Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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Vorsätzliches Verhalten liegt erst recht in einem bewussten „Stehenlassen“ oder gar Fördern eines erkennbaren Irrtums des Käufers.549
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Arglist – als eine Ausprägung des Vorsatzes, die Rechtsprechung zum Verschulden bei Vertragsverhandlungen unterscheidet nicht immer zwischen beiden Begriffen550 – ist das Wissen, dass gemachte Angaben unzutreffend sind, obwohl sie für die Entschließung des Vertragspartners bedeutsam sind.551 Arglist erfordert Vorsatz, aber keine Absicht.552 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt ein Verkäufer auch arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben macht.553 Der (bedingte) Vorsatz muss sich dabei auf die zu offenbarenden Umstände und die Tatsachen beziehen, die dazu führen, dass der Käufer den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände nicht geschlossen hätte, nicht aber auf die Existenz der Aufklärungspflicht.554
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Abzustellen ist bei alledem nicht nur auf den Verkäufer (bei natürlichen Personen auf diese selbst, bei juristischen Personen auf das Organ der juristischen Person), sondern auch auf Personen, deren Verhalten sich der Verkäufer zurechnen lassen muss. Dies sind seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) und seine Wissensvertreter (§ 166 BGB analog).555 Zudem muss er sich das üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien556 festgehaltene Wissen in seinem Unternehmen zurechnen lassen557 und es kommt zu einer Wissenszusammenrechnung. Mit anderen Worten: Dass „der Verkäufer selbst“ die offenzulegende Informationen kennt, was ja denklogische Grundvoraussetzung einer Aufklärungspflicht ist (man kann nicht über etwas aufklären, das man selbst nicht weiß), ist im Rahmen der Aufklärungspflichten irrelevant, weil Kenntnis nach der Rechtsprechung anzunehmen ist, wenn Wissen dem Verkäufer nach diesen Grundsätzen zuzurechnen ist.558 Darauf wird näher einzugehen sein.
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Kommt es zu Post-M&A-Streitigkeiten und stehen Aufklärungspflichtverletzungen im Raum, spielen Fragen der Beweislast regelmäßig eine große Rolle. Den Käufer, der eine Aufklärungspflichtverletzung behauptet, trifft die Darlegungs- und Beweislast dahingehend, dass eine Aufklärungspflicht bestand, aber die Aufklärung unterblieben ist.559 Nicht darzulegen und zu beweisen hat der Käufer hingegen den subjektiven Tatbestand, also das zumindest bedingt vorsätzliche Verhalten des Verkäufers.560 Insoweit muss sich nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verkäufer entlasten. Auch die Kausalität (zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsschluss) muss der Käufer nicht darlegen und beweisen. Hinsichtlich der Beweislast bei der haftungsausfüllenden Kausalität hilft dem Käufer ebenfalls die Rechtsprechung, weil der Käufer im Regelfall nicht in der Lage sein wird, nachzuweisen, wie sich die Parteien bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätten.561 Wenn er am Vertrag festhält, ist er so zu behandeln, als wäre ihm bei Kenntnis der Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen.562 Der Käufer muss also nicht beweisen, dass sich die Parteien bei zutreffender Aufklärung auf einen niedrigeren Kaufpreis oder sonstige günstigere Bedingungen geeinigt hätten. Deshalb kann sich der Verkäufer auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass er den Kaufvertrag zu einem niedrigeren Preis oder sonstigen günstigeren Bedingungen nicht abgeschlossen hätte.563
(b) Falschangaben
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Falschangaben (die zur besseren Abgrenzung zu Aufklärungspflichten regelmäßig aber redundant als „positive Falschangaben“ bezeichnet werden) führen, trotz ihres hohen Risikoprofils, in Rechtsprechung und Literatur zum Unternehmenskauf ein Schattendasein.564 Sie können auch bei formbedürftigen Verträgen außerhalb der Vertragsurkunde gemacht werden, auch bloß mündlich.565 Für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ausreichende Falschangaben können etwa im Rahmen der Q&A, der Management-Präsentation, der Expert Sessions, bei den Verhandlungen aber auch bei bloß formlosen „Pausengesprächen“566 während einer Verhandlungsunterbrechung gemacht werden.
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Macht der Verkäufer falsche Angaben über das Zielunternehmen, ist darin eine Verletzung der aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis erwachsenden Pflicht zur Rücksichtnahme zu sehen.567 Ein dagegen schuldhaft verstoßender Verkäufer macht sich nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsschluss) ersatzpflichtig. Das gilt auch dann, wenn keine Aufklärungspflicht besteht.568 Den Verkäufer trifft also die Pflicht, dem Käufer auf ausdrückliche Nachfrage die richtige Auskunft zu geben.569 Kann oder will er eine Frage nicht beantworten, muss er die Antwort verweigern oder sich mit Nichtwissen erklären.570 Halbwahre Antworten sind falsche Antworten.571 Weitere Fälle in der Kategorie „Falschangaben“, für die man Aufklärungspflichten nicht bemühen muss, sind falsche Angaben über Gewinn und Umsatz,572 die Vorlage einer falschen Bilanz573 oder falsche Angaben über Gesellschaftsschulden.574
(c) Verletzung von Aufklärungspflichten
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Eine auch praktisch große Bedeutung haben die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Aufklärungspflichten:
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Die Rechtsprechung verlangt vom Verkäufer, trotz der naturgemäß entgegengesetzten Interessen über bestimmte Umstände ungefragt aufzuklären, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte.575 Das ist der Fall, wenn die (offenzulegenden) Umstände den Vertragszweck des Kaufinteressenten vereiteln können und daher für seinen Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte.576 Die Rechtsprechung tendierte in der jüngeren Vergangenheit dazu, den Kreis der Aufklärungspflichten eher zu vergrößern und beim Unternehmenskauf von einer „gesteigerten Aufklärungspflicht“ mit strengem Sorgfaltsmaßstab auszugehen.577 Begründet wird dies mit der Schwierigkeit der Bewertung der Zielgesellschaft durch den außenstehenden Kaufinteressenten, dessen besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen sowie den typischerweise weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung für den Erwerber.578
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Allerdings hängen Bestehen und Umfang der Aufklärungspflicht in hohem Maße von den Umständen des Einzelfalls ab.579 Hat der Kaufinteressent ausreichend Zeit für eine eigene Due Diligence, findet er einen geordneten, vollständigen, strukturierten Datenraum vor, wird er von erfahrenen Beratern unterstützt, sinken die Anforderungen.580 Soll der Transaktionsprozess vereinbarungsgemäß schnell und ohne vertiefte Due Diligence durchgeführt werden, sind die Anforderungen besonders streng.581
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Die genauen Konturen der von der Rechtsprechung angenommenen „gesteigerten Aufklärungspflichten“ sind – für den Verkäufer: gefährlich – unscharf.582