Held, Verräter, Tochter . Морган Райс
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Es war eine tapfere Vorstellung, die beeindruckte. Wenn sie daran gedacht hätte, hätte sie zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht ein dutzend Kampfherren bestochen und sie zu einer angemessenen Leibwache gemacht. Das einzige Problem wäre der Mangel an Feinfühligkeit gewesen. Stephania zuckte zusammen, als ein Blutspritzer fast bis zur Brüstung des Balkons flog.
„Sind sie nicht großartig?“ fragte eine der Adligen.
Stephania erwiderte ihre Frage mit einem Blick, in dem sie alle Verachtung vereinte, die sie aufbringen konnte. „Ich denke, sie sind Idioten.“ Sie schnipste mit den Fingern in Elethes Richtung. „Elethe, Messer und Bogen. Sofort.“
Ihre Zofe nickte, und Stephania sah zu, wie Elethe und einige andere ihre Waffen und Pfeile zogen. Ein paar der Wachen, die zu ihnen gehörten, hatten aus der Waffenkammer kurze Bögen ergattert. Einer hatte eine Schiffsarmbrust, die man besser vom Deck eines Schiffs abfeuerte als von einem Balkon. Sie zögerten.
„Sie gehören doch zu uns“, sagte einer der Adligen.
Stephania riss ihm den leichten Bogen aus den Händen. „Und sie werden sowieso sterben, wenn sie sich so erbärmlich gegen die Kampfherren wehren. So geben sie uns wenigstens die Chance, zu gewinnen.“
Gewinnen war alles. Vielleicht würden die anderen das eines Tages verstehen. Vielleicht war es aber auch besser, wenn sie es nicht taten. Stephania wollte sie nicht töten müssen.
Jetzt spannte sie den Bogen so gut, wie ihr runder Bauch es zuließ. Es spielte kaum eine Rolle, dass sie den Pfeil gerade mal zur Hälfte zurückziehen konnte. Mit Sicherheit war es auch egal, dass sie sich keine Zeit zum Zielen nahm. Für die kämpfende Masse unter ihr genügte es, dass sie irgendetwas traf.
Und nicht nur das, es diente auch als Signal.
Pfeile regneten nieder. Stephania sah, wie sich einer in das Fleisch des Arms eines Kampfherrn bohrte. Er brüllte wie ein verwundetes Tier, bevor drei weitere in seine Brust drangen. Messer flogen hinab und schnitten und ritzten, gruben und bohrten; Giftpfeile flogen durch die Luft. Doch die Wirkung ihrer Ladung konnte sich kaum entfalten, da waren ihre Ziele schon von Pfeilen durchlöcherten.
Stephania sah, wie Reichssoldaten zusammen mit Kampfherren zu Boden gingen. High Reeve Scarel blickte mit unschuldigenden Augen zu ihr hinauf, als er sich an den Pfeil einer Armbrust fasste, der in seinen Magen gedrungen war. Weitere Männer fielen den Klingen der Kampfherren zum Opfer. Andere Männer fanden Lücken in ihrer Verteidigung, nur um im Moment ihres Siegs von einem Pfeilhagel ausgelöscht zu werden.
Stephania war das egal. Erst als der letzte Kampfherr zu Boden ging, hob sie ihre Hand, um den Kampf zu beenden.
„So viele…“ begann eine der Adligen und Stephania fuhr sie an.
„Sei nicht dumm. Wir haben Ceres’ Truppen lahmgelegt und das Schloss zurückerobert. Nichts anderes ist von Bedeutung.“
„Was ist eigentlich mit Ceres?“ fragte einer Wachen. „Ist sie tot?“
Stephanias Augen verengten sich bei dieser Frage, denn es war das einzige an ihrem Plan, das sie störte.
„Noch nicht.“
Sie mussten das Schloss halten bis entweder die Invasion so weit war oder die Rebellen irgendwie einen Weg gefunden hatten, zurückzuschlagen. Dann würden sie Ceres als Pfand einsetzen können oder einfach nur als Gabe, sodass die Fünf Steine von Felldust ihren Sieg vorzeigen konnten. Sie zu behalten, würde vielleicht sogar Thanos anlocken, sodass Stephania all ihrer Rache zur gleichen Zeit frönen konnte.
Das hieß, dass Ceres im Augenblick nicht sterben durfte, aber sie würde immerhin leiden.
Oh ja, das würde sie.
KAPITEL FÜNF
Ceres flog über Inseln aus sanftem Stein und einer Schönheit so einzigartig, dass sie beinahe weinen wollte. Sie erkannte das Werk der Uralten wieder, und sofort musste sie an ihre Mutter denken.
Dann erblickte Ceres sie, irgendwo dort vor ihr noch in den Dunst eingehüllt. Ceres rannte ihr nach, und sie sah, wie ihre Mutter sich umdrehte, doch sie schien noch immer nicht schnell genug zu sein, sie einzuholen.
Jetzt klaffte zwischen ihnen eine Lücke auf, und Ceres sprang mit ausgestreckter Hand. Sie sah, wie ihre Mutter die Hände nach ihr ausstreckte, und für einen kurzen Moment dachte Ceres, dass Lycine sie fangen würde. Ihre Finger berührten sich leicht und dann stürzte Ceres in die Tiefe.
Sie fiel in ein Schlachtfeld, das im vollen Gange war. Gestalten kämpften um sie herum. Dort waren Tote, deren Ableben sie anscheinend nicht davon abhielt, weiterzukämpfen. Lord West kämpfte an Ankas Seite und Rexus gegen hundert Männer, die Ceres in unzähligen Schlachten getötet hatte. Sie alle umschwirrten Ceres, kämpften gegeneinander und gegen die Welt…
Der Letzte Atemzug stand ihr bevor und der frühere Kampfherr hatte nichts von seiner düsteren und angsteinflößenden Erscheinung eingebüßt. Ceres sprang über den Klingenstab, den er schwang und wollte ihn wie zuvor in Stein verwandeln.
Doch nichts geschah dieses Mal. Der Letzte Atemzug schlug zu, sodass sie auf dem Boden landete und er sich triumphierend über sie stellte. Jetzt hatte er sich in Stephania verwandelt und hielt eine Flasche anstatt des Stabs in der Hand. Die Dämpfe drangen Ceres noch immer beißend in die Nase.
Dann wachte sie auf, und die Wirklichkeit war kaum besser als ihr Traum.
Ceres spürte rauen Stein unter sich. Für einen Moment dachte sie, dass Stephania sie vielleicht auf dem Boden ihres Zimmer zurückgelassen hatte oder schlimmer noch, dass sie noch immer über ihr stand. Ceres drehte sich um und versuchte aufzustehen, um weiterzukämpfen. Doch sie musste feststellen, dass es dafür nicht genügend Platz gab.
Ceres musste sich zwingen, langsam zu atmen und die Panik zu verdrängen, die sich in ihr anbahnte, als sie erkannte, dass sie von Steinmauern umgeben war. Erst als sie aufblickte und ein Metallgitter sah, erkannte sie, dass sie sich in einem Graben befand und nicht lebendig begraben worden war.
Der Graben war kaum breit genug, um darin zu sitzen. Auf keinen Fall hätte sie sich voll ausgestreckt hineinlegen können. Ceres griff nach oben und riss an den Gitterstäben über ihr. Sie versuchte die Kraft in ihr zu wecken, um sie zu biegen oder zu brechen.
Doch nichts geschah.
Jetzt spürte Ceres, wie Panik sich in ihr breit machte. Sie versuchte es ein zweites Mal mit aller Vorsicht, denn sie erinnerte sich daran, wie ihre Mutter sie darauf hingewiesen hatte, dass Ceres bei dem Versuch die Stadt einzunehmen, ihre Kräfte ausgelaugt hatte.
Jetzt fühlte es sich genauso an und doch in vielerlei Hinsicht auch anders. Zuvor hatte es sich so angefühlt als ob die Kanäle, durch die ihre Kraft floss, abgebrannt worden waren bis sie so sehr schmerzten, dass sie sie nicht mehr benutzen konnte und Ceres ausgebrannt zurückließen.
Jetzt fühlte sie sich wie ein normaler Mensch, auch wenn das nichts im Vergleich zu dem war, wie sie sich noch vor einer kurzen Weile gefühlt hatte. Es bestand auch kein Zweifel, was ihr diesen Zustand eingebrockt hatte: Stephania und ihr Gift. Irgendwo, irgendwie hatte sie einen Weg gefunden, Ceres der Kräfte zu berauben, die das Blut der Uralten ihr verlieh.
Ceres konnte den Unterschied zwischen dem, was gerade geschehen war und früheren Situationen spüren. Sonst war es immer wie mit einer Verblendung: mit dem richtigen Mittel kam alles