Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith

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Der Wohlstand der Nationen - Adam Smith

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Familie, statt eine Last für die Eltern zu sein, vielmehr zu einer Quelle der Wohlhabenheit und des Gedeihens für sie wird. Man rechnet die Arbeit jedes Kindes, bevor es das elterliche Haus verlässt, auf hundert Pfund reinen Gewinn für die Eltern. Um eine junge Witwe mit vier oder fünf jungen Kindern, die in den mittleren oder unteren Ständen der Bewohner Europas nur wenig Aussicht auf einen zweiten Mann haben würde, wird dort oft als um eine glückliche Partie gefreit. Der Wert der Kinder ist die bei weitem größte aller Ermunterungen zur Heirat. Daher darf man sich auch nicht wundern, dass die Leute in Nordamerika gewöhnlich so jung heiraten. Dennoch wird dort trotz dieses durch solche frühzeitigen Heiraten bewirkten großen Zuwachses fortwährend über Mangel an Händen geklagt. Die Nachfrage nach Arbeitern und die zu ihrem Unterhalt bestimmten Fonds nehmen, wie es scheint, noch schneller zu als die Arbeiter, die Beschäftigung suchen.

      Mag der Reichtum eines Landes noch so groß sein, so darf man doch, wenn er lange Zeit stillstehend geblieben ist, keinen sehr hohen Arbeitslohn zu finden erwarten. Die zur Lohnzahlung bestimmten Fonds, das Einkommen und das Kapital seiner Einwohner mag noch so bedeutend sein; aber, wenn sie mehrere Jahrhunderte gleich oder nahezu gleich geblieben sind, könnte die Zahl der jedes Jahr beschäftigten Arbeiter leicht zureichen oder selbst mehr als zureichen, um die Nachfrage des folgenden Jahres zu bestreiten. Da kann selten ein Mangel an Händen eintreten, noch werden die Meister gezwungen sein, einander zu überbieten, um Arbeiter zu erhalten. Im Gegenteil würden in diesem Falle natürlich viele Hände unbeschäftigt sein. Es würde ein beständiger Mangel an Beschäftigung statthaben und die Arbeiter würden gezwungen sein, sich diese einander streitig zu machen. Wenn in einem solchen Lande der Arbeitslohn auch einmal mehr als hinreichend war, um den Arbeiter zu unterhalten und ihn zu befähigen, seine Familie zu ernähren, so wird doch der Wettbewerb der Arbeiter und das Interesse der Meister ihn bald auf den niedrigsten Satz reduzieren, der mit der gewöhnlichsten Menschlichkeit sich vereinigen lässt. China ist lange eines der reichsten, d. h. eines der fruchtbarsten, bestbebauten, gewerbfleißigsten und bevölkertsten Länder der Welt gewesen. Es scheint jedoch lange im Stillstande verharrt zu sein. Marco Polo, der es vor mehr als fünfhundert Jahren besuchte, beschreibt seine Bodenkultur, seinen Gewerbfleiß und seinen Volksreichtum fast mit denselben Ausdrücken, mit denen es von heutigen Reisenden geschieht. Es hatte vielleicht sogar schon lange vor seiner Zeit jene Fülle des Reichtums erlangt, welche die Natur seiner Gesetze und Institutionen ihm zu erreichen gestattete. Die Berichte aller Reisenden stimmen, so unzuverlässig sie auch in mancher anderen Beziehung sind, in Betreff des niedrigen Arbeitslohnes und der Schwierigkeit, welche ein Arbeiter findet, eine Familie in China zu ernähren, völlig überein. Wenn er sich durch Ackern den ganzen Tag über so viel erwerben kann, um abends eine kleine Portion Reis zu kaufen, so ist er zufrieden. Die Lage der Handwerker ist womöglich noch schlimmer. Statt, wie in Europa, ruhig in ihren Werkstätten die Bestellungen ihrer Kunden abzuwarten, ziehen sie mit ihren Werkzeugen unaufhörlich durch die Straßen, bieten ihre Dienste an und betteln sozusagen um Beschäftigung. Die Armut der niederen Stände in China übertrifft bei weitem die der bettelhaftesten Völker Europas. In der Umgegend von Kanton haben viele hundert, ja wie es allgemein heißt, viele tausend Familien keine Wohnung auf dem Lande, sondern leben beständig in kleinen Fischerkähnen auf den Flüssen und Kanälen. Der Unterhalt, den sie da finden, ist so kärglich, dass sie die ekelhaftesten Abfälle, welche von einem europäischen Schiffe über Bord geworfen werden, gierig auffischen. Jedes Aas, z. B. das eines verreckten Hundes oder einer Katze, wenn es auch halb faul und stinkend ist, ist ihnen so willkommen, wie den Leuten in andern Länder die gesündeste Nahrung. Die Ehe wird in China nicht durch die Einträglichkeit der Kinder, sondern durch die Freiheit, sie umzubringen, befördert. In allen großen Städten werden nächtlich mehrere in den Straßen ausgesetzt oder gleich jungen Hunden ertränkt. Die Besorgung dieses schrecklichen Geschäftes soll sogar ein zugestandener Erwerbszweig sein, durch den manche ihren Unterhalt verdienen.

