Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer страница 111

Автор:
Жанр:
Издательство:
Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

Скачать книгу

Vollstreckungsersuchen wegen Nichterfüllung im Jahre 1990 stellte sich in 100 Fällen der Arrestbeschluss später als nicht mehr notwendig heraus (= 75 %; Hinrichs DVJJ-J 1991, 46). Dass durch die Schaffung einer mit einem Sozialarbeiter besetzten Koordinationsstelle zur Vermeidung von Beugearresten direkt mit Sitz im Amtsgericht diese Arrestform weitgehend vermieden werden kann, beweist recht anschaulich auch die Bremer Praxis (Emig DVJJ-J 1991, 51). Im Jahresvergleich wurde ein Rückgang von über 61 % verzeichnet.

      18

      Nach einer von Hinrichs durchgeführten Befragung der Arrestanstalten betrug der Anteil der tatsächlich verbüßten Beugearreste unter allen Jugendarresten 1968 = 29,6 %, 1978 = 30,2 % und 1989 = 32,7 % (DVJJ (Hrsg.), 1990, 338). Angesichts dieser großen praktischen Bedeutung, der rechtsstaatlich problematischen gravierenden regionalen Unterschiede und den kriminologischen Kenntnissen zu den Negativwirkungen des Arrestes ist der nur zögerliche Reformansatz des Gesetzgebers in Richtung Arrestvermeidung von der Praxis her auszubauen.

      19

      Trotz vielfacher Kritik ist im 1. JGGÄndG die Dreiteilung des Jugendarrestsystems in Freizeit-, Kurz- und Dauerarrest beibehalten worden. Die Korrekturen zur Dauer von Freizeit- und Kurzarrest sowie das Postulat der erzieherischen Ausgestaltung des Jugendarrestes sollen an die Verantwortlichen appellieren, endlich einen inhaltlich effektiven Arrestvollzug zu verwirklichen (BT-Drucks. 11/5829, 38). Auch der Gesetzgeber geht also von einem gegenwärtig unterentwickelten Zustand des Jugendarrestes und einer überwiegend trostlosen Arrestvollzugswirklichkeit aus (vgl. Dünkel DVJJ-J 1991, 27). Dass auch ein erzieherisch ausgestalteter Freizeit- oder Kurzarrest dem Inhaftierten kaum helfen kann, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben, weiß auch der Gesetzgeber. Die kurzen Arrestformen sind in erster Linie wegen des Nichtbefolgungsarrestes beibehalten worden. Die in § 90 Abs. 1 verankerte erzieherische Komponente gilt einheitlich für das gesamte Jugendarrestsystem und ist in den Landesjugendarrestvollzugsgesetzen umzusetzen.

      20

      Bis 1990 war der Freizeitarrest trotz eines relativen Bedeutungsverlustes (1965 = 66,5 %) mit 49,1 % die häufigste Arrestform. 2008 hat der Dauerarrest mit 50,5 % den Freizeitarrest mit 41, 8 % überholt; 2010 = 50,6 % gegenüber 40,5 % und 2017 mit 57,3 gegenüber 36,9%. Letzterer ist auf eine oder zwei Freizeiten begrenzt worden, um schädigende Nebenwirkungen und negative Gewöhnungseffekte auszuschließen. Aus § 16 Abs. 3 ergibt sich, dass unter wöchentlicher Freizeit höchstens 48 Stunden zu verstehen sind, auch wenn die tatsächliche Freizeit wesentlich größer ist. Freizeitarrest beginnt regelmäßig am Sonnabend um 8.00 Uhr – bei Schulbesuch oder Arbeit um 15.00 Uhr – und endet am Montag um 7.00 Uhr (§ 25 Abs. 3 JAVollzO). Da auf keinen Fall Ausbildung oder Arbeit beeinträchtigt werden dürfen, sind Ausnahmen zulässig.

      21

      Der Anteil des Kurzarrestes unter drei Arrestarten betrug 2010 = 8,9 % und 2017= 5,3%.Alle sozialpädagogischen und kriminologischen Bedenken gegenüber dem Freizeitarrest gelten für den Kurzarrest in gleicher Weise. Der Kurzarrest, der anstelle des Freizeitarrestes verhängt wird, beträgt maximal 4 und mindestens 2 Tage. 3 Tage Kurzarrest sind zulässig, weil der Umrechnungsmaßstab in § 16 Abs. 3 nicht so formal zu verstehen ist, wie Ostendorf § 16 Rn. 11 meint. Gegenüber einem Freizeitarrest von 2 Freizeiten hat der Kurzarrest den Vorteil, dass der Arrestvollzug zusammenhängend ist und nicht wiederholt wird. Für eine zusammenhängende Vollstreckung in Form des Kurzarrestes bieten sich vor allem Ferien- und Urlaubszeit an.

