Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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hat (Art. 3 der Richtlinie):

      Falls Zweifel daran bestehen, ob eine Person das 18. Lebensjahr vollendet hat, gilt diese Person als Kind (Person im Alter von unter 18 Jahren). Voraussetzung dafür ist, dass nach eigenen Aussagen des Beschuldigten; Überprüfung des Personenstandes, dokumentarischen Recherchen und bei dessen Fehlen einer medizinischen Untersuchung als letztes Mittel weiterhin Zweifel hinsichtlich des Alters bestehen (Erwägungsgrund 13). Die Zweifelssatz entpflichtet nicht von durchzuführenden Verfahren zur Altersfeststellung. Praktische Fragen der Alterseinschätzung ergeben sich angesichts der großen Zahl von ausländischen unbegleiteten Kindern und Jugendlichen mit dem Anstieg ihrer Asylanträge von 163 im Jahr 2008 auf 35.359 im Jahr 2016. Das Problem der exakten Altersbestimmung bewegt sich in einem Bereich zwischen fehlender amtlicher Geburtsregistrierung in den Herkunftsländern bis zur Täuschung, um als Minderjähriger statt in Sammelunterkünften in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht werden zu können. Nach § 42a SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise vorläufig in Obhut zu nehmen. Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme ist die Minderjährigkeit durch Befragung und Einsichtnahme in deren Ausweispapiere festzustellen oder hilfsweise mittels einer qualifizierten Inaugenscheinnahme einzuschätzen. Auf Antrag des Betroffenen oder von amtswegen hat das Jugendamt in Zweifelsfällen eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen (§ 42f SGB VIII) behördliches Verfahren zur Altersfeststellung). Nach dem Erwägungsgrund 13 der Richtlinie EU 2016/800 soll eine medizinische Untersuchung nur als letztes Mittel und unter strikter Achtung der Rechte der Kinder, seiner körperlichen Unversehrtheit und der Menschenwürde durchgeführt werden. Mit Blick auf die § § 81a, 81b StPO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 sieht der Gesetzgeber hier keinen Umsetzungsbedarf.

      Zu den Methoden der Altersbestimmung:

      Alnajar Methoden zur forensischen Altersdiagnostik und Auswertung von Altersgutachten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Diss. Hamburg 2017; Gundelach, Lasse Beweiswürdigung von Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung, ZJJ 2018, 139

      Jung, Thomas Die Altersermittlung im Strafverfahren, StV 2013, 51

      Klein, Anne Altersschätzung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – Gefährdung des Kindeswohls?, Kritische Justiz 2015, 405

      Stenger, Andreas/Bertolini, Stefan Unbegleitete minderjährige Ausländer – Herausforderungen bei der Identitäts- und Altersfestellung aus Perspektive der Sicherheitsbehörden, Kriminalistik 2018, 497

      ZEKO Stellungnahme der Zentralen Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Ärztekammer – „Medizinische Altersschätzung bei unbegleiteten Flüchtlingen“, 2016

      Der Beweisantrag eines ausländischen Angeklagten, er sei zwei Jahre jünger als in seinem Pass vermerkt und deswegen noch Heranwachsender, kann nur nach § 244 Abs. 3 StPO abgelehnt werden und nicht etwa mit der Begründung, dass sich das Gericht bereits im „Freibeweisverfahren“ die Überzeugung verschafft habe, dass das im Pass des Angeklagten angegebene Alter richtig sei (BGH StV 1982, 101). Zur Aufklärungspflicht BGH NStZ 1998, 50 f.; zur Behandlung des Sachverständigengutachtens im Verfahren OLG Hamburg StV 2005, 206 f.

