Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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70,0 % 59,6 % 45,3 % 2004–2007 (3 J.) 68,6 % 64,0 % 61,9 % 41,0 % 2004–2010 (6 J.) 80,4 % 75,5 % 74,8 % 51,8 % 2010-2013 64,5 % 63,7 % 61,4 %

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      Angesichts der anhaltenden Diskussionen um den Koppelungsarrest (vgl. nur Kinzig/Schnierle JuS 2014, 210; Kreuzer ZRP 2012, 101 und Ostendorf ZIS 2012, 608 einerseits und Müller-Piepenkötter/Kubink ZRP 2008, 176; Werwigk/Hertneck/Rebmann ZRP 2003, 225 andererseits ist es sehr zu begrüßen, dass das Bundesministerium der Justiz schon im Mai 2013 eine Evaluationsstudie zum erst seit dem 7.3.2013 geltenden § 16a ausgeschrieben und an das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) in Kooperation mit der Universität Kassel vergeben hat. Zwar wird eine umfassende echte Wirkungsevaluation noch nicht erwartet werden können, doch lässt die Skizze der empirischen Studie (Hagl/Bartsch/Baier/Höynck/Pfeiffer ZJJ 2014, 263) wichtige Erkenntnisse zu Anwendungshäufigkeit und Unterschieden in der praktischen Anwendung, zur Einstellung von Praktikern und Praktikerinnen aus Justiz, Bewährungs- und Jugendgerichtshilfe erwarten, aber auch zu möglichen Veränderungen im Sanktionsspektrum (weniger Jugendstrafen und weniger Untersuchungshaft?). Letztlich geht es um die erhöhte Normakzeptanz der betroffenen Jugendlichen und Heranwachsenden und deren mögliche Verhaltensänderungen sowie schließlich um die Rückfallwahrscheinlichkeit.

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      Der 2016 vorgelegte Abschlussbericht zur Evaluation des Jugendarrestes neben zur Bewährung ausgesetzter Jugendstrafe kommt zu dem Ergebnis, dass sich weder die Befürchtungen der Kritiker und Kritikerinnen des Koppelungsarrestes noch die Hoffnungen der Befürworterinnen erfüllt haben (Klatt/Ernst/Höynck u.a. 2016, 217 und ZJJ 2016, 354, 361). Der § 16a-Arrest wird zurückhaltend, aber regional sehr unterschiedlich genutzt. Bundesweit beträgt die Anzahl dieser Arreste pro 100000=16,7 mit Unterschieden in Rheinland-Pfalz 27,4, Bayern 25,4, Nordrhein-Westfalen 19,3 und andererseits Schleswig-Holstein 3,8, Bremen 4,4 und Brandenburg 6,6. Der Koppelungsarrest führt nicht zur Zurückdrängung freiheitsentziehender Sanktionen, Jugendstrafe mit Bewährung ohne Arrest und mit Arrest unterscheiden sich in der Zielgruppe kaum und eine Auseinandersetzung mit den konkreten Voraussetzungen findet in den schriftlichen Urteilsgründen regelmäßig nicht statt. In 44,6 % der Akten finden sich keine Angaben zu den Fallvariablen, im Übrigen spielt der Verdeutlichungsarrest (Nr. 1) mit 26,3 %, der Herausnahmearrest mit 3,8% (Nr. 2) und der Bewährungsvorbereitungsarrest (Nr. 3) mit 32,9 % eine Rolle. Angesichts einer sich nur leicht andeutenden Tendenz zu verbesserten Legalbewährungschancen bedarf es längerer Beobachtungszeiträume – ein Ergebnis, zu dem auch die Komplettauswertung zu allen bayerischen Jugendarrestanstalten im Zeitraum von April 2015 bis März 2016 (Endres/Lauchs 2018), ebenso wie das Augsburger Forschungsprojekt mit einer Aktenanalyse aller Verurteilungen zu § 16a im Zeitraum von März 2013 bis zum Dezember 2014 in Bayern kommt (Schmidt 2019).

