Der Graf von Bragelonne. Александр Дюма
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Jede von den Bewegungen dieses Mädchens schien das Resultat des Spiels einer Mine zu sein; es lebte nicht, es sprang.
Die Andere, diejenige, welche schrieb, schaute ihre stürmische Gefährtin mit einem Auge so blau, so durchsichtig und rein an, wie es der Himmel an diesem Tage war. Ihre aschblonden, mit ausgezeichnetem Geschmack gerollten Haare fielen in seidenen Büscheln auf ihre perlmutterartigen Wangen herab; sie ließ über das Papier eine seine Hand hingehen, deren Magerkeit jedoch ihre außerordentliche Jugend bezeichnete. So oft ihre Freundin in ein Gelächter ausbrach, hob sie, wie geärgert, ihre poetisch und sanft geformten Schultern empor, denen aber jener Luxus an Stärke und Rundung fehlte, welchen man auch an ihren Armen und Händen zu sehen gewünscht hätte.
»Montalais! Montalais!« sagte sie endlich mit einer Stimme so sanft und liebkosend wie ein Gesang. »Ihr lacht zu stark, Ihr lacht wie ein Mann; Ihr werdet Euch dadurch nicht nur den Herren Garden bemerkbar machen, sondern auch die Glocke von Madame nicht hören, wenn Madame ruft.«
Das Mädchen, das man Montalais nannte, hörte bei dieser Ermahnung weder auf zu lachen, noch zu gesticuliren; es antwortete nur:
»Louise, Ihr sprecht nicht, was Ihr denkt, meine Liebe; Ihr wißt, daß die Herren Garden, wie Ihr sie nennt, ihren Schlaf beginnen, und daß sie dann Kanonen nicht aufzuwecken vermöchten; Ihr wißt, daß man die Glocke von Madame auf der Brücke von Blois hören würde, und daß ich sie folglich auch hören werde, wenn mich mein Dienst zu Madame beruft. Es ärgert Euch nur, mein Kind, daß ich lache, wenn Ihr schreibt; Ihr befürchtet, Frau von Saint-Remy, Eure Mutter, komme herauf, wie sie es zuweilen thut, wenn wir zu viel lachen . . . sie überrasche uns und sehe das ungeheure Blatt Papier, auf das Ihr seit einer Viertelstunde nichts geschrieben habt, als die Worte: »»Herr Raoul!«« Das ist übrigens vernünftig von Euch, denn den Worten »»Herr Raoul«« kann man so viele andere, so bezeichnende, so entzündende beifügen, daß Frau von Remy, Eure theure Mutter, Recht hätte, wenn sie Feuer und Flammen freien würde. Sprecht, ist es nicht so?«
Und Montalais verdoppelte ihr Gelächter und ihre stürmischen Herausforderungen.
Die Blonde erzürnte sich wirklich; sie zerriß das Blatt, auf das in der That die Worte »Herr Raoul« mit einer schönen Handschrift geschrieben standen, zerknitterte das Papier in ihren zitternden Fingern und warf es zum Fenster hinaus.
»Nun! nun!« sagte Fräulein von Montalais, »unser kleines Lamm, unser Jesuskind, unsere Taube ärgert sich! . . . Habt doch keine Furcht, Louise! Frau von Saint-Remy wird nicht kommen, und wenn sie käme . . . Ihr wißt, daß ich ein feines Ohr habe. Was kann übrigens mehr erlaubt sein, als an einen alten Freund von zwölf Jahren her zu schreiben, besonders wenn der Brief mit den Worten: »»Herr Raoul!«« beginnt?«
»Es ist gut, ich werde ihm nicht schreiben,« entgegnete das Mädchen.
»Oh! wahrhaftig, Montalais ist nun gehörig bestraft!« rief immer lachend die braune Spötterin. »Vorwärts, nehmt ein anderes Blatt Papier und beendigen wir rasch unsere Botschaft. Gut, nun wird die Glocke geläutet! Ah! meiner Treue, das ist schlimm. Madame wird warten, oder diesen Morgen ihres ersten Ehrenfräuleins entbehren müssen.«
Es erklang wirklich eine Glocke; man meldete, Madame habe ihre Toilette beendigt und erwarte Monsieur, der ihr die Hand im Salon gebe, um sie ins Speisezimmer zu führen.
Sobald diese Förmlichkeit erfüllt war, frühstückten die beiden Gatten und trennten sich dann bis zum Mittagessen, das unabänderlich auf zwei Uhr bestimmt war.
Beim Klange der Glocke öffnete sich in den Officen, welche rechts im Hofe lagen, eine Thüre, durch die zwei Haushofmeister, gefolgt von acht Köchen, welche eine Tragbahre beladen mit Schüsseln, worauf silberne Glocken, schleppten, heraustraten.