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      Die Verurteilung eines Erwachsenen nach Jugendstrafrecht hat keine Nichtigkeit zur Folge. Das soll auch im umgekehrten Fall der Verurteilung eines Jugendlichen zu Freiheitsstrafe nach allgemeinem Strafrecht gelten (BGH MDR 1954, 401 [Dallinger]), doch bestehen hier Zweifel. Bei der irrtümlichen Verurteilung eines Kindes wird danach differenziert, ob eine falsche Sachverhaltsfeststellung oder ein Rechtsfehler zu Grunde liegt. Nur bei Rechtsfehlern und dann auch nur bei Maßnahmen, die auch der Familienrichter nicht gegenüber dem Kinde hätte anordnen dürfen, wird Nichtigkeit angenommen (Dallinger/Lackner § 1 Rn. 21). überzeugender ist es jedoch, bei der Verurteilung von Kindern Nichtigkeit anzunehmen (Ostendorf § 1 Rn. 13 und jetzt auch Brunner/Dölling § 1 Rn. 12). Auch in diesem Fall sind zur Beseitigung des faktischen Scheins alle Rechtsmittel und Rechtsbehelfe bis hin zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 359 StPO und Einwendungen gegen die Vollstreckung nach § 458 StPO zulässig (Frehsee ZStw 100 (1988), 296); ebenso der Antrag, im Beschlusswege die Nichtigkeit festzustellen (Peters 1967, 524 und 1985, S. 524).

III. Sachlicher Anwendungsbereich

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      Unter Verfehlung ist eine rechtswidrige Tat zu verstehen. Für die fünf neuen Bundesländer war der Begriff der „Verfehlung“ ausdrücklich durch den der „rechtswidrigen Tat“ ersetzt worden, um Missverständnisse zu vermeiden, da die Verfehlungen nach § 4 StGB-DDR eine eigenständige Deliktskategorie unterhalb von Verbrechen und Vergehen bildeten; seit dem Gesetz vom 8.12.2010 nicht mehr anzuwenden.

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      Nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB sind rechtswidrige Taten nur solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen. Gemeint sind Verbrechen und Vergehen nach dem StGB, dem Nebenstrafrecht und nach landesrechtlichen Strafbestimmungen (= allgemeine Vorschriften i.S.v. § 1 Abs. 1). Ordnungswidrigkeiten sind also keine Verfehlungen. Nach Nr. 1 RiJGG zu § 1 gelten die Vorschriften des JGG für das Bußgeldverfahren aber sinngemäß, soweit das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nichts anderes bestimmt (§ 46 Abs. 1 OWiG; vgl. BayObLG NJW 1972, 837 und allgem. Bohnert Ordnungswidrigkeiten u. Jugendrecht, 1989). Ebenfalls keine Verfehlungen sind Verhaltensweisen, die nach StPO, GVG, ZPO und FamFG mit Ordnungsgeld oder -haft sanktioniert werden können, vgl. § 33 Rn. 22 f. Ordnungsmaßnahmen gegenüber Kindern dürfen nicht verhängt werden (BVerfGE 20, 323, 331 u. 58, 159). Dass nach OLG Düsseldorf FamRZ 1973, 547 eine Vorführung von Kindern zulässig sein soll, vermag unter Verhältnismäßigkeitsaspekten nicht zu überzeugen (Ostendorf § 1 Rn. 10). Eltern können nicht gezwungen werden, ihre Kinder als Zeugen vor Gericht erscheinen zu lassen (OLG Hamm NJW 1965, 1613).

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      Das JGG gilt auch für nichtdeutsche Jugendliche und Heranwachsende und Auslandstaten, sofern die Voraussetzungen der § § 3 bis 7 StGB gegeben sind. Auf Grund unterschiedlicher Strafmündigkeitsgrenzen (vgl. Dünkel Entwicklungen der Jugendkriminalität und des Jugendstrafrechts in Europa – ein Vergleich, in: Riklin (Hrsg.), Jugendliche, die uns Angst machen. Was bringt das Jugendstrafrecht?, 2003, S. 80 und Dünkel u.a. Juvenile Justice Systems in Europe Vol. 4, 2010, 1821) können sich im internationalen Rechtshilfeverkehr Probleme ergeben. Ein Rechtshilfeersuchen, das einen zur Tatzeit 13-Jährigen betrifft (OLG Stuttgart NJW 1985, 573) soll ebenso zulässig sein wie ein Ersuchen um richterliche Vernehmung eines im Ausland angeklagten 11-Jährigen (OLG Schleswig NStZ 1989, 583, m. Anm. W. Walter). Gegen beide Entscheidungen ergeben sich Bedenken aus den §§ 3 Abs. 11, 73 u. 83 Nr. 2 IRG.

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      Zur Frage der Auslieferung junger Ausländer ist § 9 IRG, bei der Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen gegenüber Deutschen sind die § § 48, 49 IRG und

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