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      Erste praktische Entscheidungen in der Zeit vom März bis Juli 2013 zeigen Unterschiede in der Anwendungshäufigkeit in den einzelnen Bundesländern. Von den bundesweit knapp 70 Verurteilungen entfielen 28 auf Bayern, 24 auf Nordrhein-Westfahlen, 6 auf Rheinland-Pfalz, je 2 auf Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Sachsen-Anhalt. Weitere Angaben fehlten (FS 2013, 267; Gernbeck/Höffler/Verrel NK 2013, 307, 310). Im ersten Jahr der Geltung wurde der Koppelungsarrest über 700 Mal verhängt, ein Viertel davon in Bayern. Bei jährlich ca. 8 500 Jugendstrafen zur Bewährung dürften also etwa 5 % mit einem § 16a-Arrest verbunden werden (Dünkel RdJB 3/2014: „Angesichts der engen Anwendungsvoraussetzungen des § 16a eine exzessive Anwendungspraxis“).

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      Für 2017 verzeichnet die Strafverfolgungsstatistik unter den 10 072 zu Arrest verurteilten 646 als Koppelungsarrest, darunter 242 in Bayern und 3 in Berlin sowie je einer in Hamburg und Bremen. Von 2013 bis 2017 entfielen mit 907 von bundesweit 2776 Verurteilungen rund ein Drittel auf Bayern, eine Tatsache, die für den kriminologischen Dienst des bayerischen Justizvollzugs der Anlass für die Komplettuntersuchung zu allen bayerischen Jugendarrestanstalten war. Im Ergebnis wird ein dringender Forschungsbedarf hinsichtlich der Wirksamkeit mit einer differenzierten Betrachtungsweise, für wen diese Sanktion unter welchen Bedingungen geeignet ist und für wen nicht. Jede im Jugendarrest angebotene Maßnahme sollte sich an den von Andrews und Bonta (The Psychology of Criminal Conduct, 2010) aufgestellten Wirksamkeitsprinzipien, Bedarfs-, Ansprechbarkeits- und Risikoprinzip orientieren, um zu überprüfen, inwieweit der Koppelungsarrest mit einer erhöhten Rückfallrate einhergeht. Damit der § 16a-Arrest (mit einer Rückfallquote von 54% im Zeitraum von 2 Jahren in Bayern und nicht nur dort zu einer Art „Vorstufe“ zum Jugendstrafvollzug wird, bedarf es einer Stärkung der Gebotenheitsprüfung und der entsprechenden Begründungsanforderungen (Schmidt NK 2019, 74, 90).

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      Bis 2004 gab es entgegen § 8 Abs. 2 einzelne Urteile, in denen neben der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 Jugendarrest angeordnet worden ist (z.B. OLG Celle NStZ 1988, 315; LG Augsburg NStZ 1986, 507). Diese Koppelung ist als Verstoß gegen das Verbot analoger Rechtsanwendung zum Nachteil der Betroffenen verfassungswidrig (BVerfG NStZ 2005, 642). Das verfassungsrechtliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit gemäß Art. 103 Abs. 2 GG mit dem daraus abgeleiteten Verbot einer strafbegründenden oder strafschärfenden Analogie gilt auch für die Strafandrohung nicht nur im allgemeinen Strafrecht, sondern auch bei den Folgen der Jugendstraftat nach § 5 Abs. 2, wie das BVerfG ausführt. Die äußerste Grenze noch zulässiger Interpretation bildet der Wortsinn der gesetzlichen Sanktionsnorm.

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      Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund wird deutlich, dass eine Regelung „Jugendarrest neben Jugendstrafe“ sich nicht auf eine Streichung des Koppelungsverbots in § 8 Abs. 2 beschränken durfte, sondern klar bestimmte konkrete Voraussetzungen zu verankern hatte (in § 16a). Wenn dann noch der Gesetzgeber verhindern möchte, dass dieser Arrest nicht nur als eine bloße Übelszufügung ohne weitergehende Zweckverfolgung verhängt wird (BT-Drucks. 17/9389, 9), gleichsam als „Bewährungszuschlag“ (Gebauer), als „draufgesattelter Jugendarrest“ oder als „unnötige Koppelungsarrestdraufgabe“ (Verrel), bedarf es klarer Anwendungsbegrenzungen, die zudem noch restriktiv zu interpretieren sind.

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