Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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bedarf die Weisung nach Nr. 2 indessen von Rechts wegen nicht zwingend (s. oben Rn. 11 m.w.N.; Ostendorf § 10 Rn. 10; Brunner/Dölling § 10 Rn. 6, 11; a.A. Eisenberg § 10 Rn. 17). Die mit einer i.S.v. Rn. 5–25 rechtmäßigen Weisung bezüglich des Aufenthaltes verbundene vorübergehende Trennung von der elterlichen Familie verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 3 GG; über das oben zu Rn. 11 Gesagte hinaus liegt eine Trennung im verfassungsrechtlichen Sinn auch nur dann vor, wenn das Kind aus dem häuslichen Bereich der Familiengemeinschaft in der Weise tatsächlich entfernt wird, dass die Erziehungsberechtigten künftig keine unmittelbare Möglichkeit mehr haben, auf die Erziehung des Kindes einzuwirken (BVerfG NJW 1983, 442; E 31, 194, 210; E 24, 119 ff., 142).

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      Die Weisung, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen (Nr. 3) wurde durch das 1. JGGÄndG neu gefasst und mit dem Begriff „Ausbildungsstelle“ dem Sprachgebrauch des Berufsbildungsgesetzes angepasst (Begr. Art. 1 Nr. 1, BT-Drucks. 11/5829, S. 15). Eine sachliche Änderung hat sich damit nicht ergeben. § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ist eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für eine Einschränkung der Berufsausübung (in diesem Sinne BVerfG NStZ 1982, 67 ff. = StV 1982, 67 ff. = NJW 1982, 323 ff.). Sie ist in der Form zulässig, dass die Annahme einer regelmäßigen, den Fähigkeiten des Täters entsprechenden, mit festen Einkünften verbundenen Tätigkeit angeordnet wird. Dagegen darf der Täter nicht zu der Aufnahme einer bestimmten beruflichen Tätigkeit angewiesen werden (Art. 12 GG; Schönke/Schröder-Kinzig § 56c Rn. 8). Zulässig ist insbesondere auch die Weisung, eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen (LG Würzburg NJW 1983, 463 f., bestätigt durch BVerfG NJW 1983, 442; OLG Hamm MDR 1985, 692 = NStZ 1985, 310 ff.; BVerfG NStZ 1981, 21 f.), weil sie auch insofern erzieherisch wirkt, als der Betroffene zu sozialem Verhalten innerhalb der staatlichen Sozialgemeinschaft angehalten wird (LG Würzburg NJW 1983, 463 f.). Zulässig, wenn auch in der Regel allenfalls bei Heranwachsenden in Betracht kommend, ist auch die Anordnung, eine Tätigkeit aufzunehmen, um die nach § 170 StGB strafbewehrten Unterhaltspflichten erfüllen zu können (OLG Bremen NJW 1955, 1606 f.; OLG Celle NdsRpfl. 1957, 136).

