellt, in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt wurde.[21] Rechtlich anerkannt sei ein Interesse, wenn es in irgendeiner Weise von der Rechtsordnung als schutzwürdig bewertet werde.[22] Das Kriterium der Unmittelbarkeit wirkt demgegenüber eingrenzend. Allerdings lässt die Rechtsprechung bei dessen näherer Bestimmung keine einheitliche Linie erkennen. Teilweise wird der Begriff der Unmittelbarkeit gar nicht näher erläutert, teilweise finden sich voneinander abweichende Definitionen. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Zuständigkeit für das gerichtliche Klageerzwingungsverfahren den Oberlandesgerichten zugewiesen ist und ein Rechtsmittel, das eine einheitliche Rechtsprechung ermöglichen könnte, nicht statthaft ist (§§ 175, 304 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 StPO). Dennoch lassen sich im Wesentlichen zwei Strömungen ausmachen, die im Folgenden dargestellt werden.
1. Begrenzung auf den straftatbestandlichen Schutzzweck
15
Einige oberlandesgerichtliche Entscheidungen und Teile der Literatur nehmen eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung nur dann an, wenn das betroffene Recht dem Schutzbereich des jeweils in Betracht kommenden Straftatbestands unterfällt.[23] Inhaltlich entspricht dieses Begriffsverständnis dem oben[24] genannten, das unmittelbar auf den Schutzbereich der erfüllten Strafnorm abstellt. Auch die hier dargestellte Auffassung legt die tatbestandlichen Schutzbereiche dabei im Vergleich zum materiellen Recht tendenziell weit aus. Begründet wird dies mit dem Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, eine Kontrolle des Legalitätsprinzips zu ermöglichen.[25] Um dies effektiv zu gewährleisten, sei es notwendig, den Kreis der Antragsberechtigten weit zu fassen. Daher sollen auch Personen, deren Rechtsgüter nur „nachrangig“ oder „mittelbar“ durch den jeweiligen Tatbestand geschützt werden, verletzt im Sinne der Vorschrift sein.[26] Praktische Bedeutung hat dies etwa bei den Aussagedelikten,[27] der Rechtsbeugung[28] und der Urkundenfälschung[29]. Im Übrigen findet jedoch ganz überwiegend eine Orientierung am materiellen Recht statt. Und wie auch dort sind die tatbestandlichen Schutzbereiche in ihrem Umfang umstritten.[30]
2. Erweiterung auf sonstige rechtlich anerkannte Nähebeziehungen
16
Über die Anknüpfung an den tatbestandlichen Schutzzweck hinaus nimmt die h.M. eine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung auch dann an, wenn eine sonst rechtlich anerkannte Nähebeziehung zur Tat besteht. So bejaht auch sie im Falle eines vollendeten Tötungsdelikts die Verletzteneigenschaft der in § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO genannten Angehörigen des Opfers.[31] Daneben soll auch das Recht zur Stellung eines Strafantrags die Verletzteneigenschaft begründen.[32]
Teil 2 Der Verletztenbegriff in § 172 StPO › A. Meinungsstand zum Verletztenbegriff in § 172 StPO › VI. Zusammenfassung
VI. Zusammenfassung
17
Das Meinungsbild zur Definition des Verletztenbegriffs in § 172 StPO ist somit im Wesentlichen durch drei Auffassungen geprägt. Nach der ersten ist derjenige verletzt, der infolge der Tat ein berechtigtes Vergeltungs- bzw. Genugtuungsinteresse hat. Die zweite knüpft an den (weit auszulegenden) Schutzbereich des jeweils in Betracht kommenden Straftatbestandes an. Die dritte und zugleich vorherrschende Ansicht nimmt darüber hinaus die Verletzteneigenschaft bei solchen Personen an, deren besondere Nähebeziehung zur Tat in sonstiger Weise rechtlich anerkannt ist. Sofern nicht vereinzelt unmittelbar auf diese Definition zurückgegriffen wird, leitet die h.M. sie aus dem Oberbegriff der unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung ab.
Anmerkungen
RGSt 23, 361 (362); RMilGE 6, 133 f.; 8, 14 f.; 10, 188 (190 f.); OLG Bremen NJW 1950, 960; Löwe/Rosenberg RStPO, § 170 Nr. 5 b; zu Dohna Strafprozessrecht, S. 143; Rosenfeld Reichs-Strafprozess, S. 207; Brandt JW 1928, 2192; einschränkend Bennecke/v. Beling Lehrbuch, S. 484.
RMilGE 6, 133 f.; 8, 14 (15); Brandt JW 1928, 2192.
Oetker GA 66 (1919), 469 (490); Bennecke/v. Beling Lehrbuch, S. 484.