Arztstrafrecht in der Praxis. Klaus Ulsenheimer

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Arztstrafrecht in der Praxis - Klaus Ulsenheimer Praxis der Strafverteidigung

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Da vom Operateur keine besonderen und ausdrücklichen Anweisungen für die postoperative Betreuung der Patientinnen erteilt worden waren, sah das OLG in diesem Kontrolldefizit einen „grundlegenden Organisationsmangel“, der „in erster Linie dem verantwortlichen Gynäkologen anzulasten“ sei. Die Tatsache, dass die Anästhesistin „gewisse Kontrollmaßnahmen durchgeführt und dokumentiert“ habe, „entband den Gynäkologen nicht von der Verpflichtung, seinerseits eine funktionierende Überwachung zu gewährleisten“.[136] Die Klage hatte gegen beide Ärzte Erfolg.

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Der Anklagevorwurf bezog sich auf die Zahnbehandlung bei einem 10-jährigen Mädchen in der Praxis eines Zahnarztes/Oralchirurgen unter Beteiligung eines Anästhesisten zur Durchführung einer Vollnarkose. Nach Abschluss der Zahnbehandlung und Ausleitung der Narkose sei die kleine Patientin in einen Aufwachraum verlegt worden, wobei es sich um einen gewöhnlichen Zahnarztbehandlungsraum ohne apparative Vorrichtungen zur Überwachung von Patienten in der postoperativen Phase gehandelt haben soll. Dort habe die schlafende Patientin lediglich der kontinuierlichen Obhut ihrer Mutter unterlegen, wobei im weiteren Verlauf nur sporadische Nachfragen durch Zahnarzthelferinnen ohne fachliche Ausbildung zur Überwachung narkotisierter Patienten zum jeweils aktuellen Zustandsbild erfolgt seien. Während dessen seien der Zahnarzt und der Anästhesist durch die Behandlung eines anderen Patienten in Anspruch genommen gewesen. Nach gewisser Zeit sei die Atmung des Kindes unregelmäßig geworden und habe dann ganz ausgesetzt, was zu Reanimationsmaßnahmen führte. Anschließend erfolgte die Verlegung des Kindes in ein örtliches Krankenhaus sowie noch am gleichen Tage in eine anderweitige Kinderklinik. Dort sei sieben Tage später der Tod des Kindes wegen eines hypoxischen Hirnödems als Folge eines Herzkreislaufversagens eingetreten. Die Staatsanwaltschaft postulierte in der Anklageschrift, aufgrund eines möglichen schnellen Eingreifens habe bei dem Kind ein Herzkreislaufversagen und in der Folge der Eintritt eines hypoxischen Hirnödems mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können, wenn es postoperativ durch Apparate und Fachpersonal adäquat überwacht worden wäre. Dabei habe die ordnungsgemäße postoperative Überwachung des Kindes grundsätzlich dem Verantwortungsbereich des beteiligten Anästhesisten unterlegen, allerdings habe auch der Zahnarzt als Betreiber der Praxis sorgfaltswidrig gehandelt. Für seine Person gelte der Vertrauensgrundsatz nicht unbegrenzt. Vielmehr sei ein Einschreiten geboten, wenn der fachbereichsfremde Arzt (hier: Zahnarzt) Fehlleistungen des weiteren Arztes (hier: Anästhesist) erkennt oder diese wegen Evidenz hätte erkennen können. Darüber hinaus habe der Zahnarzt erhöhten eigenen Sorgfaltspflichten unterlegen, da er auf seiner Homepage auch hinsichtlich einer anästhesiologisch adäquaten Behandlung seiner Patienten geworben habe.

      Das LG Limburg a. d. Lahn konstatierte in II. Instanz in seinem o. a. Beschluss zur Verfahrenseinstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO allerdings unter anderem Folgendes:

       „Die umfangreich durchgeführte Berufungshauptverhandlung hat zu neuen und ergänzenden Erkenntnissen zur Komplexität des zu beurteilenden Verfahrensgegenstandes geführt. Die Sachkunde der Kammer wurde gegenüber der erstinstanzlichen Bewertung durch die Vernehmung weiterer 4 Sachverständiger u.a. auf den Gebieten der Kardiologie und Oralchirurgie erheblich und zielführend erweitert.

       Ergänzende Zeugenvernehmungen führten zudem zu neuen Erkenntnissen, die bei der Verurteilung der Angeklagten in erster Instanz nicht berücksichtigt werden konnten.

      Hinsichtlich des Behandlungsagierens des Anästhesisten wird in diesem Beschluss in Relation zum Agieren des Zahnarztes festgestellt, „naheliegender“ komme

       „eher eine fehlerhafte medizinische Beurteilung zur Verlegungsfähigkeit des Kindes in den Ruheraum durch den (angeklagten Anästhesisten) in Frage, mithin eine einmalige Fehleinschätzung“.

      Diese eventuell „einmalige Fehleinschätzung“ betraf den Aspekt, ob das Kind angesichts seines konkreten postnarkotischen Zustands „bereits“ in einen „Ruheraum“ (nicht: „Aufwachraum“, siehe oben) verlegt werden durfte.

      Neben den „erheblichsten Bedenken“ hinsichtlich einer Strafbarkeit des Zahnarztes und der Annahme einer allenfalls „naheliegend eher“ in Rede stehenden einmaligen Fehleinschätzung des Anästhesisten waren für die Kammer für eine Verfahrenseinstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO – mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der beiden Angeklagten – ein „(komplexer Ursachenzusammenhang) zwischen möglichem ärztlichen Fehlverhalten und dem Tod des Kindes“ maßgeblich. So war von den Sachverständigen in der II. (Tatsachen-)Instanz weitergehend problematisiert worden,

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dass das Kind unter einem Williams-Beuren-Syndrom litt, was eventuell Bedeutung für das Eintreten und die Beherrschbarkeit der postoperativen Komplikation hatte, und