Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf. Patrick Boll
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Vor diesem Hintergrund bedarf es aus Sicht des Autors weiterhin einer rechtsvergleichenden Auseinandersetzung mit der Thematik. Sie dient dem Ziel, gerade auch mittelständischen Unternehmen die Chancen und Möglichkeiten einer ihren Vorstellungen bestmöglich entsprechenden Vertragsgestaltung aufzuzeigen.
B. Gegenstand und Ziel der Untersuchung
Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die rechtsvergleichende Untersuchung der hinsichtlich der Vertragsabwicklung bestehenden Unterschiede, welche sich bei Geltung des UN-Kaufrechts (CISG) gegenüber der Geltung des unvereinheitlichten deutschen Handelskaufrechts (HGB und BGB) ergeben. Der Aufbau der Untersuchung orientiert sich an der Struktur des CISG. Ausgangspunkt sind die hinsichtlich Rechtswahl und Vertragsgestaltung beachtlichen Art. 1-88 CISG.
Betrachtet wird zudem, inwieweit sich beim Warenkauf in der Volksrepublik China – Warenkauf eines in Deutschland niedergelassenen Käufers bei einem in China niedergelassenen Verkäufer – Besonderheiten ergeben. Einbezogen wird dieser Teilaspekt in Anbetracht der wachsenden Bedeutung Chinas als Handelspartner Deutschlands9 sowie in Anlehnung an den beruflichen Hintergrund des Autors.
Ergänzend werden die in Abhängigkeit des geltenden Rechts bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Einbeziehung sowie der inhaltlichen Geltung von Einkaufs- und Verkaufsbedingungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) untersucht.
Das Ziel der Untersuchung ist, die sich aus den einzelnen Vorschriften ergebenden wesentlichen Unterschiede herauszuarbeiten und die jeweiligen Vor- und Nachteile für den Käufer und den Verkäufer aufzuzeigen. Der Rechtsvergleich soll dem Anwender in der Praxis insoweit als Entscheidungshilfe hinsichtlich der Rechtswahl sowie der Vertragsgestaltung in Bezug auf internationale Kaufverträge dienen.
Die Untersuchung der betreffenden Rechtsnormen findet in Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Schrifttum statt.
Teil 2: Das CISG im Rechtsvergleich
A. Anzuwendendes Recht
Das auf einen Sachverhalt mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat anzuwendende Recht bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts (IPR).10 Die betreffenden Kollisionsnormen sind für das deutsche IPR größtenteils im EGBGB enthalten.11 Dieses verweist übrigens i.S.d. Art. 3 EGBGB auf das vorrangig geltende vereinheitlichte europäische IPR und auf zu innerstaatlichem Recht gewordene völkerrechtliche Vereinbarungen.
Hinsichtlich internationaler Kaufverträge verweist Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB auf die Rom I-VO12. Durch die Vorschriften der für alle EU-Staaten mit Ausnahme Dänemarks geltenden VO wird das IPR bezüglich des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts für den Anwendungsbereich i.S.d. Art. 1, 2 Rom I-VO europaweit einheitlich geregelt. Insoweit sind die in der Rom I-VO enthaltenen Kollisionsnormen in Bezug auf Kaufverträge i.S.d. Art. 1 Rom I-VO vorbehaltlich vorrangiger Rechtsakte einschlägig. Die Rom I-VO folgt mit der i.S.d. Art. 3 Rom I-VO normierten freien Rechtswahl dem Grundsatz der Parteiautonomie. Treffen die Parteien keine Rechtswahl, unterliegen Kaufverträge über bewegliche Sachen i.S.d. Art. 4 I lit. a Rom I-VO dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Umstritten ist, ob Art. 25 I Rom I-VO auch den Vorrang des CISG einschließt.13 Nach aktueller Rechtslage führen jedoch die zustimmende sowie die ablehnende Ansicht zum gleichen Ergebnis.14
Das deutsche IPR verweist weiter auf ebenso vorrangig zu behandelnde Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen i.S.d. Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Das CISG stellt mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz vom 5.7.1989 über die Zustimmung zu dem Übereinkommen sowie dessen Inkrafttreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1.1991 einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag dar.15 Der Anwendungsbereich des CISG ergibt sich i.S.d. Art. 1-6 CISG.