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      Dagegen ist es unzulässig, den Betroffenen anzuweisen, eine bisher ausgeübte Arbeit oder Lehrstelle aufzugeben (Ostendorf § 10 Rn. 11). Dies ist eindeutig gesetzwidrig, denn § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ermächtigt den Richter nur zu Anordnungen, die darauf gerichtet sind, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen. Auch die Weisung, eine bestimmte Arbeits- oder Ausbildungsstelle beizubehalten, ist unzulässig (Eisenberg § 10 Rn. 19). Die Rechtsprechung des BVerfG (NStZ 1981, 21 f.), wonach eine Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht bei Erwachsenen (§ 68 f. StGB), einer vom Bewährungshelfer gebilligten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Arbeit nachzugehen und Arbeits- oder Ausbildungsstelle nur mit vorheriger Zustimmung des Bewährungshelfers zu wechseln, verfassungsgemäß ist, weil sie die Freiheit der Berufswahl nur insoweit einschränkt, als der Betroffene eben nur einer von seinem Bewährungshelfer gebilligten, grundsätzlich versicherungspflichtigen Arbeit nachgehen konnte, andererseits aber das Interesse der Allgemeinheit an der Resozialisierung des Straftäters, insbesondere daran zu vermeiden, dass er künftig weitere schwerwiegende Straftaten begeht, ein überragendes Gemeinschaftsgut darstellt, das gesetzliche Einschränkungen des Grundrechts eines Straftäters auf freie Berufswahl im Rahmen strikter Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen vermag (BVerfG NStZ 1981, 22), ist auf Weisungen nach § 10 nicht übertragbar. Denn anders als in dem entscheidungsgegenständlichen, für schwerwiegende Straftaten konzipierten § 68b Abs. 2 StGB hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 mit Rücksicht auf die in der Regel noch ungefestigten beruflichen Vorstellungen Jugendlicher und Heranwachsender von den im Hinblick auf Arbeits- und Ausbildungsstelle denkbaren Geboten nur bestimmt, diese zur Annahme irgendeiner Stelle anzuweisen. Für derartige Weisungen besteht aber wegen ihres intensiven Bezugs zur Berufswahl (Art. 12 GG) auch im Strafrecht ein strikter Gesetzesvorbehalt (BVerfG StV 1982, 67; NStZ 1985, 275). § 10 enthält nach dem Gesagten keine im Sinne von Art. 12 GG ausreichende Rechtsgrundlage für Anordnungen, eine bestimmte Stelle aufzugeben oder beizubehalten; derartige Weisungen sind somit weder gesetzesmäßig, noch im Sinne des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) vorhersehbar.

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      Die Weisung, eine Arbeitsleistung zu erbringen (Nr. 4) ist eine Erziehungsmaßregel, die, veranlasst durch richterlich festgestelltes strafbares Verhalten, vornehmlich dem Wohl des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu dienen bestimmt ist (BVerfGE 74, 102 ff. = NStZ 1987, 275). Eine nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 erteilte Weisung berührt nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 und 3 GG, soweit sie als Folge einer von dem Betroffenen begangenen Straftat begrenzte Arbeitspflichten zum Zwecke der Erziehung des Jugendlichen oder Heranwachsenden anordnet und nicht in einer die Menschenwürde missachtenden Weise unter gleichzeitigem Verstoß gegen bestimmte Grundrechte erfolgt (BVerfG a.a.O.; NStZ 1988, 34 ff.; NStZ 1991, 191). Aus dieser Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich die Grenzen der richterlichen Arbeitsweisungen. Die Verpflichtung zu Arbeitsleistungen ist danach zulässig, wenn sie im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 ausschließlich erzieherisch begründet ist, weder als „schikanös“, „bedrückend“ oder „unnötig belastend“ bewertet werden kann (BVerfG NStZ 1987, 275) und die übrigen unter Rn. 5–25 genannten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Arbeitsauflagen mit der Begründung, dem Betroffenen das Unrecht der Tat zu Bewusstsein zu bringen und Genugtuung zu leisten, sind danach als Erziehungsmaßregel nach § 10 unzulässig (OLG Karlsruhe Die Justiz 1988, 488 ff.; BGH MDR 1976, 634; KG NJW 1965, 29; BayObLG StV 1984, 254). Eine Arbeitsweisung nach § 10 ist nur dann zulässig, wenn dadurch des Jugendlichen Einstellung zur Arbeit beeinflusst werden kann (BGH, OLG Karlsruhe, KG, BayObLG a.a.O.) und wenn sie die Betroffenen dazu erzieht, dass diese als „selbstverantwortliche Personen innerhalb der menschlichen Gemeinschaft ihr Leben führen können“ (vgl. BVerfGE 7, 198 [205]; 52, 131 [168 f.]; BVerfG NStZ 1987, 275).

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      Aus den zu Rn. 5–25 genannten allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen ergibt sich weiterhin, dass die geforderte Arbeitsleistung nicht unzumutbar sein darf. Zwar gilt das JArbSchG nicht (Potrykus NJW 1956, S. 654; allg.M.); gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 ist jedoch eine unzumutbare Überbeanspruchung hinsichtlich Art und Dauer der Arbeitsleistung zu

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