Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf. Patrick Boll
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II. Prinzipien der Partei- und Privatautonomie
Das CISG findet im Rahmen seiner Anwendungsvoraussetzungen grundsätzlich unmittelbar Anwendung, ohne dass es einer entsprechenden Rechtswahl der Vertragsparteien bedarf.25 Dieser Grundsatz wird durch das i.S.d. Art. 6 Var. 1 CISG normierte Prinzip der Parteiautonomie durchbrochen.26 Die Parteien können das CISG hierdurch mit oder ohne der Wahl eines stattdessen auf den Vertrag anzuwendenden Rechts abbedingen, wobei sich dieses im letzteren Fall insoweit nach dem Kollisionsrecht des Forums bestimmt.27 Um hiermit verbundene Schwierigkeiten auszuschließen, sollten die Parteien jedoch eine wirksame und eindeutige Rechtswahl treffen.28 Dabei ist allein die Wahl einer nationalen Rechtsordnung eines Vertragsstaates für die Abbedingung des CISG nach ganz herrschender Meinung nicht ausreichend, da dieses als Bestandteil einer solchen Rechtsordnung im Rahmen seines Anwendungsbereichs anzuwenden ist.29
Aus Art. 6 CISG ergibt sich zudem die Möglichkeit, das CISG ungeachtet seiner Anwendungsvoraussetzungen als das auf den Vertrag anzuwendende Recht zu wählen, soweit seine Anwendung dem Kollisionsrecht des Forums nicht entgegensteht.30 Das CISG wird insofern Bestandteil des Vertrags, wobei die zwingenden Vorschriften des maßgeblichen nationalen Rechts Vorrang haben.31
Wie bereits angeführt, ist generell eine eindeutige Rechtswahl zu empfehlen. Ungeachtet möglicher Schwierigkeiten bei einer kollisionsrechtlichen Bestimmung des anzuwendenden Rechts, ist eine solche regelmäßig mit finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Gleichzeitig liegt es im Interesse der Parteien, dass das ihren Vorstellungen entsprechende Recht zur Anwendung kommt. Findet das CISG Anwendung, ist aufgrund dessen nicht abschließender Regelungen zudem die Wahl eines subsidiär wirkenden und insoweit eingreifenden Rechts sinnvoll.32
Art. 6 Var. 2 CISG statuiert das Prinzip der Privatautonomie, aus welchem sich die Vertragsfreiheit ergibt.33 Die sich für die Vertragsparteien aus dieser Vorschrift ergebenden Freiheiten werden nur in wenigen Punkten begrenzt. Ausdrücklich von der Disposition der Parteien ausgeschlossen ist Art. 12 CISG.
Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts ergibt sich der Grundsatz der Privatautonomie für die vertragsgestaltenden Parteien i.S.d. Art. 2 I GG.
III. Anwendungsbereich beim Warenkauf in China
Die Volksrepublik China hat das CISG am 30.9.1981 unterzeichnet, die Bundesrepublik Deutschland am 26.5.1981. Am 11.12.1986 hat China das CISG genehmigt. Am selben Tag erfolgte dessen Ratifikation durch Italien und die USA. Damit waren die Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Übereinkommens selbst i.S.d. Art. 99 I CISG sowie für dessen Inkrafttreten in China i.S.d. Art. 99 II CISG zum 1.1.1988 erfüllt. Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte das CISG am 21.12.1989. In Kraft getreten ist es dort i.S.d. Art. 99 II CISG am 1.1.1991.
China und Deutschland sind folglich Vertragsstaaten des Übereinkommens, womit der räumliche Anwendungsbereich i.S.d. Art. 1 I lit. a CISG gegeben ist. Im Rahmen seines sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs ist das CISG damit unmittelbar und ohne Vorschaltung des Kollisionsrechtes anwendbar.34 Beim Warenkauf einer in Deutschland niedergelassene Vertragspartei bei einer in China niedergelassenen Vertragspartei bestimmen sich die nicht durch das CISG geregelte Fragen, vorbehaltlich des Art. 7 II Var. 1 CISG, i.S.d. Art. 7 II Var. 2 CISG i.V.m Art. 4 I lit. a Rom I-VO ebenso wie i.S.d. chinesischen IPR35 nach dem am 29.12.1999 in Kraft getretenen Vertragsgesetz der Volksrepublik China. Die bewusste Wahl des subsidiär eingreifenden Rechts ist zu empfehlen.
