Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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zu Erziehungsmaßregeln, ohne dass der Unrechtsgehalt der Anlasstat die Erforderlichkeit sühnender Maßnahmen anzeigt (s. Rn. 24), ist eine Weisung nach Nr. 7 ausgeschlossen. Bagatellfälle haben daher regelmäßig auszuscheiden.

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      Die Weisung wird jedenfalls im Anwendungsbereich des JGG regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn eine für den Täter greifbare natürliche Person geschädigt wird (so nun auch BGH NJW 2019, 319; s. auch Steffens S. 178). Jedoch ist nicht ausgeschlossen, den Täter-Opfer-Ausgleich in geeigneten Fällen auch dann anzuordnen, wenn die Allgemeinheit oder eine juristische Person geschädigt ist (BGH NStZ 2000, 205 zu § 46a StGB). Aus erzieherischen Gründen muss dem Täter dabei allerdings bewusst sein, dass der Ausgleich mittelbar den dahinterstehenden natürlichen Personen zugutekommt. Da Nr. 7 in erster Linie der Ausgleich der immateriellen Schäden bezweckt, wird die Maßnahme in diesen Fällen nur ausnahmsweise in Betracht kommen.

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      Die Bundesländer haben Richtlinien und Verwaltungsvorschriften für die Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs erlassen, die im Internet abrufbar sind. Zur umfangreichen Literatur über den Täter-Opfer-Ausgleich (Erfahrungen, Problematik) s. etwa Dünkel ZStW (99) 1987, 845 ff.; Viet Zbl 1988, 17; Stock MschrKrim 1987, 352; Schaal/Eisenberg NStZ 1988, 49; Schreckling Zum Verhältnis von Verteidigung und Täter-Opfer-Ausgleich aus der Sicht der Kölner Konfliktregelungs-Praxis, in: Verteidigung in Jugendstrafsachen, 1987; Heinz/Huber Neue ambulante Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz, 1986 (Beiträge verschiedener Verfasser); Kuhn ZRP 1987, 267; dies. Tatsachen als Konflikt, 1989; Böttcher/Weber NStZ 1990, 564 f.; Schreckling Zbl 1990, 626 ff.; Viet DVJJ-Rundbrief 131/1990, S. 1922; BMJ (Hrsg.), Täter-Opfer-Ausgleich, 1991 (verschiedene Verfasser); BMJ (Hrsg.), Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland, 1998 (verschiedene Verfasser); Trenczek ZRP 1992, 130 ff.; Pfeiffer ZRP 1992, 338 ff.; Jung MSchKrim 1993, 50 ff.; Bunar DVJJ-J 1996, 372 ff.; Lemke DVJJ-J 1997, 68 ff.; Zirk Berliner Anwaltsblatt 3/1996, 67 ff.; Wandrey DVJJ-J 3/1999, S. 274 ff.

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      Die Weisung, den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen (Nr. 8), hat den Zweck, den im persönlichen Umfeld des erziehungsbedürftigen Täters liegenden Ursachen seiner Strafbarkeit entgegenzuwirken. Wegen der Begrenzung des § 10 auf die Zwecke der Erziehung und auf das Präventionsziel ist zu ergänzen, dass ein entsprechendes Verbot sich nur auf die Personen und Lokalitäten beziehen darf, die dem Täter Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können (vgl. auch § 56c Abs. 2 Nr. 3 StGB). Zu den Personen gehören deshalb vornehmlich diejenigen, die zu der Gruppe der Opfer des Täters oder der seiner Teilnehmer gehören. So ist die Weisung an einen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Verurteilten, Personen dieser Altersgruppe nicht mehr ohne Begleitung deren Erziehungsberechtigten in seine Wohnung mitzunehmen und sogar das Verbot des Umgangs mit allen Personen einer bestimmten Altersgruppe im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung bei Erwachsenen für zulässig erachtet worden (BGH MDR 1978, 623 [Holtz]; OLG Hamburg NJW 1964, 1814). Zumindest bei Letzterem wird aber bei Jugendlichen in besonderem Maße darauf zu achten sein, dass nicht die für ihre Entwicklung unerlässliche Kontaktaufnahme mit Altersgenossen unzumutbar beschränkt wird.

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      Nr. 8 ist keine Rechtsgrundlage für ein Gebot, aus einem rechtmäßigen Verein oder sonstigen rechtmäßigen politischen oder religiösen Vereinigung auszutreten und zwar auch dann nicht, wenn die Vereinigung nach der Auffassung des Gerichts die Erziehung des Jugendlichen gefährdet und die Weisung ausschließlich erzieherische Gründe hat (absolut h.M., vgl. etwa Eisenberg § 10 Rn. 10; Streng Jugendstrafrecht Rn. 358; a.A. Dallinger/Lackner § 10 Rn. 26). Eine derartige Weisung wäre ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in uneinschränkbare Grundrechte (Art. 4, 9 GG, s. Rn. 9).

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      Auch bei der Untersagung des Besuchs von Gast- oder Vergnügungsstätten ist die Einschränkung mitzulesen, dass sich das Verbot auf diejenigen Lokale beziehen muss, die geeignet sind, Anlass oder Anreiz zu Straftaten zu geben. Dabei muss die kulturelle Anschauung des Täters und die erfahrungsgemäß spezifische Eignung bestimmter Lokale für diese Wirkungen beachtet werden. Die Weisung darf nicht dazu benutzt werden, dem Betroffenen bestimmte kulturelle Werte nahe- oder fern zu legen (s. Rn. 23).

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      Bei der Weisung, an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen (Nr. 9), hat das 1. JGGÄndG den früheren Zusatz (§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 a.F.) „bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften“ gestrichen. Damit ist – ohne die bereits bestehende Rechtslage zu verändern – klargestellt, dass die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht nach dem Willen des Gesetzgebers nicht die einzig zulässige Weisung bei einer Verletzung von Verkehrsvorschriften durch die Anlasstat sein soll (BT-Drucks. 11/5829, S. 17 f.). Dem verkehrsrechtlich straffällig gewordenen Jugendlichen oder Heranwachsenden können daher auch weitere oder andere Weisungen im Rahmen des § 10 erteilt werden, wenn das angebracht ist. Ordnungswidrigkeiten dürfen dagegen grundsätzlich nur durch Geldbußen geahndet werden (OLG Köln VerkMitt 1976 Nr. 51).

VI. Weitere Weisungen

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      § 10 befugt nach seinem Wortlaut („insbesondere“) zu weiteren, in § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 1–9 nicht ausdrücklich geregelten Weisungen. Dabei ist der Richter nicht frei, sondern an die oben zu Rn. 5–26 dargelegten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, insbesondere auch an die richtungsgebende Natur des Weisungskatalogs in den Nr. 1–9 gebunden (s. Rn. 26). So ist nach der Rspr. (die angegebenen Entscheidungen sind, soweit sie für das allgemeine Strafrecht ergangen sind, auf Weisungen nach § 10 übertragbar) insbesondere zulässig, dem Betroffenen aufzugeben, binnen zwei Monaten eine Bescheinigung seines Arbeitgebers über die Aufnahme und Art der Arbeit oder aber eine Bescheinigung des zuständigen Arbeitsamtes über die Meldung als Arbeitssuchender vorzulegen (OLG Koblenz OLGSt § 57 Nr. 6); einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nachzugehen (OLG Hamm MDR 1985, 692 = NStZ 1985, 310 f. [zur Verfassungsmäßigkeit dieser Weisung s. Rn. 30 m.w.N. aus der Rspr. des BVerfG]); die Weisung an eine werdende Mutter, sich nach der Entbindung um eine versicherungspflichtige Tätigkeit zu bemühen (LG Würzburg NJW 1983, 463 f. [in dem konkreten Fall war allerdings die Betreuung

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