Grundlagen des Internationalen Steuerrechts. Sebastian Korts
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Gemäß § 147a Abs. 2 AO100 haben Steuerpflichtige, die allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Abs. 3 AO ausüben können, die Aufzeichnungen und Unterlagen über diese Beziehung und alle damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben sechs Jahre aufzubewahren.
b) Konsequenzen von Verrechnungspreisberichtigungen
Bei Verrechnungspreisberichtigungen fehlt die Pflicht zur korrespondierenden Gewinnberichtigung, denn Art. 9 Abs. 2 OECD-MA, der eine solche Gewinnberichtigung vorsieht, wurde in der deutschen Abkommenspraxis häufig nicht umgesetzt.101
In dem BMF-Schreiben zur Korrektur von Einkünften gemäß § 1 AStG vom 14.07.2021102 ist eine Gegenberichtigung ausdrücklich vorgesehen. Passt der Steuerpflichtige aufgrund einer Berichtigung der Einkünfte durch eine ausländische Steuerverwaltung seine künftigen Verrechnungspreise an, unterliegt der Vorgang der Aufzeichnungspflicht gemäß § 90 Abs. 3 AO. Eine nachträgliche Gegenberichtigung ist nur anzuerkennen, soweit sie nach deutschem Steuerrecht materiell- und verfahrensrechtlich zulässig ist.
Auf DBA-Ebene besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens, aber vielfach wird dies keine wirkliche Hilfe darstellen, z.B. wegen langer Verfahrensdauer, erheblichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen und den vielfach verfahrensrechtlich begrenzten Möglichkeiten im Ausland zur Änderung, selbst wenn eine Lösung gefunden wird. Damit droht eine materielle Belastung durch Doppelbesteuerung, daneben ist weiterhin mit Zinsen auf Steuernachforderungen (6 % p.a., §§ 233a, 238 AO; nicht abzugsfähig, § 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG) zu rechnen. Möglich sind auch Rückwirkungen im Verhältnis zu Drittstaaten und Rückwirkungen auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss (§ 285 Nr. 21 HGB, IAS 12.88). Dies wiederum führt zu erheblicher Rechts- und Planungsunsicherheit (z.B. beim Unternehmensverkauf).
Hier greift auf europäischer Ebene die Streitbeilegungsrichtlinie103 ein, die ein verbessertes System zur Beilegung von Streitigkeiten im Bereich der Doppelbesteuerung in der EU beinhaltet, insbesondere wird nun ein breiteres Spektrum an Fällen erfasst, welche zuvor nicht erfasst waren (z.B. Betriebsstättenqualifikationskonflikte), denn die Richtlinie erfasst alle Verteilungsnormen der DBA. Die Richtlinie gibt eindeutige Fristen für die Erzielung einer verbindlichen Einigung über die Lösung von Doppelbesteuerungsfragen vor. Kommt eine Einigung nicht zustande, ist dem Steuerpflichtigen die Durchführung eines Schiedsverfahrens möglich, dessen Schiedsspruch verbindlich ist, wenn sich die beteiligten Staaten auf keine alternative Lösung einigen können.104 Diese Richtlinie gilt neben den DBA und der Schiedskonvention und gilt für Beschwerden, die ab dem 01.07.2019 eingereicht wurden und betreffend Steuerjahre ab dem 01.01.2018. Im Zuge der deutschen Umsetzung der Streitbeilegungsrichtlinie wurde das EU-Doppelbesteuerungsabkommen-Streitbeilegungsgesetz (EU-DBA-SBG) vom 10.12.2019105 erlassen. Das BMF hat am 27.08.2021 eine Neufassung des Merkblatts zu internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren veröffentlicht,106 das neben Anwendungsfragen für internationale Verständigungs- und Schiedsverfahren nun auch Streitbeilegungsverfahren nach dem EU-DBA-SBG umfasst.
c) Inhalt der Dokumentationspflicht von Preisen
Die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV)107 enthält Konkretisierungen der Dokumentationspflichten.
