Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine leistende Verwaltung in den Vordergrund stellten. Schüler des sehr konservativen Hans Helfritz war der insbesondere im Kommunal- und Polizeirecht hervorgetretene Katholik Hans Peters, der seine größte Bedeutung erst nach 1945 erreichen sollte;[297] seine Verwurzelung in einer preußischen Verwaltungstradition geriet dabei in Vergessenheit. Eine methodische „Kriegsfolge“ war ab 1918 der schärfere Blick auf die Haftung des Staates für seine Handlungen.[298] Auch die ungebrochen fortgesetzte Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Überprüfung des Ermessens knüpften an die Vorkriegsentwicklung an; 1928 behandelte die Staatsrechtslehrertagung in Wien „Überprüfung von Verwaltungsakten durch die ordentlichen Gerichte.“[299] Zukunftsweisend war der von Julius Hatschek in Göttingen und Friedrich Giese in Frankfurt geförderte Hans J. Wolff, insbesondere auch mit seiner Frankfurter Habilitationsschrift über „Organschaft und juristische Person.“[300] Eine neue Entwicklung, die ebenfalls nicht im Wandel der Staatsform ihre Ursache hatte, war die zunehmende Ausdifferenzierung des Faches, der Bedeutungsgewinn des besonderen Verwaltungsrechts. Typisch für die neuen Teildisziplinen war ein Überschneiden mit dem Zivilrecht, so im Steuer-, Sozial- oder Arbeitsrecht. Auch das Kommunalrecht erhielt eine neue Bedeutung, zum Teil im Austausch mit der Kommunalwissenschaft. Mit der öffentlichen Körperschaft setzte sich etwa der von Carl Schmitt und Fritz Marschall von Bieberstein geförderte Ernst Forsthoff,[301] mit deren erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit Arnold Köttgen[302] als Schüler von Otto Koellreutter auseinander. Auch wenn die Weimarer Republik im Rückblick eine für das Verwaltungsrecht besonders produktive Epoche war, darf ihre kurze Dauer nicht übersehen werden. Im Jahr 1919 waren selbst jüngste Vertreter der Disziplin ausnahmslos im Kaiserreich sozialisiert; dies galt auch für die älteren demokratischen Staats- und Verwaltungsrechtler Gerhard Anschütz und Fritz Stier-Somlo oder den Monarchisten Helfritz. Die erste Generation, die zeitlich ganz von „Weimar“ geprägt war, darunter Forsthoff, Hans-Peter Ipsen und Wolff, erlebte als „Berufsanfänger“ mit unterschiedlichen Konsequenzen 1933 das Ende der Weimarer Republik. Ipsens Lehrer, der noch im Kolonialrecht des Kaiserreichs sozialisierte Kurt Perels, wählte im September 1933 den Freitod;[303] er zählte zu den Vertretern des Verwaltungsrechts, für die es keinen Platz mehr geben durfte.

      69

      Der neue Landrat

      Zur preußischen Landtagswahl am 24. April 1932 ließ die SPD ein Plakat drucken, auf dem ein „altes“ und ein „neues Preußen“ in der Karikatur kontrastiert wurden. Die bunten Bilder waren von launigen Versen begleitet. Nach dem Gutsherren, der seine Befugnisse als Ortspolizei missbrauchte und dem Dreiklassenwahlrecht folgte eine Szene auf dem „Königlichen Landratsamt“:

      „Im alten Preußen beim Landrat: „Sie Mann“ Er blickt einen durch das Monokel an‚ Wat wollen Se? – Lauter! Gott soll euch verdammen. Erst nehmen Sie mal die Knochen zusammen! Mit solchem Dreck kommt zu MIR Ihr hier her? Marsch – schert Euch hinüber zum Sekretär.‘“

      Vor dem am Schreibtisch Weinflasche und Zigarre sitzenden arroganten Landrat, standesgemäß mit Monokel, Bratenrock und Stehkragen, standen drei Arbeiter in gebückter Haltung. Im „neuen Preußen“ war der Landrat ein nüchterner Beamter im gewöhnlichen Straßenanzug, der mit den drei Arbeitern an einem Tisch saß und auf Augenhöhe redete:

      „Der neue Landrat kein Einglas trägt Auch sind seine Hände nicht wohlgepflegt. Doch kann man bei ihm sich gemütlich setzen Und wird belehrt nach Recht und Gesetze. Wollt wieder zitternd Ihr angeschnauzt sein Vom Junker-Hochmut? – Dreimal Nein!“[304]

