Bankrott und strafrechtliche Organhaftung. Jörg Habetha

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Bankrott und strafrechtliche Organhaftung - Jörg Habetha Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

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      NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

       [66]

      LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 57, mit der Einschränkung, dass ein Verstoß gegen die Anforderungen ordnungsgemäßer Wirtschaft nicht vorliegen dürfe. In diesem Fall wäre allerdings bereits aus diesem Grund die Strafbarkeit ausgeschlossen.

      Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale › B. Krise des Bankkunden – bankrottstrafrechtliche Einordnung

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      Insolvenzdelikte im engeren Sinn erfassen (ganz überwiegend)[1] Tathandlungen während einer wirtschaftlichen Krise des betroffenen Unternehmens. Bankrott wird dementsprechend als „krisenbezogenes“ Delikt bezeichnet.[2] Der Begriff „Krise“ bildet im strafrechtlichen Zusammenhang[3] einen Oberbegriff für die in § 283 Abs. 1 StGB genannten Tatbestandsmerkmale: Überschuldung sowie eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit.[4] Eine Strafbarkeit wegen Bankrotts setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Tathandlung eines der alternativ benannten Krisenmerkmale vorliegt.[5] Erst nach Eintritt einer ökonomischen Krise, die den Grad eines der genannten Merkmale erreicht, erscheinen die vom Tatbestand geschützten Vermögensinteressen der Gesamtgläubigerschaft (in Zusammenschau mit der jeweils verwirklichten Bankrotthandlung) in einer Weise gefährdet, die Strafwürdigkeit begründet, damit eine strafrechtliche Sanktionierung rechtfertigt.[6]

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      Der Wortlaut von § 283 Abs. 1 StGB verwendet die Terminologie der Insolvenzeröffnungsgründe (§§ 17–19 InsO).[7] Es besteht insofern eine deutliche sprachliche Parallele. Dieser Umstand führt zu der Frage, ob die Identität der Begriffe ebenfalls zu einer übereinstimmenden – ggf. insolvenzrechtsakzessorischen – Auslegung Anlass gibt oder ob der abweichende sachliche Regelungszusammenhang von Insolvenz- und Strafrecht vielmehr zu einer abweichenden Begriffsausfüllung zwingt (unten Rn. 95 ff.). Im Anschluss werden die rechtlichen Anforderungen der Krisenmerkmale im strafrechtlichen Kontext von § 283 Abs. 1 StGB im Einzelnen untersucht (unten Rn. 100 ff.).

      Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der KrisenmerkmaleB › I. Auslegung der bankrottstrafrechtlichen Krisenbegriffe

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      Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung (in Kraft getreten zum 1.1.1999)[8] mögliche Auswirkungen der Reform auf die Insolvenzdelikte im engeren Sinn (bzw. deren Auslegung) allein im Zusammenhang mit der Einführung des Insolvenzgrundes drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), auch hier nur fragmentarisch, berücksichtigt.[9] Namentlich Art. 60 EGInsO[10] beinhaltet nur eine terminologische Anpassung. Darüber hinaus wurden mögliche Konsequenzen für das Insolvenzstrafrecht nicht in die Überlegungen einbezogen.[11] Der historische Auslegungsansatz führt insoweit mit Blick auf die Bankrottdelikte kaum weiter. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Novellierung des Insolvenzrechts vorrangig das Ziel, durch Ausweitung und Ergänzung der Eröffnungsgründe eine zeitliche Vorverlagerung der Insolvenzverfahrenseröffnung zu bewirken, insbesondere um (auch im Interesse der Gläubigerschaft) die Chancen einer Sanierung und Fortführung des betroffenen Unternehmens zu erhöhen.[12] Danach treten die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens früher ein und sind an geringere Voraussetzungen geknüpft als noch von der Konkursordnung vorgesehen.[13] Die mögliche Folge, zugleich eine Ausweitung und Verschärfung der Insolvenzdelikte zu realisieren, hat der Gesetzgeber dagegen nicht erwogen. Dennoch befürworten ein Teil des Schrifttums[14] sowie die Rechtsprechung[15] eine (strenge) insolvenzrechtsakzessorische Auslegung der strafrechtlichen Krisenmerkmale.

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      Für eine „strikte“ Insolvenzrechtsakzessorietät spricht, neben der terminologischen Identität und dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung,[16] die Vergleichbarkeit der Schutzziele des Insolvenzverfahrens und des Bankrotttatbestands. § 283 StGB schützt die individuellen Vermögensinteressen der Gesamtgläubigerschaft.[17] Das Insolvenzverfahren soll – in Parallele hierzu – primär eine möglichst auskömmliche (quotenmäßige) Befriedigung der Gläubigerschaft bewirken. Das Insolvenzrecht dient insofern ebenfalls den Vermögensinteressen des betroffenen Gläubigerkreises.[18] Dennoch rechtfertigt dieser scheinbare „Gleichklang“ keine identische Begriffsauslegung. Trotz des vergleichbaren Regelungszwecks bleiben die „unterschiedlichen Wege seiner Verwirklichung zu beachten“.[19] Das Insolvenzstrafrecht schützt nicht das Insolvenzverfahren mit „sämtlichen Regelungseffekten“.[20] Zudem bestehen auch darüber hinaus inhaltliche Unterschiede. Etwa differenziert § 283 Abs. 1 StGB im Gegensatz zu den Insolvenzeröffnungstatbeständen nicht hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Krisenmerkmale.[21] Die Vorschrift knüpft auch – anders als die Tatbestände der Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO) – ebenfalls nicht an dem Unterlassen der Initiative, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, an,[22] die zugleich Regelungsgegenstand der §§ 17–19 InsO sind. [23] Der Regelungsinhalt der im Katalog des § 283 Abs. 1 StGB genannten Bankrotthandlungen weicht hiervon vielmehr deutlich ab.

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      Anlass für eine abweichende Auslegung ist jedoch in erster Linie der divergierende Telos von Insolvenzrecht und einer strafrechtlichen Sanktionierung. Die Verwirklichung von Bankrotthandlungen in der Krise einerseits und von Insolvenzeröffnungstatbeständen andererseits begründen gänzlich abweichende Rechtsfolgen. Dementsprechend sind die Funktionen der Rechtsbegriffe in den unterschiedlichen Regelungszusammenhängen nicht identisch.[24] Die Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist primär auf Seiten des Gemeinschuldners, aber, wie gezeigt, auch auf Seiten der Gläubigerschaft mit erheblichen Rechtseingriffen verbunden. Die Insolvenztatbestände wägen diese Folgen gegeneinander. Die Voraussetzungen der Insolvenzgründe dokumentieren (in individuell unterschiedlicher Weise) die Anforderungen an eine wirtschaftliche Krise des Schuldners, die geeignet und erforderlich sind, die mit der Insolvenzverfahrenseröffnung verbundenen (auch grundrechtsrelevanten) Eingriffe, zugleich den „Übergang“ vom Einzel- in ein Gesamtvollstreckungsverfahren, zu rechtfertigen.[25] Beispielsweise sind die Rechtsfolgen eines Insolvenzverfahrens schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit (als frühzeitigem Krisenstadium vergleichsweise geringer Intensität) nur gerechtfertigt, wenn der Schuldner selbst über deren Auslösung (durch Eigenantrag) disponieren kann.[26] In diesem Fall besteht dementsprechend auch keine Insolvenzantragspflicht.[27] Überschuldung löst ein Insolvenzverfahren allein bei Betroffenheit einer juristischen Person aus, da nur in diesen Fällen eine spezifische Gefährdungslage (keine natürliche Person als persönlich haftender Schuldner) besteht.[28]

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      Die Auslegung des Bankrotttatbestands als materielle Strafnorm ist dagegen an einem abweichenden Maßstab orientiert. Im Kontext von § 283 Abs. 1 StGB ist die Krisensituation konstitutives Element des Unrechts der Tat.[29] Die Gefahr, dass ein Geschäftspartner – ebenfalls ein Kreditnehmer der Bank – in eine wirtschaftliche Krise gerät, ist (jenseits

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