Der Steuerpflichtige hat zur Erfüllung seiner Dokumentationspflichten von (Verrechnungs-) Preisen (Angemessenheitsdokumentation gem. § 90 Abs. 3 Satz 2 AO) Vergleichsdaten, soweit vorhanden oder mit zumutbarem Aufwand aus frei zugänglichen Quellen beschaffbar, heranzuziehen, § 1 Abs. 1 Satz 2 GAufzV. Weiterhin hat der Steuerpflichtige gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 GAufzV Daten aus vergleichbaren Geschäften zwischen fremden Dritten sowie aus vergleichbaren eigenen Geschäften mit fremden Dritten (z.B. Preise und Geschäftsbedingungen, Kostenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen, Nettospannen, Gewinnaufteilungen) darzulegen.
d) Einsatz von Verrechnungspreisrichtlinien
§ 2 Abs. 3 Satz 5 GAufzV bestimmt, dass Verrechnungspreisrichtlinien als Bestandteil der Aufzeichnungen verwendet werden können, wenn für eine Gruppe verbundener Unternehmen dem Fremdvergleichsgrundsatz genügende innerbetriebliche Verrechnungspreisrichtlinien, die für die einzelnen Unternehmen eine oder mehrere geeignete Methoden vorgeben, bestehen. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Richtlinien zur Preisermittlung tatsächlich befolgt werden. In diesen Fällen kann auf geschäftsvorfallbezogene Einzelaufzeichnungen verzichtet werden (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 6 GAufzV).
Nach Ansicht der Finanzverwaltung108 ist eine solche Verrechnungspreisrichtlinie jedoch nicht anwendbar auf außergewöhnliche Geschäftsvorfälle und Dauerschuldverhältnisse; diese sind jeweils gesondert zu dokumentieren.
e) OECD-Masterfile-Konzept: Vorgaben und Ziele
Mit der Neufassung des Kapitels V der OECD-Richtlinien zur Dokumentation von Verrechnungspreisen vom 05.10.2015 hat die OECD in Umsetzung der BEPS-Maßnahme 13 die Grundlage für das OECD-Masterfile-Konzept geschaffen. Ziel ist die Vereinheitlichung der bereits bestehenden nationalen Dokumentationsvorschriften. Verfolgt wird ein dreistufiger Dokumentationsansatz bestehend aus Masterfile, Localfile und CbC-Template (Country-by-Country-Formular).
Die Leitlinien der OECD-Verrechnungspreisdokumentation sind im Wesentlichen:
– der Fremdvergleichsgrundsatz ist bei der Preisfestsetzung und der Überprüfung der Fremdüblichkeit zu beachten; insbesondere soll die Preisermittlung im Vorhinein erfolgen (sog. Ex-ante-Ansatz);
– die Dokumentation muss Informationen enthalten, die eine angemessene Risikoabschätzung und damit die Auswahl von Prüffeldern durch die Steuerbehörden ermöglichen;
– die Dokumentation muss Informationen enthalten, die eine Prüfung von Verrechnungspreissachverhalten durch die Steuerbehörden ermöglichen.
Das Masterfile ist die Kerndokumentation und enthält standardisierte Informationen, die für alle Unternehmen der Gruppe von Bedeutung sind, wie z.B. Organisationsstruktur, Geschäftsmodell, immaterielle Wirtschaftsgüter, Finanzierungen. Es enthält daneben die Beschreibung aller im Konzern vorhandenen Advance Pricing Agreements und sonstiger verbindlicher Auskünfte durch die Finanzverwaltungen.
Das Localfile ist die detaillierte landesspezifische Dokumentation und enthält alle relevanten Informationen für die Verrechnungspreisanalyse konzerninterner Transaktionen zwischen der lokalen Einheit und verbundenen Unternehmen.
Das Country-by-Country-Reporting (CbCR) wurde international erstmals für Wirtschaftsjahre ab 2016 eingeführt. Die OECD hat dazu entsprechende Leitlinien zur Umsetzung veröffentlicht.109 Per Ende Oktober 2020 haben weltweit bereits über 90 Länder die Vorschriften zum CbCR entsprechend gesetzlich umgesetzt, wobei diese Zahl noch stetig wächst.110 Der User Guide for Tax Administrations and Taxpayers111 enthält Formulare für die