Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

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Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer Praxis der Strafverteidigung

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Der den Konsiliararzt hinzuziehende Arzt haftet also für eigene Behandlungs-, aber auch Auswahlfehler. • Wer als Konsiliararzt einen Auftrag übernimmt, muss sicherstellen, dass er insoweit die notwendige Fachkunde und, falls erforderlich, die gebotene apparative Ausstattung besitzt. Anderenfalls läge ein Übernahmeverschulden vor. • Mit der konsiliarischen Hinzuziehung (zu einer rein beratenden Tätigkeit oder einer speziellen Maßnahme)[174] wird der betreffende Fachvertreter nicht zum mitbehandelnden oder behandelnden Arzt. Zuständig für die Aufklärung, Überwachung und Behandlung bleibt vielmehr derjenige Arzt, in dessen Obhut oder Abteilung der Patient sich befindet[175]. Das folgt schon daraus, dass der Konsiliarius meist nur „allgemein eine Behandlung vorschlägt, während die Einzelheiten wie Dosierung und Dauer der Medikation“ vom behandelnden Arzt bestimmt werden[176] und daher von ihm auch die vorgeschlagene Behandlung oder Medikation zu überprüfen ist[177]. • Der Konsiliarius ist grundsätzlich gehalten, den behandelnden Arzt in einem Arztbrief über das Ergebnis seiner Untersuchungen zu unterrichten bzw. sonst für einen umfassenden Informationsaustausch zu sorgen[178]. • Der Konsiliararzt, der um eine spezielle und konkret beschriebene Maßnahme gebeten wurde, darf von einer sorgfältigen Indikationsstellung ausgehen[179] und hat deshalb „die vom primär behandelnden Arzt gestellte Indikation zur konsiliarärztlichen Maßnahme grundsätzlich zu akzeptieren, es sei denn, der überweisende Arzt überlässt ihm die Prüfung der Frage, welche diagnostische oder therapeutische Maßnahme in Betracht zu ziehen ist.[180] Seinerseits muss der Facharzt, der selbstständig[181] und eigenverantwortlich seine Tätigkeit ausübt,[182] daher auch aufklären und natürlich den Patienten und überweisenden Kollegen über notwendige Weiterungen der Behandlung oder der Diagnostik informieren. Dabei bedeutet die Bindung des hinzugezogenen Arztes an den Überweisungsauftrag „nicht, dass dessen Tätigkeit lediglich auf die technische Ausführung des Auftrages begrenzt, die Funktion des hinzugezogenen Arztes also lediglich in der eines Werkzeuges ohne eigene Verantwortung zu sehen ist. Der hinzugezogene Arzt übernimmt vielmehr im Rahmen des Überweisungsauftrages in gewissem Umfang eigenständige Pflichten. Er bestimmt in eigener Verantwortung nicht nur die Art und Weise der Leistungserbringung, sondern er muss auch prüfen, ob die von ihm erbetene Leistung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht und nicht etwa kontraindiziert ist. Ebenso muss er prüfen, ob der Auftrag von dem überweisenden Arzt richtig gestellt ist und dem Krankheitsbild entspricht. Keinesfalls darf ein Arzt, der an der Richtigkeit einer ihm übermittelten Diagnose oder Indikationsstellung Zweifel hat oder haben muss, diese auf sich beruhen lassen (… mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen …)“.[183] • Umgekehrt darf aber auch derjenige Arzt, der den Konsiliarius einschaltet, wie allgemein im Rahmen ärztlicher Teamarbeit,[184] auf dessen Fachwissen und besondere Erfahrung vertrauen, es sei denn, diesem unterläuft ein offensichtlicher Diagnose- oder Behandlungsfehler. Es widerspräche nicht nur dem Vertrauensgrundsatz, sondern auch den sich aus dem Übernahmeverschulden ergebenden Konsequenzen, wenn man denjenigen Arzt, der den Spezialisten als Konsiliarius hinzuzieht, nicht zugleich von seiner strafrechtlichen Verantwortung entlasten würde. Allerdings ist insoweit zwischen eindeutig bzw. leicht oder nur schwer diagnostizierbaren bzw. zu behandelnden Krankheiten zu unterscheiden: • Ist das Krankheitsbild klar, sind die Befunde zweifelsfrei im Sinne einer bestimmten Krankheit zu deuten, gehört ihre Kenntnis zum „Standardwissen“ jedes Arztes, erkennt es aber weder der primäre behandelnde noch der Konsiliararzt, haften beide strafrechtlich, wenn der Patient stirbt oder einen Gesundheitsschaden erleidet[185]. • Ist die Diagnose schwierig, das Krankheitsbild diffus, sind die Symptome nicht eindeutig und nur von einem Spezialisten mit dem nötigen Wissen und der nötigen Erfahrung zu erkennen, geht die Verantwortung vom primär behandelnden Arzt auf den Konsiliarius über mit der Folge, dass ihn allein der strafrechtliche Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. • Zu berücksichtigen ist ferner, ob die eingetretene Komplikation in das Fachgebiet des primär behandelnden oder des Konsiliararztes fällt. Ist sie für den das Konsil beantragenden Arzt „fachfremd“, darf er auf den Rat des Kollegen vertrauen, es sei denn, es handelt sich um so evidente, geläufige Befunde, dass sie jeder Arzt erkennen muss (dann aber wird sich in der Praxis regelmäßig wohl kaum die Frage des Konsils stellen!). Ein praktisches Beispiel mag diese Grundsätze veranschaulichen:

