Grundlagen des Internationalen Steuerrechts. Sebastian Korts
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h) Anwendung der Regelungen zum sog. Verzögerungsgeld
Angesichts der Regelung zum Verzögerungsgeld in § 146 Abs. 2c AO muss jedes betroffene Unternehmen Beweisvorsorge treffen und die Voraussetzungen für die Vorlage angeforderter Unterlagen schaffen. Nach der Rechtsprechung ist das Verzögerungsgeld ein Druckmittel eigener Art mit einem repressiven und präventiven Charakter. Die Pflichterfüllung nach der Festsetzung des Verzögerungsgeldes stehe dessen Beitreibung nicht entgegen, da § 335 AO, wonach der Vollzug eines Zwangsmittels nach Pflichterfüllung einzustellen ist, keine Anwendung finde.128 Bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes sind nach der Rechtsprechung alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere Verschuldensaspekte zu berücksichtigen.129
II. Erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht
1. Gesetzliche Grundlage: § 2 AStG
Der Begriff der „inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstättenfiktion“ in § 2 Abs. 1 Satz 2 AStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2009130 eingeführt als Reaktion des Gesetzgebers auf ein Urteil des BFH,131 wonach gewerbliche Einkünfte stets einer Betriebsstätte zuzuordnen sind und eine solche im Zweifel in der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte gegeben ist. Nach dieser BFH-Rechtsprechung käme es bei den meisten gewerblichen Einkünften im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht mangels inländischer Betriebsstätte zu keiner Erfassung im Inland (z.B. bei deutschen Sportlern und Künstlern im Niedrigsteuerland).
Gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 AStG sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf die der gesonderte Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG anzuwenden ist, ausdrücklich vom Progressionsvorbehalt ausgenommen. Durch Satz 3 bleibt die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs vom Kapitalertrag auch im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht erhalten (von den dortigen Ausnahmen abgesehen).
2. Tatbestandsvoraussetzungen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht betrifft natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegen, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, mindestens fünf Jahre innerhalb der letzten zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren und in ein Niedrigsteuergebiet ziehen und wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland haben.
Ob die betreffende Person in ein Niedrigsteuergebiet zieht, also in ein Gebiet, in dem eine niedrige Besteuerung vorliegt, wird durch folgende Vergleichsrechnung ermittelt: Ausgangspunkt ist die Steuerbelastung eines ledigen Steuerpflichtigen in dem betreffenden Ausland mit einem steuerpflichtigen Einkommen von 77.000 EUR. Diese Steuerbelastung wird verglichen mit der Steuerbelastung eines in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen unter den gleichen Voraussetzungen. Ist die ausländische Steuerbelastung um mehr als ein Drittel geringer, handelt es sich um ein Niedrigsteuergebiet.
§ 2 Abs. 3 AStG nennt drei Alternativen, die wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland begründen, dies ist das Betreiben eines inländischen Gewerbebetriebes, das Erzielen inländischer Einkünfte, wenn diese 30 % der Gesamteinkünfte oder 62.000 EUR überschreiten, oder wenn inländisches Vermögen vorliegt, dessen Erträge 30 % des Gesamtvermögens oder 154.000 EUR übersteigen.
3. Rechtsfolgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht
Besteht erweiterte beschränkte Steuerpflicht, so unterliegt die betreffende Person für weitere zehn Jahre nach Ende des Wegzugsjahres der (erweiterten beschränkten) Steuerpflicht in Deutschland. Besteuert werden dabei alle Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte im Sinne des § 34d Abs. 1 EStG sind, jedoch nur, wenn sie über 16.500 EUR im Jahr liegen, § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG.
Die für Ausländer (ohnehin) geltende beschränkte Steuerpflicht gemäß §§ 1 Abs. 4, 49 EStG wird bei Wegzug aus Deutschland für einen begrenzten Zeitraum erweitert auf die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 1. HS EStG ohne die ausländischen Einkünfte gemäß § 34d EStG, wenn die Voraussetzungen des § 2 AStG vorliegen.
Fallbeispiel:
Ein unbeschränkt Steuerpflichtiger wechselt seinen Wohnsitz zum 31.12.2005 aus Deutschland in ein Niedrigsteuerland. Vom Wegzug bis fünf Jahren nach Wegzug, also bis 31.12.2010, besteht gemäß § 1 Abs. 4 EStG beschränkte Steuerpflicht und gemäß § 2 AStG die erweiterte beschränkte Steuerpflicht. Ab fünf Jahren nach Wegzug bis zehn Jahre nach Wegzug, also vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2015, gilt nur noch gemäß § 2 AStG die erweiterte beschränkte Steuerpflicht.
Beschränkte und erweiterte beschränkte Steuerpflicht können auch wechseln, z.B. wenn ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz zunächst in ein nicht niedrig besteuerndes Gebiet und später von dort aus in ein niedrig besteuerndes Gebiet verlegt.132
Der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen nach Auffassung der Finanzverwaltung alle anderen Einkünfte, die nicht ausländische Einkünfte nach § 34 EStG133 (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) sind, und die unter Einbeziehung der durch § 49 Abs. 1 EStG erfassten Einkünfte, die der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen (Gesamtliste).134
Die Ermittlung der Einkünfte, die der (erweiterten) beschränken Steuerpflicht unterfallen, wird wie folgt vorgenommen. Zunächst wird die Frage gestellt, ob Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 EStG vorliegen.135 Ist diese Frage zu bejahen, so unterliegen diese Einkünfte der beschränkten Steuerpflicht. Wird diese Frage verneint, so ist zu fragen, ob es sich um Einkünfte gemäß § 34d EStG handelt. Ist diese Frage zu bejahen, so besteht keine Steuerpflicht in Deutschland. Ist diese Frage zu verneinen, so unterliegen die Einkünfte der erweiterten beschränkten Steuerpflicht. Hinweis: die Kataloge der §§ 49 Abs. 1 und 34d EStG überschneiden sich, § 49 EStG ist im Verhältnis vorrangig.
III. Behandlung ausländischer Zwischengesellschaften (§§ 7ff. AStG)
1. Einleitung und Überblick
Das Außensteuerrecht ermöglichte in den 60/70er Jahren ein Steuersparmodell, bei dem in einem DBA-Staat mit besonders günstiger Besteuerung für vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften eine Kapitalgesellschaft gegründet wurde, deren wesentliche Aufgabe das Halten und Verwalten von Vermögen war. Die erzielten Erträge unterlagen im Ausland nur einer relativ niedrigen oder gar keiner Ertragsteuer und wurden mit Hilfe des DBA-Schachtelprivilegs körperschaftsteuer- und gewerbesteuerfrei ins Inland ausgeschüttet. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers folgte 1972 mit der Einfügung der §§ 7 bis 14 AStG über die Hinzurechnungsbesteuerung für unbeschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen mit einer sogenannten ausländischen Zwischengesellschaft.
– Ist die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung europarechtskonform?136
Der EuGH hat mit Urteil vom 26.02.2019137 auf eine Vorlage des BFH138 hin entschieden, dass die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter ohne Möglichkeit eines Motivtests in Drittstaatensachverhalten nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. In dem dem EuGH vorgelegten Fall war eine deutsche GmbH zu 30 % an einer Schweizer AG beteiligt. Diese erzielte Einkünfte aus abgetretenen Geldforderungen, die vom Finanzamt zulasten der GmbH als Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden. Gemäß § 8 Abs. 2 AStG ist seit 2008 für Beteiligungen an Zwischengesellschaften aus EU- und EWR-Staaten eine Entlastungsmöglichkeit durch einen