Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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      Bei jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen ergab sich folgende Altersstruktur bei den Straftatgruppen 2018 in Prozent:

      Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik 2018, 103 f.

Jugendliche Heranwachsende
m. w. m. w.
1. Diebstahl ohne 14,2 18,1 8,9 6,8
unter erschwerenden Umständen 14,7 14,7 11,7 9,6
2. Sachbeschädigung 16,5 14,2 12,0 7,8
3. einfache KV 7,3 9,4 8,4 7,8
4. gefährl. & schw. KV 12,1 13,3 13,8 8,4
5. Betrug 4,7 6,0 9,7 9,1
6. Rauschgiftdelikte 12,0 18,0 18,0 15,7
7. Raubdelikte 20,3 19,3 16,9 11,1
8. Straftaten insgesamt 8,3 9,6 9,5 7,5

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      In der Öffentlichkeit entsteht über die Medien ein völlig anderes Bild, das – verkürzt – zu folgender Gleichsetzung führt: Jugendkriminalität = Gewaltkriminalität, gewaltbereite Jugend = kriminelle Jugend, kriminelle Jugend = Jugend, Diese Gleichsetzung bedeutet ein Höchstmaß an Ausgrenzung. Wie die Deliktsstruktur belegt, besteht hingegen kein Anlass zur Dramatisierung. Zudem wird in den Medien regelmäßig der Eindruck erweckt, die Kriminalität junger Menschen steige stetig und in erheblichem Maße. Demgegenüber finden sich im „Hellfeld“ seit etwa 1998 deutliche Rückgänge bei den Eigentumsdelikten ebenso wie bei den schwerwiegenden Gewaltdelikten. Anstiege sind im Bereich der Gewaltdelikte bei der Körperverletzung sowie bei den Betäubungsmitteldelikten (vornehmlich im Zusammenhang mit Cannabis) zu verzeichnen. Darüber hinaus weisen die Erkenntnisse der neueren Dunkelfeldforschung darauf hin, dass ein wesentlicher Teil des Anstiegs der polizeilich registrierten Kriminalität von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden auf eine erhöhte Anzeigebereitschaft gegenüber diesen und eine gestiegene Aufmerksamkeit hinsichtlich des Phänomens Jugendkriminalität zurückzuführen ist (vgl. dazu BMI/BMJ (Hrsg.), zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, S. 354: „Eine Zunahme gravierender Formen der Delinquenz junger Menschen in Gestalt von erhöhten Zahlen von Mehrfach- und Intensivtätern lässt sich nicht nachweisen“). Angesichts dieser empirisch gesicherten Erkenntnis der kriminologischen Sanktionsforschung ist der durch die Medien verstärkte Ruf nach mehr Härte (mehr und längere Jugendstrafen, weniger Bewährung, Einschränkung von Vollzugslockerungen, häufiger Jugendarrest) im Sinne neuer Straflust/neuer Punitivität umso unverständlicher (Lautmann/Klimke/Sack Punitivität, 8, Beiheft, KrimJ 2004; Sack Symbolische Kriminalpolitik und wachsende Punitivität, in: Dollinger/Schmidt Semisch (Hrsg.), Handbuch Jugendkriminalität, 2010, 63-89 unter Bezug auf Garland The Culture of Control. Crime and Social Order in Contemporary Society, 2001).

      In Gesetzgebung und Strafrechtsanwendung sind nur punktuell Tendenzen einer stärkeren punitiven Orientierung festzustellen, eine allgemeine Trendwende erhöhter Straflust lässt die Sanktionierungspraxis aber nicht erkennen (Cornel Neue Punitivität, 2013; Dünkel Werden Strafen immer härter?, in: Bannenberg/Jehle (Hrsg,), Gewaltdelinquenz, 2011, 208-243; Heinz Zunehmende Punitivität in der Praxis des Jugendkriminalrechts? in: BMJ, Jenaer Symposium, 2009, 29-80; Neubacher ZJJ 4/2011, 433 mit drei Beobachtungen – Jugendkriminalpolitik hat kein Zukunftsprojekt und lässt sich treiben, der Reformgeist des ersten JGGÄndG ist verflogen, für eine grundlegende Kursänderung im Jugendkriminalrecht gibt es keine Gründe – vor dem Hintergrund von Brüchen und Verwerfungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen; Schwerpunktheft Punitivität, ZJJ 2/2012).

      Ein Gemeinschaftsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) in Form einer deutschlandweiten Dunkelfeldbefragung unter 44 610 Schülern der neunten Jahrgangsstufe zeigt zur Jugendgewalt überwiegend positive Trends und relativiert die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik (Baier/Pfeiffer u.a. Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt, ZJJ 2009, 112-119: In den letzten zwölf Monaten 83,2 % ohne persönliche Gewalterfahrung, seit 1998 gleichbleibende bis rückläufige Entwicklung der Jugendgewalt; ausländerfeindliches, antisemitisches oder rechtsextremistisches Weltbild nur bei einer kleinen Minderheit von Jugendlichen – in einigen Gebieten allerdings alarmierend hoch). Stärkster Risikofaktor von Jugendgewalt ist die Einbindung in delinquente Gruppen, weitere Risikofaktoren sind der Konsum von Alkohol und illegalen Drogen sowie soziale Belastungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Vgl. BMI (Hrsg.), Muslime in Deutschland, 2007 (mit Untersuchungen von Brettfeld und Wetzels zur Gewalteinstellung, S, 175-192); BT-Drucks. 16/13300 vom 10.6.2009: Erster Integrationsindikationsbericht (S. 124 Gewaltkriminalitätsquoten, S. 127 Kriminalität, Gewalt und Diskriminierung); Bannenberg Kriminalität bei jungen Migranten, in: BMJ (Hrsg.) 2009, 155-185; Holthusen Straffällige männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund – eine pädagogische Herausforderung, in: BMJ (Hrsg.) 2009, 203-232; Kemme Die kulturelle Sozialisation als Determinante delinquenten Verhaltens- und Suchtmittelumgangs bei westlichen und muslimischen Jugendlichen, MschrKrim 2010, 126-146; Usculan Riskante Bedingungen des Aufwachsens: Erhöhte Gewaltanfälligkeit junger Migranten?, in: BMJ (Hrsg.) 2009, 187-202; Wetzels Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund – kriminologische Perspektiven, FPR 2007, 36-46; Kemme/Kolberg Religiosität und Delinquenz bei einheimischen Muslimen und Christen: Welche Rolle spielt die Geschlechtsrollenorientierung? ZJJ 2013, 4-12; Schwerpunkt Junge Menschen mit Migrationshintergrund, ZJJ 1/2013; zu den Phänomenen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus vgl. die Sachverhalte in den Entscheidungen BGH NJW 1994, 395 = NK 1994, 41; StV 1994, 654; NStZ 1994, 584; NStZ-RR 1996, 35, NStZ 1999, 129 und BGH v. 30.3.2004 (5 StR 410/03) und den Schwerpunkt „Rechtsextremismus“ in ZJJ 2/2010. Auch: Cornel/Dünkel/Pruin/Sonnen/Weber Die Integration von Flüchtlingen als kriminalpräventive Aufgabe – Ein kriminologischer Zwischenruf, NK 2015, 325-330.

      Vgl.

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