Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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![Unternehmenskaufvertrag - Christoph Louven Unternehmenskaufvertrag - Christoph Louven Betriebs-Berater Schriftenreihe/ Wirtschaftsrecht](/cover_pre1174612.jpg)
– das Verschweigen einer erheblichen Schuld, etwa einer Steuerschuld,584
– das Nichtoffenlegen sämtlicher Verbindlichkeiten in einer angespannten finanziellen Lage der Zielgesellschaft,585
– das Verschweigen eines unmittelbar vor Vertragsschluss eingetretenen Umsatzrückgangs um 40 %,586
– das Verschweigen der desolaten wirtschaftlichen Situation der Zielgesellschaft,587 insbesondere eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,588
– unter Umständen das Verschweigen der charakterlichen Unzuverlässigkeit eines leitenden Angestellten,589
– das Verschweigen eines Geschäftsführervertrags, der die Gesellschaft über mehrere Jahre mit erheblichen Kosten belastet,590
– die bewusste Verheimlichung von Compliance-Verstößen, also etwa Verstößen gegen das Kartellrecht, das Datenschutzrecht, Außenwirtschaftsrecht sowie Korruptionsvorschriften, wenn daraus das Risiko empfindlicher Bußgelder, Reputationsschäden oder einer Gefährdung des Geschäftsmodells erwächst.591
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Zahlreiche weitere Sachverhalte werden insbesondere in der Literatur zu M&A-Streitigkeiten vorgestellt.592
(d) Aufklärung durch Verschaffung der Gelegenheit zur Due Diligence?
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Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung593 bestehen Ansprüche wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nicht, wenn der Käufer Gelegenheit zur Informationsbeschaffung hatte. Insbesondere soll das dann gelten, wenn der Verkäufer dem Käufer die Möglichkeit eingeräumt hat, alle für die Bewertung des Kaufgegenstands (Unternehmens) erforderlichen Informationen einzusehen594 und sämtliche auftretenden Fragen mit qualifizierten Auskunftspersonen zu besprechen. Jedenfalls bei einem erfahrenen Käufer soll der Verkäufer durch solch ein Verfahren seine Aufklärungspflichten erfüllen. Der Käufer gebe, wenn er eine Due Diligence durchführt, dadurch zu erkennen, dass er die für ihn wichtigen Umstände selbst beurteilen könne und wolle. Der Verkäufer könne sich daher eher darauf verlassen, dass der Käufer die für ihn relevanten Umstände erkennen und beurteilen könne und gegebenenfalls Fragen stelle.595
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Diese Auffassung übersieht, dass sich die Aufklärungspflicht ohnehin nur auf solche Umstände bezieht, die der Käufer nicht selbst ohne weiteres erkennen kann. Bei derartigen Umständen fehlen aber häufig auch im Rahmen einer Due Diligence Anhaltspunkte für eine gezielte Nachfrage.596 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sensible Daten oft nicht offengelegt und Risiken oft nicht als solche gekennzeichnet werden.597 Nicht allein durch die Verschaffung zur Gelegenheit einer Due Diligence, sondern nur durch konkrete Aufklärung im Rahmen der Due Diligence, die den allgemeinen Anforderungen der Rechtsprechung genügt, erfüllt der Verkäufer daher etwaig bestehende Aufklärungspflichten. Der Verkäufer muss daher, will er seine Aufklärungspflichten erfüllen, dem Käufer im Rahmen der Due Diligence die Informationen auf eine Weise zur Verfügung stellen, die es einem durchschnittlich aufmerksamen Käufer ermöglicht, die für seine Kaufentscheidung erforderlichen Informationen aufzunehmen.598 Ist der offenzulegende Umstand in einer Fülle von Informationen enthalten und droht dort „unterzugehen“ oder ist er systematisch im Datenraum an falscher Stelle oder aus anderen Gründen in irreführender Weise eingeordnet, erfüllt der Verkäufer seine Aufklärungspflicht regelmäßig nicht.599 Dies gilt erst recht bei „Fluten“ des Datenraums kurz vor Signing.600 Sind solche Umstände umgekehrt angemessen und fair offengelegt (fair im Sinne von rechtzeitig, an der richtigen Stelle eines geordneten, transparenten Datenraums und in einer Prominenz, die der wirtschaftlichen Bedeutung des Umstands gerecht wird), ist es Sache des Käufers, nach weiteren Informationen zu fragen.601 Selbstverständlich müssen die im Datenraum offengelegten Informationen richtig sein. Sind sie falsch, macht sich der Verkäufer bei schuldhaftem Handeln (wenn die Haftung aus c.i.c. im Unternehmenskaufvertrag ausgeschlossen ist: bei zumindest bedingtem Vorsatz) schadensersatzpflichtig.602
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Hat der Verkäufer seine Aufklärungspflichten im Rahmen der Due Diligence (also insbesondere durch angemessene und im oben beschriebenen Sinne faire Offenlegung im Datenraum) nicht erfüllt, muss sich der Käufer ggf. als Mitverschulden (§ 254 BGB) entgegen halten lassen, dass er die Due Diligence nicht sorgfältig durchgeführt hat. Dies ist dann anzunehmen, wenn es im Rahmen der Due Diligence konkrete Anhaltspunkte gegeben hat, die auf eine Wert- oder Brauchbarkeitsminderung der Zielgesellschaft schließen lassen, der Käufer diesen Anhaltspunkten aber nicht nachgeht.603
(e) Wissens- und Verhaltenszurechnung
(i) Wissenszurechnung
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Brisant kann die Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten für den Verkäufer deshalb werden, weil im Hinblick auf aufklärungsbedürftige Umstände dem Verkäufer rechtsformunabhängig
– nicht nur die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter (nach der Rechtsprechung § 166 BGB, nach anderer Ansicht § 31 BGB analog) und der rechtsgeschäftlichen Vertreter (nach § 166 BGB) des Verkäufers zugerechnet wird, sondern auch
– die Kenntnis der sog. Wissensvertreter (analog § 166 BGB) des Verkäufers,
– das üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien604 festgehaltene Wissen des Verkäufers (analog § 166 BGB) und
– unter Umständen sogar auf Wissen der Zielgesellschaft zugerechnet605 wird.
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Zudem geht die herrschende Lehre606
– von einer horizontalen Wissenszusammenrechnung aus, sodass Teilwissen von verschiedenen Wissensträgern und in verschiedenen Unternehmensabteilungen, das isoliert noch keine rechtliche Relevanz hat, „gleichsam mosaikartig“607 zusammengezogen und der Verkäufergesellschaft als Gesamtwissen zugerechnet wird.608
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Schließlich nimmt der BGH609 an,
– dass bei einer Verkäufergesellschaft, der nach den Grundsätzen der Zurechnung üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien610 festgehaltenen Wissens bestimmte Informationen zugerechnet werden, bei der gebotenen wertenden Betrachtung auch die übrigen Voraussetzungen einer Haftung für vorsätzliches Verhalten oder Arglist vorliegen, dass also in diesen Fällen der Verkäufer zugleich weiß oder doch mit der Möglichkeit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte,
– sodass sämtliche im Unternehmenskaufvertrag vereinbarten Haftungsausschlüsse und -begrenzungen wegen des Vorsatzes bzw. der Arglist des Verkäufers unbeachtlich sind.
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Zusätzlich haftet der Verkäufer nach § 31 BGB (analog) für Verschulden seiner Organe und Repräsentanten und nach § 278 BGB für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen.