Am Rio de la Plata. Karl May

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Am Rio de la Plata - Karl May

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in der Gegend, wo Frauen selbst ohne Sattel reiten oder gar sich hinter ihren Männern auf das Pferd setzen.«

      »Und das können auch Sie?«

      »Ja. Ich habe schon als kleines Mädchen, hinter meinem Vater sitzend, weite und schnelle Ritte unternommen.«

      »Nun, so steht also Ihrem Fortkommen kein Hindernis im Wege. Sennor Monteso!«

      Der Yerbatero, welchen ich rief, stand bei einem der Passagiere, mit welchem er sich im Gespräch befand. Er kam herbei und ich bat ihn, der Dame das ledige Pferd zu leihen.

      »Warum sagten Sie mir das nicht eher!« antwortete er. »Nun habe ich es verkauft an jenen Sennor, mit welchem ich sprach. Er sah, daß es unmöglich sei, zu Wagen fortzukommen. Er zählte unsere Pferde, und da er bemerkte, daß eins derselben überzählig sei, fragte er, ob wir es ihm verkaufen möchten. Ich war froh, den Hahnentreter los zu werden.«

      »Das ist höchst unangenehm. Ist der Handel nicht rückgängig zu machen?«

      »Nein, denn er hat mich bereits bezahlt. Hier sehen Sie!«

      Er öffnete die Hand und zeigte uns eine Anzahl Papierthaler, welche er in derselben hielt.

      »So kaufe ich ihm das Pferd wieder ab,« meinte die Dame. »Sollte mein Geld nicht reichen, so bitte ich Sie um einen Vorschuß, welchen ich Ihnen sofort nach unserer Ankunft in San José zurückerstatten werde.«

      »Ich stelle Ihnen meine Mittel gern zur Verfügung, Sennora,« antwortete ich. »Bitte, kommen Sie zu dem Manne! Wollen sehen, ob er sich bereit finden läßt.«

      »Er kann einer Dame ein solches Ansuchen nicht abschlagen. Thäte er es, so wäre er kein Caballero.«

      Leider hatte sie sich geirrt. Der Mann wollte lieber auf die Bezeichnung eines Caballero verzichten, als sich in den einsamen Campo setzen und, wer weiß wie lange, auf eine Gelegenheit zum Fortkommen warten. Als ich der Dame diese Erklärung mitteilte, deutete sie auf mein Pferd und sagte:

      »Dies ist von Ihren Pferden das beste und kräftigste. Wer reitet es?«

      »Ich selbst, Sennora.«

      »Glauben Sie, daß es zwei Personen tragen kann?«

      Diese Frage klärte mich über die Absicht der Dame vollständig auf. Fast hätte ich laut gelacht.

      »Es ist stark genug dazu,« antwortete ich so ernsthaft wie möglich.

      »So könnten Sie mich hinter sich aufnehmen. Ich halte mich an Ihnen fest, wenn das Sie nicht geniert. Den Hut binden Sie an den Sattelknopf. Mein Tuch breiten wir über den Sattel und die Croupe des Pferdes aus. Gehen Sie darauf ein, so können Sie meiner allergrößten Dankbarkeit versichert sein.«

      »Ich bin mit dem größten Vergnügen bereit dazu.«

      »Sind Sie in San José bekannt, Sennor?«

      »Ich war niemals dort. Ich befinde mich erst seit gestern hier im Lande.«

      »Und haben Sie schon bestimmt, wo Sie dort bleiben werden?«

      »Jedenfalls im Posthause.«

      »Nein, das dürfen Sie nicht. Das kann ich unmöglich zugeben. Sie müssen mit zu mir, um mein Gast zu sein. Ich werde Sie meinem Bruder vorstellen, und Sie sollen teil an meiner prächtigen Tertullia nehmen.«

      »Das ist nicht möglich, Sennora, weil ich dazu eines Anzuges bedarf, welchen ich nicht besitze. Ich muß mir also den Eintritt in ein Paradies versagen, welches mir mit solcher Freundlichkeit angeboten und geöffnet wird.«

      Sie strahlte im ganzen Gesichte vor Vergnügen.

      »Paradies!« sagte sie. »Alle Ihre Worte legitimieren Sie als einen Poeta! Aber dieses Paradies soll Ihnen nicht verschlossen bleiben. Sie dürfen in diesem Anzuge erscheinen. Ich werde Sie entschuldigen, und Sie können des freundlichsten Empfanges sicher sein. Also, ich reite mit Ihnen, ja?«

      »Gewiß.«

      »Und Sie nehmen meine Einladung an?«

      »Wenn ich überzeugt sein könnte, Nachsicht zu finden, ja.«

      »Sie haben nie um Nachsicht zu bitten. Sie werden die Honoratioren und hervorragenden Schönheiten der Stadt bei mir versammelt finden. Nun freue ich mich doppelt auf den heutigen Abend und auf meine Tertullia. Mein Sohn ist auch geladen und wird von Mercedes herüberkommen, wo er jetzt mit seiner Eskadron steht. Er ist Rittmeister und kommandiert unter Latorre, von welchem Sie trotz Ihres kurzen Aufenthaltes vielleicht gehört haben werden.«

      »Dies ist allerdings der Fall. Es ist möglich, daß ich Ihrem Sohne eine sehr wichtige Mitteilung zu machen habe. Haben Sie Latorre bereits einmal gesehen?«

      »Noch nicht.«

      »Dachte es mir! So scheint dem Herrn Rittmeister eine kleine Ueberraschung bevorzustehen. Doch davon später. Würden Sie mir jetzt gestatten, mich als Ihren Arzt zu betrachten? Sie sind leider im Gesicht von den Splittern der Fensterscheibe verwundet worden.«

      Ich führte die Dame an das Wasser zurück, um ihr mit ihrem Taschentuche das Gesicht vom Blute zu reinigen, und bedeckte dann die Risse der Haut mit schmalen Pflasterstreifen; ich hatte Heftpflaster bei mir. Das sah allerdings unschön aus, war aber nicht zu ändern.

      Uebrigens gehörte die Sennora ihrem Aussehen nach keineswegs zu den Xantippen. Sie war zwar lang und hager und hatte vorhin im Zorne gesprochen. Jetzt aber befand sie sich in ruhiger Gemütsstimmung und machte auf mich den Eindruck einer zwar energischen, dabei aber auch gutmütigen Dame. Sie mochte früher sogar schön gewesen sein, und ihr Benehmen bewies jetzt, daß sie die Herrin eines nach hiesigen Verhältnissen fein zu nennenden Hauses sei.

      Als wir zum Wagen zurückkehrten, sah ich, daß eins der beiden gefallenen Pferde, welches sich nicht hatte aufrichten können, ausgesträngt worden war. Man zerrte es an einem Beine auf die Seite, um dort liegen gelassen zu werden. Dabei schnaubte und stöhnte es in einer Weise, welche bewies, daß es große Schmerzen leide. Um nicht von seinen Hufen getroffen zu werden, zog man es an einem Lasso, welcher ihm um das Bein geschlungen worden war.

      »Was ist mit dem Tiere?« fragte ich.

      »Es hat sich ein Bein gebrochen,« antwortete der Mayoral. »Es kann nicht mehr gebraucht werden.«

      »Welches Bein ist es?«

      »Das hintere linke.«

      »Also grad das, an welchem Sie es zerren! Denken Sie denn nicht daran, daß Sie ihm dadurch große und unnötige Schmerzen bereiten?«

      »Pah! Ein Pferd!« antwortete er roh.

      »So! Was soll nun mit dem Pferde werden?«

      »Es bleibt liegen und mag verrecken.«

      »Und wird von den Caranchos und Chimangos bei lebendigem Leibe zerrissen. Das Tier ist, den Beinbruch abgerechnet, noch ganz gesund und kräftig. Es kann noch tagelang hier liegen, bis es verschmachtet und ihm das Fleisch von den Knochen gerissen worden ist.«

      »Das geht uns gar nichts an! Es ginge nur mich an, nicht aber Sie!«

      »Sie irren! Auch die Tiere sind Gottes Geschöpfe. Sie sind nicht da, um nur allein die Qualen des Daseins

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