      Obgleich indes China vielleicht stillsteht, so scheint es doch nicht rückwärts zu gehen. Seine Städte sind nirgends von ihren Einwohnern verlassen. Das einmal angebaute Land wird nirgends vernachlässigt. Daher muss immer noch die nämliche oder fast die nämliche jährliche Arbeit verrichtet werden, und die für ihren Unterhalt bestimmten Fonds müssen folglich noch nicht merkbar abgenommen haben. Die unterste Schicht der Arbeiter muss also ungeachtet ihrer kärglichen Existenz sich soweit forthelfen, um die Rasse fortzupflanzen und die gewöhnliche Volkszahl aufrecht zu halten.

      Anders würde es in einem Lande stehen, wo die für den Unterhalt der Arbeit bestimmten Fonds eine merkliche Abnahme erlitten. Da würde die Nachfrage nach Dienern und Arbeitern in allen Arten der Beschäftigung mit jedem Jahre geringer werden. Viele, die in den höheren Klassen aufgezogen waren, würden in ihrem eigentlichen Gewerbe keine Beschäftigung mehr finden und sie gern in dem niedrigsten suchen. Da nun aber die niedrigste Klasse nicht nur mit ihren eigenen Arbeitern, sondern auch mit den aus allen anderen Klassen einströmenden überfüllt wäre, so würde die Konkurrenz um Arbeit in ihr so groß werden, dass der Arbeitslohn auf den elendesten und kärglichsten Unterhalt des Arbeiters herabgedrückt würde. Selbst unter diesen harten Bedingungen würden viele keine Beschäftigung finden können, sondern entweder verhungern müssen oder sich genötigt sehen, durch Betteln oder durch Frevel der schlimmsten Art ihr Leben zu fristen. Mangel, Hunger und Sterblichkeit würde in dieser Klasse sofort um sich greifen und sich von da über alle höheren Klassen verbreiten, bis die Zahl der Einwohner so weit verringert wäre, um von dem Einkommen und Kapital, welches im Lande geblieben, und der Tyrannei oder dem Unglück, wodurch das Übrige zerstört wurde, entgangen ist, leicht erhalten werden könnte. Dies ist vielleicht so ziemlich der gegenwärtige Zustand Bengalens und einiger anderer Niederlassungen der Engländer in Ostindien. In einem fruchtbaren Lande, das zuvor sehr entvölkert gewesen war, wo mithin der Unterhalt nicht schwierig sein sollte, und wo dessen ungeachtet in einem Jahre drei bis viermal hunderttausend Menschen Hungers sterben, befinden sich, wie wir mit Sicherheit annehmen können, die für den Unterhalt der arbeitenden Armen bestimmten Fonds sehr in Abnahme. Der Unterschied zwischen dem Geiste der britischen Staatsverfassung, welche Nordamerika schützt und regiert, und demjenigen der Handelsgesellschaft, die Ostindien unterdrückt und beherrscht, kann vielleicht durch nichts besser ins Licht gestellt werden als durch den verschiedenen Zustand dieser Länder.

      Der reichliche Lohn der Arbeit ist demnach ebenso wohl die notwendige Wirkung, wie das natürliche Merkmal wachsenden Nationalreichtums. Der kärgliche Unterhalt der arbeitenden Armen andererseits ist das natürliche Merkmal, dass die Dinge im Stillstand, und ihre Not, dass sie gewaltig im Rückschritt begriffen sind.

      In Großbritannien scheint gegenwärtig der Arbeitslohn offenbar höher zu sein als gerade nötig ist, um eine Familie zu erhalten. Um uns über diesen Punkt zu vergewissern, wird es nicht nötig sein, eine weitläufige und zweifelhafte Berechnung der niedrigsten Summe, womit dies möglicherweise geschehen kann, anzustellen. Es sind viele klare Merkmale dafür vorhanden, dass der Arbeitslohn in diesem Lande nirgends nach seinem niedrigsten Satze, der sich mit gewöhnlicher Menschlichkeit verträgt, geregelt wird.

      Erstens besteht in fast allen Teilen Großbritanniens, selbst in den niedrigsten Arten der Arbeit, ein Unterschied zwischen dem Sommer- und Winterlohn. Im Sommer ist der Lohn immer am höchsten. Allein wegen der außerordentlichen Ausgabe für Brennmaterial ist der Unterhalt einer Familie im Winter am kostspieligsten. Da nun der Arbeitslohn am höchsten ist, wenn diese Ausgabe am niedrigsten, so scheint es klar, dass er sich nicht nach dem, was zu dieser Ausgabe erforderlich ist, sondern nach der Menge und dem mutmaßlichen Werte der Arbeit richtet. Ein Arbeiter sollte allerdings einen Teil seines Sommerlohnes sparen, um seine Winterausgaben damit zu bestreiten und man kann sagen, dass sein Lohn des ganzen Jahres nicht mehr als gerade hinlänglich sei, um seine Familie während des ganzen Jahres zu unterhalten. Ein Sklave hingegen oder ein in seinem Unterhalt von uns durchaus abhängiger Mensch würde nicht so behandelt werden. Seine täglichen Lebensmittel würden ihm nach seinem täglichen Bedarf zugemessen werden.

      Zweitens schwankt in Großbritannien der Arbeitslohn nicht zugleich mit dem Preise der Nahrungsmittel. Dieser ändert sich überall von Jahr zu Jahr, oft von Monat zu Monat. An vielen Orten hingegen bleibt der Geldpreis der Arbeit bisweilen ein halbes Jahrhundert hindurch sich gleich. Wenn daher der arbeitende

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