Einer von diesen Haushofmeistern, der der erste dem Range nach zu sein schien, berührte sachte mit seinem Stäbchen eine von den Wachen, welche auf ihrer Bank schnarchte; er trieb seine Güte sogar so weit, daß er in die Hände dieses schlaftrunkenen Menschen seine Hellebarde steckte, welche neben ihm an der Wand angelehnt war, wonach der Soldat, ohne sich irgendwie zu erkundigen, bis zum Speisezimmer das Fleisch von Monsieur geleitete, dem ein Page voranging.
Wo das Fleisch vorüberkam, schulterten die Soldaten das Gewehr.
Fräulein von Montalais und ihre Gefährtin folgten von ihrem Fenster aus den Einzelheiten dieses Ceremoniels, an das sie übrigens gewöhnt sein mußten. Sie schauten indessen nur mit so großer Neugierde, um sicher zu sein, daß man sie nicht stören würde. Sobald Köche, Wachen, Pagen und Haushofmeister vorbei waren, kehrten sie auch wieder zu ihrem Tisch zurück, und die Sonne, die im Fensterrahmen einen Augenblick diese zwei reizenden Gesichter beleuchtet hatte, beschien nur noch die Nelken, die Primeln und den Rosenstock.
»Bah!« sagte Montalais, während sie ihren Platz wieder einnahm, »Madame wird wohl ohne mich frühstücken.«
»Oh! Montalais, Ihr werdet gestraft werden,« rief das andere Mädchen, indem es sich sachte wieder an den seinigen setzte.
»Gestraft? ah! ja, nämlich der Spazierfahrt beraubt werden; es ist mir ganz lieb, wenn man mich straft, ich will nichts Anderes. In der großen Kutsche, auf einem Schlage hockend, ausfahren, rechts drehen, links steuern, auf Straßen voll von Fahrgeleisen, wo man in zwei Stunden höchstens eine Meile macht; dann gerade gegen den Flügel des Schlosses zurückkehren, wo sich das Fenster von Frau von Medicis findet, so daß Madame unfehlbar jedes Mal also zu mir spricht: »»Sollte man glauben, daß Königin Maria hier herab entflohen ist! sieben und vierzig Fuß hoch! die Mütter von zwei Prinzen und drei Prinzessinnen!«« Ist das ein Vergnügen, Louise, so wünsche ich alle Tage gestraft zu werden, besonders wenn meine Strafe darin besteht, daß ich bei Euch bleibe und so interessante Briefe schreibe, wie wir sie schreiben.«
»Montalais! Montalais! man hat Pflichten zu erfüllen!«
»Ihr sprecht ganz nach Eurem Gefallen, mein Herz, Ihr, die man inmitten dieses Hofes frei läßt. Ihr seid die Einzige, welche die Vortheile davon erntet, ohne die Lasten tragen zu müssen, Ihr, mehr Ehrenfräulein von Madame als ich, weil Madame ihre Zuneigung zu Eurem Stiefvater auf Euch zurückfallen läßt; und so kommt Ihr in dieses traurige Haus, wie die Vögel in den Hof . . . die Luft einschlürfend, die Blumen beschnäbelnd, am Korn pickend . . . ohne daß Ihr den geringsten Dienst zu thun, die mindeste Langweile zu ertragen habt! Ihr sprecht mir von Pflichterfüllung! In der That, meine schöne Müßiggängerin, was sind denn Eure Pflichten, wenn nicht, an den hübschen Raoul zu schreiben? Dabei sehen wir, daß Ihr ihm nicht einmal schreibt, wodurch Ihr, wie mir scheint, auch ein wenig Eure Pflichten vernachlässigt.«
Louise nahm ihre ernste Miene an, stützte ihr Kinn auf ihre Hand und sprach mit einem unschuldsvollen Tone:
»Macht mir doch mein Wohlergehen zum Vorwurf! Werdet Ihr das Herz dazu haben? Ihr habt eine Zukunft; Ihr seid vom Hofe; der König, wenn er sich verheirathet, wird Monsieur zu sich berufen; Ihr werdet glänzende Feste, Ihr werdet den König sehen, der so schön, so reizend sein soll!«
»Mehr noch, ich werde Raoul sehen, der bei dem Herrn Prinzen ist,« fügte Montalais bei.
»Armer Raoul!« seufzte Louise.
»Das ist der Augenblick, um ihm zu schreiben theure Schöne; auf! beginnen wir wieder das ausgezeichnete »»Herr Raoul««, das am Kopfe des zerrissenen Blattes glänzte.«
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