In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob die Sonderverwaltungsregionen Hongkong und Macau als Gebietseinheiten der Volksrepublik China auch als Teile des Vertragsstaates China und damit dem CISG unterliegend zu betrachten sind.36 China hat in Bezug auf die beiden 1997 und 1999 übernommenen Gebietseinheiten Hongkong und Macau bisher keine Erklärung i.S.d. Art. 93 I, II CISG abgegeben.37 Nach einer verbreiteten Ansicht erstreckt sich das CISG folglich i.S.d. Art. 93 IV auch auf diese Gebietseinheiten.38 Die Gegenmeinung beruft sich auf die gemeinsamen Erklärungen der Regierungen Chinas und des Vereinigten Königreichs vom 20.06.1997 sowie Chinas und Portugals vom 13.12.1999 über die Fortsetzung der Anwendung von Verträgen auf die jeweiligen Sonderverwaltungsregionen39, worin das CISG nicht aufgeführt ist.40 Somit besteht hinsichtlich der unmittelbaren Geltung des CISG in Hongkong und Macau keine hinreichende Rechtssicherheit. Die Vertragsparteien sollten diese durch eine wirksame und eindeutige Rechtswahl insoweit sicherstellen.
C. Allgemeine Bestimmungen des Übereinkommens
Die Art. 7-13 CISG (Teil I, Kapitel II) regeln allgemeine Bestimmungen bezüglich der Anwendung des CISG, welche insbesondere die Auslegung und Lückenfüllung, die Bindung an Gebräuche und Gepflogenheiten sowie die Form betreffen.
I. Auslegung und Lückenfüllung
Art. 7 I CISG normiert für die Auslegung des CISG drei Grundsätze. Mit der Berücksichtigung seines internationalen Charakters sowie der Förderung seiner einheitlichen Anwendung wird, ungeachtet nationaler Vorschriften und Hintergründe, seine autonome und einheitliche Auslegung bestimmt.41 Der dritte Grundsatz besteht in der Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel.42 Keine einheitliche Auffassung besteht in der Frage, wie umfassend dieser Grundsatz zu sehen ist.43 Trotz seiner Verortung in den allgemeinen Bestimmungen und der teilweise entsprechend vertretenen Ansicht, der Grundsatz gelte nur für die Auslegung des CISG,44 betrifft er nach verbreiteter Meinung auch das Verhältnis der Parteien untereinander.45 Vor dem Hintergrund international unterschiedlicher Auffassungen zum Grundsatz von Treu und Glauben und dem Ziel einer einheitlichen Anwendung des CISG, sollte dieser Grundsatz nicht überdehnt werden.46 Nach einer Ansicht sind das Verständnis und die durchschnittlichen Kenntnisse eines mit dem internationalen Handel vertrauten Teilnehmers an demselben maßgeblich.47 Nach verbreiteter Ansicht schließt der Grundsatz zumindest das Verbot des Rechtsmissbrauchs sowie widersprüchlichen Verhaltens ein.48
Im unvereinheitlichten deutschen Recht hat der i.S.d. § 242 BGB als Generalklausel normierte Grundsatz von Treu und Glauben den Stellenwert eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der über das Schuldrecht hinaus für das Privatrecht insgesamt und teilweise weitergehend anwendbar ist.49 § 157 BGB verweist hierauf hinsichtlich der Auslegung von Verträgen. Im Ergebnis sollten sich zwischen BGB und CISG diesbezüglich keine wesentlichen Unterschiede ergeben.50
Hinsichtlich der im CISG nicht entschiedenen Fragen bezüglich im CISG geregelter Gegenstände verweist Art. 7 II CISG vorrangig auf die dem CISG zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze, welche sich unter anderem aus Art. 6, 7 I, 11 CISG ergeben.51 Mangels entsprechender Grundsätze verweist Art. 7 II Var. 2 CISG als ultima ratio auf das nach dem IPR anzuwendende nationale Recht.52 Die bewusste Wahl des subsidiär wirkenden Rechts ist daher zu empfehlen.
Neben den in Art. 7 I CISG geregelten allgemeinen Auslegungsgrundsätzen normiert Art. 8 CISG die Auslegung des Parteiwillens. I.S.d. Art. 8 I CISG bestimmt sich die Auslegung entsprechender Erklärungen oder sonstigen Verhaltens einer Partei nach deren Willen, soweit die andere Partei diesen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Kriterium für die Auslegung ist der subjektive Erklärungswille.53 Maßstab für das Kennenmüssen dieses Willens auf Seite des Erklärungsempfängers ist grobe Fahrlässigkeit.54 Hat dieser den wirklichen Willen der äußernden Partei insoweit nicht gekannt, sind deren Erklärungen oder Verhalten i.S.d. Art. 8 II CISG gemäß der Auffassung einer entsprechenden vernünftigen Person unter gleichen Umständen objektiv auszulegen. Maßgeblich ist der Horizont eines verständigen Erklärungsempfängers55 unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben