Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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der speziellen Maßregel, sondern mit der Förderung und Sicherung der Erziehung begründet wird (s. auch Rn. 19, 56; a.A. Brunner/Dölling § 10 Rn. 9; Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 320 Beispiel 3; OLG Braunschweig Nds Rpfl 1969, 236; s. Rn. 19; wie hier vergleichbar OLG Hamm – 2 Ws 134-137/215 = StV 2016, 666 m.w.N.). Aus der abschließenden Regelung in den §§ 61 ff. StGB, die für das JGG zudem auf § 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 StGB beschränkt sind (§ 7), hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei um Maßregeln der Besserung und Sicherung handelt und deren einschneidenden Eingriffsgehalt durch fest umgrenzte Tatbestände abschließend bestimmt. Diese eindeutige gesetzliche Zweckbestimmung kann nicht durch Richterspruch in ein rein erzieherisches Ziel modifiziert werden. Der gesetzliche Zweck der Maßregeln der Besserung und Sicherung ändert sich nicht dadurch, dass sie als Weisung ausgesprochen werden. Der Gesetzesumgehung wäre so mit der einfachen Behauptung, die die Wirkungen der speziellen Maßregelnorm enthaltende Weisung habe nun ausnahmsweise rein erzieherische Wirkung, Tür und Tor geöffnet (van Els NJW 1968, 2156 f.).

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      Dementsprechend sind Weisungen unzulässig, die einem Berufsverbot (§ 70 StGB) gleichkommen (OLG Hamm NJW 1955, 34; a.A. für das Erwachsenenstrafrecht: OLG Hamburg NJW 1972, 168; OLG Hamm JMBlNW 1969, 285; BGHSt 9, 258). Dies gilt jedenfalls für die Weisungen nach § 10, weil das JGG ein Berufsverbot ausdrücklich ausschließt (§ 7) und eine entsprechende Weisung der gesetzlichen Intention zuwiderliefe (s. auch Rn. 31).

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      Desgleichen ist eine Weisung, die in ihrer Wirkung dem Entzug der Fahrerlaubnis oder dem Fahrverbot gleichkommt, nicht nur dann unzulässig, wenn sie ganz oder überwiegend der Sicherung des Straßenverkehrs dient (OLG Düsseldorf NJW 1968, 2156 f.; OLG Braunschweig NdsRpfl 1969, 235; OLG Köln JMBlNW 1964, 221), sondern auch dann, wenn der Erziehungsgedanke überwiegt (siehe Rn. 17, 56; Bruns GA 1959, 226 [Fahrerlaubnisentzug „auf kaltem Wege“]). Dies folgt auch aus dem richtungsbestimmenden Katalog in § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 bis 9, bei dem der Gesetzgeber davon abgesehen hat, Weisungen zu normieren, die inhaltlich den Maßregeln der Besserung und Sicherung gleichkommen. Für die besonderes häufigen Fälle von Verkehrsverstößen (§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 9) hat er ersichtlich auf erzieherisch sicherlich sinnvolle Weisungen der Art verzichtet, die dem Entzug der Fahrerlaubnis oder dem Fahrverbot gleichkommen (Führerschein für bestimmte Zeit zu den Akten zu geben; Fahrzeug nicht zu benutzen und dergl.).

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      Unzulässig sind auch Weisungen zu einem Verhalten, das in anderen Gesetzen abschließend geregelt ist (BayObLG NJW 1980, 2424; a.A. wohl LK-Hubrach § 56c Rn. 26 ff., 32). So ist die Weisung an einen ausländischen Jugendlichen, das Bundesgebiet zu verlassen oder für eine bestimmte Zeit nicht mehr zu betreten, rechtswidrig, weil dieser Sachverhalt im AuslG abschließend und mit anderen Zuständigkeiten geregelt ist (OLG Karlsruhe Die Justiz 1964, 90; OLG Koblenz GA 1985, 517; mit anderer Begründung LG Freiburg JR 1988, 523 f.). Die Weisung an einen wegen Zivildienstflucht aus Gewissensgründen Verurteilten, nunmehr seinen Zivildienstpflichten nachzukommen, ist rechtswidrig, weil sie, abgesehen von ihrer abschließenden Regelung im ZDG, den für die Mehrfachbestrafung von Zivildienstverweigerern aus Gewissensgründen vom BVerfG (NJW 1968, 982) aufgestellten Grundsätzen widerspricht (BayObLG NJW 1980, 2424).

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      Schließlich dürfen die Weisungen nicht in einen Lebensbereich eingreifen, der nach dem Willen des Gesetzgebers keinem staatlichen Zwang unterliegen soll (Schönke/Schröder-Kinzig § 56c Rn. 9). So wäre die – für Heranwachsende schon durchaus denkbare – Weisung, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen, abgesehen von ihrer bereits erörterten Verfassungswidrigkeit, unzulässig (arg. e. § 888 ZPO).

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      Die Weisungen müssen verhältnismäßig sein, d.h. erforderlich, zur Durchsetzung der gesetzlichen Zwecke (§ 10 Abs. 1 S. 1) geeignet und tatangemessen sein. Dies folgt generell aus dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot (Art. 20 Abs. 3 GG; BVerfG NStZ 1987, 275 f.). Wegen des Geeignetheitsgebots müssen sie so ausgestaltet sein, dass sie überwachbar sind (vgl. Nr. 2 RiJGG zu § 10).

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      Die Anordnungen dürfen keine generelle Erziehung des Betroffenen bezwecken. § 10 ist keine sozialtherapeutische Generalklausel, sondern nur eine Rechtsgrundlage für solche erzieherischen Maßnahmen, die dazu beitragen können, den Täter künftig vor der Begehung von Straftaten – insbesondere der abgeurteilten Art – und den hierfür drohenden, ggf. einschneidenderen Sanktionen zu bewahren (zuletzt BVerfG NStZ 1987, 275). Diese Beschränkung auf das individuelle Präventionsziel wurde durch die Neufassung des § 2 Abs. 1 durch Gesetz v. 13.12.2007 (BGBl. I, S. 2894) ausdrücklich klargestellt. Der pädagogischen Phantasie des Richters ist damit eine nicht zu unterschätzende Rechtmäßigkeitsgrenze gesetzt.

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      Die Weisungen müssen sowohl in ihrer erzieherischen Ausgestaltung, als auch in ihrem Ausmaß tatbezogen sein. Dies bedeutet zum einen, dass die angeordneten Erziehungsmaßnahmen gerade auf die Beseitigung derjenigen Erziehungs- und Charaktermängel abzuzielen haben, die in der Anlasstat zum Ausdruck gekommen sind. Zum anderen ist deren Unrechtsgehalt der Maßstab dafür, ob überhaupt Erziehungsmaßregeln angeordnet werden (s. § 5 Rn. 7 m.N.). Andererseits darf der Unrechtsgehalt der Tat nicht dazu führen, dass in die Erwägung über Art und Umfang der Weisung repressive Überlegungen einfließen (s. § 5 Rn. 7 m.N.). Entscheidend für Art und Umfang der Weisung ist das durch die Anlasstat sichtbar gewordene Erziehungsdefizit im Hinblick auf weitere Verfehlungen derselben oder ähnlicher Art. Nur dies darf durch die Erziehungsmaßregeln ausgeglichen werden. Ist der Unrechts- und Schuldgehalt der Anlasstat indessen so groß, dass er eigener Berücksichtigung bedarf, so ist alternativ oder kumulativ an Zuchtmittel oder Jugendstrafe zu denken (s. § 5 Rn. 7).

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