Kreuz und Rose. Anna-Katharina Dehmelt
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In der Geheimwissenschaft werden nun alle angeschlagenen Themen zusammengefasst: die Anthropologie im Kapitel ‹Wesen der Menschheit› (II), der Reinkarnationsgedanke und die Darstellung von Seelenwelt und Geisterland im Kapitel ‹Schlaf und Tod› (III), der Evolutionsgedanke im Kapitel ‹Die Weltentwickelung und der Mensch› (IV), fortgesetzt im Kapitel ‹Gegenwart und Zukunft der Welt- und Menschheits-Entwickelung› (VI), und zwischen diesen beiden Kapiteln zum Evolutionsgedanken der umfangreich und systematisch dargestellte Schulungsweg im Kapitel ‹Die Erkenntnis der höheren Welten (Von der Einweihung oder Initiation)› (V). Abgeschlossen wird das Buch von ‹Einzelheiten aus dem Gebiete der Geisteswissenschaft› (VII), die einige Themen vertieft aufgreifen. Und sieht man dann noch das Einleitungskapitel der Geheimwissenschaft, in dem es um den ‹Charakter der Geheimwissenschaft› (I) geht, als eine für die theosophisch-anthroposophischen Verhältnisse umgearbeitete Erkenntnistheorie an, so ist in der Tat in die Geheimwissenschaft das gesamte vorangegangene philosophische und theosophisch-anthroposophische Schaffen Steiners eingegangen.
Ein einheitlicher Gesichtspunkt
Neu sind in der Geheimwissenschaft insofern weniger die Inhalte, die im Einzelnen schon bekannt waren und den Mitgliedern in den genannten Aufsätzen und in Vorträgen immer wieder dargebotene Grundlagen der Anthroposophie enthalten. Neu ist insbesondere der Gesichtspunkt, unter dem Rudolf Steiner sein bisheriges Schaffen nun zusammenfasst: der der Viergliederung des Menschen in physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich und der Verwandlung der drei Leibesglieder in Geistesglieder.
So beginnt das Kapitel ‹Wesen der Menschheit› nicht mit der Dreigliederung nach Leib, Seele und Geist, sondern mit dem Aufbau der vier Wesensglieder entlang der Naturreiche, gipfelnd in der Zusammenfassung:
«Wie der physische Leib zerfällt, wenn ihn nicht der Ätherleib zusammenhält, wie der Ätherleib in der Bewußtlosigkeit versinkt, wenn ihn nicht der Astralleib durchleuchtet, so müßte der Astralleib das Vergangene immer wieder in die Vergessenheit sinken lassen, wenn dieses nicht vom «Ich» in die Gegenwart herübergerettet würde. Was für den physischen Leib der Tod, für den Ätherleib der Schlaf, das ist für den Astralleib das Vergessen. Man kann auch sagen: dem Ätherleib sei das Leben eigen, dem Astralleib das Bewußtsein und dem Ich die Erinnerung.»4
Es folgt die Differenzierung der Ich-Tätigkeit in Empfindungs-, Verstandes- und Bewusstseinsseele, die dann vertieft wird in die geistige Dreiheit von Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Diese drei geistigen Glieder werden gebildet, wo das Ich das verborgene Geistige im Offenbaren der Leiblichkeit freilegt. (Die Dreigliederung der Theosophie wird hier also durchaus integriert.) Die verwandelnde Arbeit des Ich wird in diesem Kapitel zunächst als Kulturtatsache dargestellt:
«Im Grunde besteht alles Kulturleben und alles geistige Streben des Menschen aus einer Arbeit, welche diese Herrschaft des Ich zum Ziele hat. Jeder gegenwärtig lebende Mensch ist in dieser Arbeit begriffen: er mag wollen oder nicht, er mag von dieser Tatsache ein Bewußtsein haben oder nicht.»5
Die Vierheit von physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich wird in allen folgenden Kapiteln wieder aufgegriffen, aber unter jeweils veränderten Bedingungen. Im Kapitel ‹Schlaf und Tod› werden die vier Wesensglieder in ihrer Auflösung nach dem Tod und ihrer Neubildung vor der nächsten Geburt beschrieben. Ebenfalls findet hier eine Verwandlung von physischem Leib, Ätherleib und Astralleib statt, aber anders als im vorangegangenen Kapitel, in dem diese Verwandlung als allmählich und kontinuierlich beschrieben wurde, gehen die Wesensglieder nun durch eine völlige Auflösung: Zunächst wird mit dem Tode der physische Leib abgelegt; dann löst sich nach wenigen Tagen der Ätherleib auf, nachdem er wie ein Tableau das nunmehr abgeschlossene, zu einer Ganzheit gewordene vergangene Erdenleben als innerlich stimmiges Gemälde dem nachtodlichen Bewusstsein zur Erscheinung gebracht hat; und dann beginnt die Zeit, in der der Astralleib mit all seinen Begierden, Trieben und Leidenschaften so weit geläutert wird, dass das Ich seine Verwobenheit mit dem dem Erdenleben allzu stark zugeneigten Astralleib ablegen kann. Nun kann das von jeder Anhaftung an Irdisches befreite Ich in das Geisterland eintreten, verbunden mit allen Früchten des vergangenen Erdenlebens, die nun in Keime für das künftige Erdenleben verwandelt werden, in einer Welt, die nur aus Intentionen und schlackenfreien Urbildern besteht. Hier kann das Ich sich qualifizieren, nach Maßgabe der gefassten Intentionen einen neuen Astralleib, einen neuen Ätherleib und schließlich einen neuen physischen Leib auszubilden, die den im Geistigen gebildeten Intentionen entsprechen. Das Ich im Geisterland webt mit an den Verhältnissen der eigenen Leiblichkeit und den Welt-, Kultur- und Naturverhältnissen, in die diese Leiblichkeit eingebettet sein wird.
Und auch im Evolutionskapitel sind die vier Wesensglieder der rote Faden, der das Verstehen durch die Fülle des Stoffs hindurchführt. Der Alte Saturn schildert die Bedingungen der Entstehung des physischen Leibes und des Physischen überhaupt, auf der Alten Sonne entsteht der Ätherleib, auf dem Alten Mond der Astralleib, und auf der Erde kommt das Ich hinzu. Aber es ist eigenartig: Denn das zunächst nur als Wärme erscheinende Physische des Alten Saturn hat nahezu Ich-Qualität, das Ich des Irdischen ist ohne das nunmehr fest gewordene Physische nicht zu denken. Eins steckt im anderen drin, Physisches und Ich sind von Beginn an aufeinander bezogen.
Die Wesensglieder mit dem Ich werden geschaffen von hierarchischen Wesenheiten, die als Fluchtpunkte des Denkens die Aktivität der Schöpfung einzufangen vermögen. Aber mit dem Auftreten des Ich treten die Hierarchien zurück. Nur die Weltmächte Christus, Luzifer und Ahriman umgeben den Menschen noch, zwischen ihnen ist der Mensch mehr und mehr auf sich selbst gestellt, und vollends auf sich gestellt ist er nun, was die Fortführung der Evolution in die Zukunft hinein betrifft.
Diese Zukunft wird angedeutet im Kapitel ‹Gegenwart und Zukunft der Welt- und Menschheitsentwickelung›. Es ist so knapp, wie das in die Vergangenheit gerichtete Weltentwicklungskapitel umfangreich ist. So wie das Ich im Leben zwischen Tod und neuer Geburt die Frucht des vergangenen Erdenlebens umwandelt in den Keim des nächsten, so wandelt der an der Evolution beteiligte Zeitgenosse die Früchte der Schöpfung um in Keime für die Zukunft. Aber während man es bei den Früchten der Vergangenheit mit Tatsachen zu tun hat, denen sich das Erkennen ruhig gegenüberstellen kann, so erregt, «was in der Zukunft geschieht, […] das menschliche Fühlen und Wollen.»6 Hier ist ein ganz anderer Modus menschlicher Tätigkeit gefragt: die gewonnene menschliche Freiheit achtend bei zugleich voller Verantwortungsübernahme für das Verwirklichen zukünftiger Evolution. Soweit diese gelingt, werden die zukünftigen Weltzustände Jupiter, Venus und Vulkan Verwandlungen der vergangenen Zustände Mond, Sonne und Saturn sein – im Sinne der in