      Im Anschluss an eine gynäkologische Operation waren am 3. und 4. postoperativen Tag mehrere Krankheitssymptome aufgetreten, die in gleicher Weise für eine Endomyometritis wie für eine Peritonitis sprachen. Der Gynäkologe zog daraufhin den Chirurgen als Konsiliarius hinzu, der jedoch die schleichende Peritonitis nicht erkannte, sondern zum Abwarten riet. Als sich am 5. postoperativen Tag die Situation plötzlich drastisch verschlimmerte und die typischen Peritonitis-Symptome (brettharter Bauch, Fieber, Erbrechen, frequenter Puls und Blutdruckabfall) auftraten, überwies der Gynäkologe die Patientin in ein größeres Krankenhaus, wo sie jedoch wenig später verstarb.

      Sowohl der Gynäkologe als auch der Chirurg haben eine falsche Diagnose gestellt. Für die Frage, ob der Gynäkologe sich durch die Hinzuziehung des Chirurgen als Konsiliararzt von strafrechtlicher Verantwortlichkeit befreien kann, kommt es darauf an, ob das Krankheitsbild verschleiert, unklar, diffus oder „ganz klar“ und eindeutig war. Ist Letzteres anzunehmen, wäre auch der Gynäkologe wegen fahrlässiger Tötung strafbar, wenn die übrigen Strafbarkeitsvoraussetzungen, insbesondere die Kausalität der unterlassenen frühzeitigeren Einweisung in ein großes Krankenhaus, für den Tod gegeben sind. Insoweit kann der Vertrauensgrundsatz keine Anwendung finden, zumal der Gynäkologe die klinische Vorgeschichte der Patientin und den genauen postoperativen Verlauf bis zum Konsil kannte.

      War die Peritonitis dagegen nicht eindeutig am 3. und 4. postoperativen Tag und damit für jeden Arzt erkennbar, durfte der Gynäkologe auf den Rat des hinzugezogenen chirurgischen Konsiliarius vertrauen, so dass ihm keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden kann. Er hat vielmehr richtig gehandelt, da er seine Zweifel selbstkritisch durch die Einschaltung eines Facharztes manifestierte und damit klar zum Ausdruck brachte, dass er „nicht mehr weiterwußte“, sondern auf den Rat eines „Fachmannes“ angewiesen war. Dann aber muss insoweit auch der Vertrauensgrundsatz seine Wirkungen entfalten und ihn von strafrechtlicher Haftung freistellen.

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      Als Delegationsfehler ist systematisch zwischen einem

1. Auswahlverschulden (Delegation auf einen ungenügend qualifizierten Mitarbeiter),
2. Instruktions- bzw. Informationsmängeln und einem
3. Überwachungsverschulden (mangelnde Kontrolle der Aufgabenerledigung)

      zu unterscheiden, wobei sich allgemein auch Koordinationsmängel realisieren können.

      Dies betrifft die vertikale Arbeitsteilung zum einen innerhalb der ärztlichen Hierarchie und zum anderen zwischen ärztlichem und nichtärztlichem Bereich.

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