Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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– Vorspiegeln der nachträglich entfallenden Abschlussbereitschaft: Relevanter dürfte die Fallgruppe sein, dass eine Verhandlungsseite ihre ursprünglich vorhandene Absicht zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags aufgibt, ohne ihren Verhandlungspartner darüber rechtzeitig zu informieren. Eine solche Haftung setzt zunächst eine sog. besondere Verhandlungslage voraus, die vorliegt, wenn eine Seite den Vertragsabschluss als sicher darstellt.513 Gibt dann die eine Seite ihre Abschlussbereitschaft auf, muss sie den Verhandlungspartner informieren, um ihn vor nutzlosen Vermögensdispositionen zu schützen.514 Dies hat rechtzeitig zu geschehen, nur ausnahmsweise dann, wenn die eine Seite weiß, dass der Verhandlungspartner einstweilen keine weiteren Vermögensdispositionen treffen wird, hat sie so lange eine Überlegungsfrist.515
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Nicht selten werden heutzutage Unternehmen im Rahmen eines Auktionsverfahrens verkauft.516 Eine dadurch per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers wird zwar im Schrifttum diskutiert,517 ist aber abzulehnen.
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Besondere Haftungsrisiken bestehen für den Verkäufer allerdings bei falschen oder unvollständigen Informationen zum Auktionsverfahren. Nicht nur die ausdrückliche unzutreffende Information eines Interessenten über angeblich weitere Bieter,518 sondern auch die konkludente Fehlinformation darüber können Schadensersatzansprüche nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auslösen oder dem erfolgreichen, aber zuvor entsprechend getäuschten Bieter die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ermöglichen (wenn der Bieter nachweisen kann, dass er den Unternehmenskaufvertrag ohne die Täuschung über weitere Bieter nicht oder nicht mit diesem Inhalt angeschlossen hätte519). Eine konkludente Fehlinformation über andere Bieter kann z.B. darin liegen, dass der Verkäufer eine Zahl von Verhandlungsteams benennt, die die Zahl der vorhandenen Bieter übersteigt.520 Fehlinformationen durch einen beauftragten Berater (einschließlich einer beauftragten Investmentbank) muss sich der Verkäufer zurechnen lassen.521 „Schleppt“ der Verkäufer einen chancenlosen Bieter „mit“, obwohl er mit ihm nicht mehr abschließen will, kann er ebenfalls aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haften (Täuschung über die Bereitschaft zum Vertragsabschluss).522 Der Schaden des „mitgezogenen“ Bieters dürfte insbesondere in seinen Aufwendungen im weiteren Verlauf des Auktionsverfahrens liegen. Der Ausschluss eines Bieters oder die ungleiche Zur-Verfügung-Stellung von Informationen dürfte dann keine Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB begründen, wenn sich der Verkäufer dies – wie üblich – im Process Letter523 vorbehalten hat.524 Der Verkäufer ist zwar (auch außerhalb eines Bieterverfahrens) verpflichtet, einem Bieter (wie jedem Kaufinteressenten) wesentliche unternehmensbezogene Informationen offenzulegen,525 eine darüber hinausgehende Pflicht des Verkäufers, die Bieter informationell gleich zu behandeln, besteht aber nicht. Der Verkäufer ist daher nicht verpflichtet, allen Bietern Antworten zu gezielten Fragen einzelner Bieter etwa im vorvertraglichen Auskunftsprozesses (Q&A-Process)526 zur Verfügung zu stellen.527
4.1.2 Haftung wegen fehlerhafter Aufklärung oder wegen Falschangaben
(a) Überblick
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Ansprüche aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) können zum anderen, bei Vorsatz oder Arglist des Verkäufers (denn dann gelten die unternehmenskaufvertraglichen Haftungsbeschränkungen wie etwa Freigrenzen oder Freibeträge, Haftungshöchstgrenzen, Verjährungsregelungen oder Regelungen zu Ausschlussfristen wegen der zwingenden Vorgaben der §§ 276 Abs. 3, 444 BGB nicht), auch dann Bedeutung erlangen, wenn es zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags gekommen ist.