      Die SPD hatte aus der Defensive plakatiert; bei der folgenden Landtagswahl sollte sie lediglich 21,1 % gegenüber 29 % bei den Wahlen 1928 erhalten, die NSDAP mit 36,6 % dagegen mit Abstand stärkste Partei werden. Gemeinsam mit der KPD, die ihren Stimmenanteil auf 12,8 % geringfügig ausbauen konnte, hatten antidemokratische Parteien eine destruktive Mehrheit im preußischen Landtag erhalten. Die SPD hatte allen Grund, vor „Junker-Hochmut“ in Amtsstuben zu warnen, wenige Wochen später, nach dem „Preußenschlag“ am 20. Juli 1932, regierten konservative Staatskommissare Preußen.[305] Die Nationalsozialisten kamen auf dem Plakat nur am Rande vor; bei der Landtagswahl 1928 hatten sie nur 1,8 % erhalten. Das Plakat schien Otto Mayers berühmten Satz widerlegen zu wollen; der Wechsel der Verfassung hat Auswirkungen auf die Verwaltung. Um Mayer war es der SPD sicher nicht gegangen, in ihrem Bild von Verwaltung war sie diesem allerdings unfreiwillig gefolgt. Das Landratsamt, zentrale Behörde der preußischen Verwaltung in Republik wie Monarchie, war danach Sitz einer obrigkeitlich auftretenden, befehlenden und eingreifenden Verwaltung;[306] der Unterschied vom altem zum neuen Preußen wird an nicht zu unterschätzenden Stilfragen wie dem persönlichen Gespräch mit dem Landrat festgemacht. In der Geringschätzung des subalternen Beamten, des „Sekretärs“, steht das Plakat in der Tradition der Bürokratiekritik, ein in der Weimarer Republik beliebtes Genre.[307]

      70

      Verwaltungsreform

      Tatsächlich hatte die SPD in der Weimarer Republik nicht ohne Erfolg erhebliche Bemühungen unternommen, für die Verwaltung demokratische Beamte zu gewinnen. Das wichtigste Schlagwort zur Verwaltung der Weimarer Republik war allerdings nicht „Demokratisierung“, die von nahezu allen politischen Lagern in irgendeiner Form bemüht wurde und als Unterscheidungskriterium kaum tauglich ist. Eine grundsätzliche „Verwaltungsreform“ war das große Anliegen der Weimarer Republik. Diese blieb in großen Teilen unvollendet. Der heutige Blick auf die Weimarer Republik und ihre Verfassung ist wohlwollend, milder als das Urteil der unmittelbaren Nachkriegsjahre.[308] Aber auch zeitgenössische Kritik wurde an der WRV keineswegs nur geübt, um sie zu diskreditieren. Auch ein überzeugter Befürworter der Republik wie Walter Jellinek betonte 1930 nach einem Lob der „Verfassung als Ganzem“ die „Unhaltbarkeit des Neben- und Gegeneinanderregierens von Reichs- und Landesbehörden“,[309] machte seine Kritik also an der Verwaltung fest. Die WRV war im Grunde für einen anderen Staat geschrieben: ein Deutsches Reich mit Kolonien, das sich bald mit Österreich zu einem der größten Staaten Europas zusammenschließen wird, eine unitarische Republik mit kodifiziertem Arbeitsrecht, Reichsverwaltungsgericht, starker Reichseigenverwaltung, dafür in naher Zukunft ohne Preußen. Die Realität der WRV sah anders aus.

      71

      

      Sozial- und Steuerstaat

      Die WRV war noch in anderer Hinsicht für einen anderen Staat geschrieben, nämlich einen Staat mit ausreichenden finanziellen Mitteln, wie es das Deutsche Reich und seine Gliedstaaten bis 1914 waren, bei allerdings erheblich weniger Ausgaben auf dem Gebiet der leistenden Verwaltung. Die staatlichen Aufgaben hatten in Relation zum Kaiserreich erheblich zugenommen; nichts verdeutlicht dies mehr als die Lektüre des zweiten Hauptteils der WRV und der Grundrechte der konstitutionellen Verfassungen, die bis 1918 galten. Auch wenn die Konsequenzen des „interfraktionellen Parteiprogramms“[310] in der Verfassung noch nicht feststanden, war doch allen Beteiligten klar, dass dies mit erheblichen Kosten verbunden sein würde. Die Verwaltung der mit hohen Kriegsfolgelasten konfrontierten Republik leistete Beachtliches und Bleibendes. Die leistende Verwaltung auf dem Gebiet des Sozialrechts war ausgebaut worden, bis zu der völlig neuen Reichsarbeitsverwaltung. Und weil dafür Geld gebraucht wurde, war bereits zu Beginn eine Reichsfinanzverwaltung mit Reichssteuern gebildet worden. Auch die Gemeinden sollten in der Weimarer Republik eine kurze Blüte kommunaler Verwaltung erleben. Vieles war aber mit geliehenem Geld finanziert. Durch die wirtschaftliche Entwicklung ab 1929 waren diese Probleme potenziert worden.[311] Als Signatur der Weimarer Republik wurde die Krise bezeichnet.[312] Die Verwaltung war weder Ursache der Krise noch ihr Bestandteil, weniger Verwaltung der Krise als eine gute Verwaltung in einer schlechten Zeit.[313]

      72

      Vom Allgemeinen zum

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