      22

      2010 betrug der Anteil des Dauerarrestes im Jugendarrestsystem 50,6 % (2017 57,3%), verbunden mit einem deutlichen relativen Bedeutungszuwachs. Gerade beim Dauerarrest wird erkennbar, wie stark sich die Klientel in den letzten 3 Jahrzehnten verändert hat. Über 2/3 aller Zugänge sind junge Volljährige. 15 % der Neuzugänge im Jahre 2006 hatten früher bereits Jugendarrest verbüßt, über 4 % waren sogar schon zu Jugend- oder Freiheitsstrafe verurteilt worden (BT-Drucks. 16/13142, 59). Gleichzeitig sind die sozialen Problemlagen der Arrestanten wesentlich massiver. Hier setzt der Gesetzgeber mit der Forderung an, den Arrest so zu gestalten, dass wenigstens ansatzweise – evtl. verbunden mit einer Betreuungsweisung – Schwierigkeiten, die den Hintergrund von Straftaten bilden, bewältigt werden können. In der Praxis wird eine veränderte Orientierung z.B. in der Jugendarrestanstalt Hamburg-Wandsbek (bis 2004, jetzt Hahnöfersand mit dem Konzept eines stationären sozialen Trainingskurses) deutlich, die auf vertrauensvolle Zusammenarbeit und Kommunikation statt auf angsterzeugenden Schock setzt (Holtfreter in: DVJJ (Hrsg.) 1984, S. 449 und Plewig MSchrKrim 1980, 20). Zu den Mindestanforderungen an einen erzieherisch ausgestalteten Jugendarrest vgl. Sonnen DVJJ-J 1991, 56. Positive Beispiele können jedoch nichts an der Tatsache ändern, dass der Arrest regional höchst unterschiedlich ausgestaltet und insgesamt mehr als problematisch ist (vgl. auch den Überblick bei Hinrichs DVJJ-J 98, 69 zu einzelnen Arrestanstalten; zur Situation in Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, und Mecklenburg-Vorpommern, siehe Kobes/Pohlmann ZJJ 2007, 372 ff., insgesamt gibt es 35 Jugendarrestanstalten; vgl. auch Ostendorf Reform des Jugendarrestes in Schleswig-Holstein, 1994 und Fachkommission Jugendarrest/stationäres soziales Training, ZJJ 2009, 275, 278. Für die 6 Jugendarrestanstalten in Nordrhein-Westfalen gilt, dass eine gewisse Strukturierung bei den jungen Arrestanten erreichbar ist, eine kurzzeitpädagogische Konzeption zur Förderung bzw. Verselbstständigung aber fehlt (Landtag NRW-Enquetekommission Prävention 2010, 122).

      23

      Das Mindestmaß des Dauerarrestes beträgt eine, das Höchstmaß vier Wochen. Nach Auffassung des AG Pirmasens Beschl. v. 4.9.2018 – 1 VRJs 129/17 – soll ein Urteilsarrest mit einem im Vollstreckungsverfahren verhängten Beschlussarrest in der Summe bis zu 8 Wochen betragen dürfen (Urteil = 1 Woche Jugendarrest, Betreuungsweisung für 10 Monate, 120 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Jugendgerichtshilfe). Wegen Nichterscheinens im Anhörungstermin = 2 Wochen Jugendarrest, beide Arreste verbüßt. Nachdem von der Arbeitsauflage nur 5 Stunden abgeleistet worden waren, erneuter Anhörungstermin, zu dem der Verurteilte wiederum nicht erschienen ist, jetzt weitere 2 Wochen Jugendarrest, in der Summe jetzt 5 Wochen aus erzieherischen Gründen, um den „fatalen Eindruck“ zu vermeiden, eine hartnäckige Weigerung der Befolgung von Auflagen und Weisungen ohne weitere Konsequenzen“. Das Gericht weicht ausdrücklich vom LG Zweibrücken ZJJ 2012, 88 (mit zustimm. Anm. Eisenberg) ab, das bei einem Urteilsarrest von 2 Wochen und einem Beschlussarrest von 4 Wochen wegen Nichterfüllung der Arbeitsauflage in der Summe 6 Wochen, den Beschlussarrest aufgehoben hat, weil er zu einer Arrestverbüßung von über 4 Wochen führen würde. Deswegen sei ein verhängter Arrest zu vollstrecken, bevor ein weiterer ins Auge gefasst wird.

      Für die Höchstgrenze von 4 Wochen spricht die systematische Grundeinschätzung des Jugendarrestes, für mögliche 8 Wochen die Betonung der unterschiedlichen Rechtsnatur von Urteilssanktionen und vollstreckungsrechtlicher Folgeentscheidung. Die Dauer richtet sich nach spezialpräventiven Aspekten. Maßgebend ist einerseits die Problemsituation des Verurteilten. Andererseits sind auch die konkreten Möglichkeiten in der jeweiligen Arrestanstalt zu berücksichtigen. Unrechts- und Schuldgehalt der Tat bilden eine Obergrenze. Die konkrete Entscheidung hat vor dem Hintergrund der kriminologisch

Скачать книгу