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Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Verkäufer vorsätzlich entweder Aufklärungspflichten verletzt oder Falschangaben gemacht hat.
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Nicht selten werden Schiedsverfahren und Prozesse vor staatlichen Gerichten (auch) auf die vorsätzliche Verletzung von Aufklärungspflichten oder Falschangaben gestützt.528 Das Thema hat daher auch in der Praxis nicht zu unterschätzende Bedeutung.
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Der Käufer kann, wenn ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen vorsätzlich ist, nach der sehr käuferfreundlichen ständigen BGH-Rechtsprechung (die in der Literatur auch als „Minderungsrechtsprechung“ bezeichnet wird529) entweder Rückgängigmachung des Vertrags verlangen oder am Vertrag festhalten und den Minderwert des Unternehmens als sog. Restvertrauensschaden geltend machen.530 Zwischen beiden Rechtsfolgen hat der Käufer die freie Wahl.531 Der Käufer kann mithin an dem Vertrag festhalten und Ersatz des Schadens verlangen, der darin besteht, dass er das Unternehmen „zu teuer gekauft“ hat.532 Dieser Schadensersatzanspruch hat im Übrigen nichts mit dem in Fällen der c.i.c. grundsätzlich geschuldeten „negativen Interesse“ gemein. Vielmehr läuft die Minderungsrechtsprechung auf eine – im Gesetz keine ausdrückliche Grundlage findende533 – Vertragsanpassung hinaus, durch die der Käufer so zu stellen ist, wie er bei pflichtgemäßer Aufklärung oder richtiger Angabe stünde. Das entspricht eher dem „positiven Interesse“.534 Mit seiner „Minderungsrechtsprechung“ trägt der BGH dem Interesse des getäuschten Käufers Rechnung, der oftmals die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers erst zu einem Zeitpunkt erkennt, zu dem er das erworbene Unternehmen so weit integriert hat, dass eine Rückabwicklung, die ohnehin bei einem Unternehmenskauf einen unternehmensrechtlichen GAU darstellt, nur noch unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich ist.535 Zudem schneidet damit der BGH dem Verkäufer den Einwand ab, zu dem nach Erkennen der Täuschung durch den Käufer vom Käufer angebotenen niedrigeren Kaufpreis nicht abzuschließen bereit gewesen zu sein.536 Wegen des Vorsatzes bzw. der Arglist gilt der im Allgemeinen bestehende Vorrang der Mängelhaftung nicht.537 Ob es sich um eine unterlassene Aufklärung solcher anderen wertbildenden Merkmale handelt, die nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht werden können, ist, anders als grundsätzlich bei fahrlässigem Verschulden bei Vertragsverhandlungen,538 irrelevant. Wegen des Vorsatzes bzw. der Arglist greifen insbesondere auch die verhandelten Haftungsbeschränkungen des Kaufvertrags nicht. Die Schadenshöhe ergibt sich regelmäßig aus der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und einem angemessenen Kaufpreis, den der Käufer bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu zahlen bereit gewesen wäre.539 Dieser Differenzbetrag ist unter Berücksichtigung aller für den Unternehmenserwerb maßgeblichen Umstände nach § 287 ZPO zu schätzen.540 Seine Höhe hängt im Einzelfall insbesondere von der Bedeutung der nicht offengelegten Information ab.541
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Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Verwirklichung eines objektiven Tatbestands.542 Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit, also aktuelles Unrechtsbewusstsein, ist nach herrschender Meinung (sog. Vorsatztheorie)543 im Zivilrecht (anders als im Strafrecht, in dem die sog. Schuldtheorie gilt544) ebenfalls Voraussetzung für den Vorsatz. Bedingter Vorsatz genügt.
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Er ist schon dann anzunehmen, wenn der als möglich erkannte pflichtwidrige Erfolg billigend in Kauf genommen wird.545 Vertraut der