B. Anwendungsbereich
Die Art. 1-6 CISG (Teil I, Kapitel I) enthalten die Vorschriften hinsichtlich des Anwendungsbereichs des CISG. Damit haben diese Vorschriften in Bezug auf den hier vorzunehmenden Rechtsvergleich keine unmittelbare Relevanz. Ausgehend von der Zielsetzung dieser Arbeit ist das Kapitel aus Sicht des Autors gleichwohl von Bedeutung. Seine Vorschriften normieren neben dem Anwendungsbereich des Übereinkommens seinen Regelungsbereich16 und die Möglichkeiten parteiautonomer Vereinbarungen bezüglich der Rechtswahl sowie der Gestaltung einzelner Bestimmungen. Insoweit sind die Regelungen grundlegend hinsichtlich der Gestaltung internationaler Kaufverträge und des auf sie anzuwendenden Rechts. Über die betreffenden Vorschriften hinaus wird im Folgenden die diesbezügliche Rechtslage im Falle des Warenkaufs durch eine in Deutschland niedergelassene Vertragspartei bei einer in China niedergelassenen Vertragspartei betrachtet.
I. Anwendungsvoraussetzungen
Die im CISG erstgenannten Anwendungsvoraussetzungen betreffen den sachlichen Anwendungsbereich. Dieser umfasst i.S.d. Art. 1 I Hs. 1 CISG Kaufverträge über Waren. Eine ausdrückliche Definition der beiden Begriffe enthält das CISG nicht.17 Die Definition des Kaufvertrags ergibt sich insoweit aus den i.S.d. Art. 30, 53 CISG normierten Pflichten der Vertragsparteien.18 Als Waren gelten zum Zeitpunkt der Lieferung bewegliche körperliche Sachen.19 Eine Erweiterung erfährt der sachliche Anwendungsbereich unter den Voraussetzungen i.S.d. Art. 3 CISG in Bezug auf Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware. Vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen sind die in Art. 2 CISG aufgeführten Anwendungsausschlüsse.
Ungeachtet der Kriterien für die sachliche Anwendbarkeit des CISG grenzt Art. 4 CISG dessen sachlichen Geltungsbereich ab. Dieser umfasst i.S.d. Art. 4 S. 1 CISG ausschließlich den Abschluss des Kaufvertrages sowie die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Art. 4 S. 2 CISG stellt klar, dass das CISG insbesondere und soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist weder Fragen materieller Gültigkeit noch die Wirkung der Verträge auf das Eigentum an der verkauften Sache regelt.20 Vorbehaltlich einer anderslautenden Parteivereinbarung kommen für die Regelung der nicht dem CISG unterfallenden Rechtsfragen21 gegebenenfalls ein anderer völkerrechtlicher Vertrag oder das nach dem IPR des Forumstaates zu bestimmende unvereinheitlichte nationale Recht in Betracht.22 In Anbetracht der insoweit nicht abschließenden Regelungen des CISG sollten die Vertragsparteien eine Rechtswahl bezüglich des ihren Vorstellungen entsprechenden Subsidiaritätsstatuts treffen.
In Eingrenzung seines Geltungsbereichs wird die Anwendung des CISG auf die Haftung des Verkäufers für Personenschäden i.S.d. Art. 5 CISG ausgeschlossen.
Art. 1 I lit. a und lit. b CISG normieren den räumlichen Anwendungsbereich des CISG. Als Grundvoraussetzung und einzige Anforderung an die Internationalität des Kaufvertrags müssen dessen Vertragsparteien ihre Niederlassungen unter Maßgabe der Art. 1 II, 10 CISG in verschiedenen Staaten haben.23 Der räumliche Anwendungsbereich des CISG ist dann gegeben, wenn es sich bei diesen Staaten i.S.d. Art. 1 I lit. a CISG zudem um Vertragsstaaten handelt oder wenn das maßgebliche IPR i.S.d. Art. 1 I lit. b CISG zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führt. Die letztere Variante steht dabei unter dem Vorbehalt einer entgegenstehenden Erklärung i.S.d. Art. 95 CISG. Vorbehaltlich Art. 92, 93 CISG ist die Eigenschaft eines Vertragsstaates nach überwiegender Ansicht gegeben, wenn das CISG im jeweiligen Staat i.S.d. Art. 99 II CISG in Kraft getreten ist.24
Das CISG stellt entsprechend Art. 1 III CISG grundsätzlich keine Anforderungen an den persönlichen Anwendungsbereich.
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