Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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Eine in der Praxis durchaus relevante Einschränkung der Grundsätze der Wissenszurechnung besteht bei Verschwiegenheitsverpflichtungen oder Offenlegungsverboten. Wissen, dass nur durch eine rechtsmissbräuchliche Weitergabe (also unter Verstoß gegen eine Verschwiegenheitsverpflichtungen oder ein Offenlegungsverbot) erlangt werden kann, ist nicht Gegenstand der Wissenszurechnung.655
(ii) Verhaltenszurechnung
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Außerdem muss sich der Verkäufer nach § 278 BGB das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Eine Entlastung durch den Nachweis sorgfältiger Auswahl und Überwachung des Dritten sieht die Vorschrift (anders als § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Verrichtungsgehilfen) nicht vor.656 Das hat im Kontext einer Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen insbesondere bei Falschangaben große praktische Relevanz.
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Für die Qualifikation als Erfüllungsgehilfe müssen zwei Voraussetzungen vorliegen:
– Zum einen muss sich der Schuldner, hier der Verkäufer, der Person als seine Hilfsperson bedienen. Dies setzt zwar weder eine ausdrückliche Beauftragung noch einen wirksamen Vertrag mit der Person voraus. Erforderlich für die Annahme solch eines Sich-Bedienens ist aber eine einseitige, rechtsgeschäftliche Willensbetätigung. Die Rechtsprechung stellt insoweit darauf ab, ob der Dritte mit Wissen und Wollen in dem Pflichtenkreis des Schuldners tätig wird.657 In der Literatur wird die rechtsgeschäftliche Willensbetätigung als eine Art „Widmung“658 der Person durch den Schuldner bezeichnet.659 Dass der Dritte weiß, dass er durch seine Tätigkeit eine Verpflichtung des Schuldners erfüllt, ist irrelevant.660 Damit ist es auch ohne Belang, ob der Dritte vom Verkaufsprozess Kenntnis hat.661 Irrelevant ist ebenso, ob sie im Rahmen des Verkaufsprozesses gegenüber dem Käufer auftreten oder nicht.662
– Zum anderen muss das Verhalten des Dritten pflichten- und widmungsnah sein.663 Der Verkäufer haftet, was durch das Kriterium der Pflichtennähe erreicht wird, für das Verhalten des Dritten nur, soweit auch sein eigener Pflichtenkreis reicht. Dieser Pflichtenkreis ist weit auszulegen, er umfasst sämtliche Haupt- und Nebenpflichten aus dem Vertrag, einschließlich Schutz- und Obhutspflichten.664 Zum anderen muss es zwischen dem Verhalten des Dritten und der erkennbaren Widmung einen inneren Zusammenhang geben.665 Damit werden bloße Tätigkeiten bei Gelegenheit ausgeschieden.
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Praktische Anwendungsfälle, in denen die Frage nach einer Zurechnung relevant werden kann, sind etwa
– falsche Informationen, die im Rahmen einer Managementpräsentation erteilt werden,
– falsche Auskünfte im Rahmen des Q&A-Process,
– falsche Auskünfte in Expert Sessions,
– falsche Informationen, die während der Verhandlungen erteilt werden, oder auch
– falsche Informationen in Pausengesprächen bei Verhandlungen.
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Für die Zurechnung nach § 278 BGB kommt es in jedem Einzelfall darauf an, wer sie erteilt hat, und ggf. zusätzlich zum einen auf die Pflichtennähe und den inneren Zusammenhang der Informations- oder Auskunftserteilung:
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Eine eindeutige Zurechnung kann bei den Organmitgliedern des Verkäufers angenommen werden. Sie ergibt sich für Kapitalgesellschaften bereits aus § 31 BGB. Bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Personenhandelsgesellschaften folgt sie aus einer analogen Anwendung des § 31 BGB.666 Einer Zurechnung nach § 278 BGB bedarf es nicht. Die Vorschrift findet auch keine Anwendung.667
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Dies soll nach der Rechtsprechung auch für Repräsentanten des Verkäufers gelten. Das sind Personen, denen bedeutsame, wesensmäßige Funktionen zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und die insoweit den Verkäufer repräsentieren.668
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Nach der wohl herrschenden Lehre sollen dazu auch alle Mitglieder des Projektteams des Verkäufers zählen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit den ihnen konkret zugewiesenen Aufgaben tätig werden.669 Die Widmung oder das Sich-Bedienen soll dadurch pauschal erfolgt sein, dass sie der Verkäufer in das Projektteam aufgenommen hat. Ist für den Käufer ohne weiteres erkennbar, dass ein Mitglied des Projektteams Auskünfte zu einem Bereich erteilt, für den er für den Käufer ersichtlich nicht zuständig ist, soll im Einzelfall eine Zurechnung nach § 242 BGB entfallen können.670 Stringenter dürfte es sein und auf der Linie der Rechtsprechung liegen, die Frage für jedes Mitglied des Projektteams im Einzelfall anhand der oben dargestellten Kriterien zu überprüfen.671 Das mag dazu führen, dass im Regelfall Mitglieder des Projektteams Erfüllungsgehilfen des Verkäufers sind. Fehlt es aber am inneren Zusammenhang oder an der Pflichtennähe, was für den Käufer regelmäßig erkennbar sein sollte, scheidet eine Zurechnung nach § 278 BGB aus. Je erkennbarer dies für den Käufer ist, umso weniger schutzbedürftig ist er.672 Eines Rückgriffs auf § 242 BGB bedarf es nicht. Neben Mitarbeitern aus dem Unternehmen des Verkäufers kommen beauftragte externe Investmentbanker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte oder andere externe Berater als Erfüllungsgehilfen in Betracht.673 Auch bei ihnen dürfte eine pauschale Zurechnung als Erfüllungsgehilfe zu weit gehen. Vielmehr sind auch bei ihnen die oben dargestellten Kriterien im Einzelfall zu prüfen. Erteilen sie, für den Käufer erkennbar, außerhalb der ihnen zugewiesenen Pflichtenkreise (konkret: der ihnen zugewiesenen Verhandlungs- oder Aufklärungshilfe) Auskünfte oder Informationen, kann im Einzelfall eine Zurechnung ausscheiden.674 Auch hier gilt: Je erkennbarer dies für den Käufer ist, umso weniger schutzbedürftig ist er.675