Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
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»Nein, mein Herr,« sagte der König, »nein, lassen Sie sich Zeit, gehen Sie nach Versailles, besorgen Sie die Angelegenheiten, mit denen Sie der Marquis beauftragt hat, und wenn sie abgemacht sind, sagen Sie ihm, ich vergesse ihn nicht, ich kenne ihn als einen meiner getreusten Unterthanen, und ich werde ihn eines Tags Herrn von Lafayette empfehlen, damit ihn Herr von Lafayette Herrn du Portail empfiehlt.«
Lafayette lächelte mit dem Ende der Lippen, als er diese neue Anspielung auf seine Allmacht hörte.
»Sire,« sprach er, »ich würde längst selbst die Herren von Bouillé Eurer Majestät empfohlen haben, hätte ich nicht die Ehre, mit diesen Herren verwandt zu sein. Die Furcht, man könnte sagen, ich wende die Gunstbezeigungen des Königs meiner Familie zu, hat mich allein bis jetzt abgehalten, diese Gerechtigkeit zu üben.«
»Ei! das schickt sich vortrefflich, Herr von Lafayette; wir werden wieder davon sprechen, nicht wahr?«
»Erlaubt mir der König, ihm zu sagen, daß mein Vater als eine Ungunst, als eine Ungnade sogar ein Avancement betrachten würde, das ihm ganz oder theilweise die Mittel Seiner Majestät zu dienen, entzöge?«
»Oh! das versteht sich,Graf,« erwiederte der König, »und ich werde nicht gestatten, daß man die Stellung von Herrn von Bouillé, anrührt, ohne sie noch mehr seinen Wünschen und den meinigen entsprechend zu machen. Lassen Sie uns, Herrn von Lafayette und mich, das ordnen und gehen Sie ihrem Vergnügen nach, ohne indessen darüber die Angelegenheiten zu vergessen. Gott befohlen, meine Herren!«
Und er entließ die beiden Herren mit einer majestätischen Miene, welche einen ziemlich seltsamen Contrast mit seinem gemeinen Anzug bildete.
Dann, als die Thüre wieder zugemacht war, sagte er:
»Ich glaube, daß mich der junge Mann verstanden hat, und daß ich in acht bis zehn Tagen Meister Gamain und seinen Lehrling haben werde, um mir mein Schloß anlegen zu helfen.«
XXXIV
Alte Bekannte
Am Abend desselben Tages, an welchem Herr Louis von Bouillé die Ehre gehabt hatte, zuerst von der Königin und dann vom König empfangen zu werden, ereignete sich, zwischen sechs und sieben Uhr im dritten und letzten Stocke eines kleinen, alten, finstern, schmutzigen Hauses der Rue de la Juiverie eine Scene, welcher unsere Leser beiwohnen zu lassen wir um Erlaubniß bitten.
Wir werden sie vom Eingange des Pont au Change mitnehmen, entweder beim Aussteigen aus ihrer Carrosse, oder beim Aussteigen aus ihrem Fiacre, je nachdem sie sechs tausend Livres jährlich für einen Kutscher, ein Paar Pferde und einen Wagen aufzuwenden oder dreißig Sous täglich für einen einfachen nummerirten Wagen zu geben haben. Wir werden mit ihnen dem Pont au Change folgen, sodann in die Rue de la Pelleterie eintreten und durch diese in die Rue de la Juiverie gehen, wo wir vor der dritten Thüre links stehen bleiben.
Wir wissen wohl, daß der Anblick dieser Thüre, – welche die Miethleute des Hauses nicht einmal zu verschließen sich die Mühe geben, so sehr glauben sie sich vor jedem nächtlichen Versuche der Herren Diebe der Eite geschützt, – nicht besonders anziehend ist, aber, wie gesagt, wir brauchen die Leute, welche in den Mansarden dieses Hauses wohnen, und da sie uns nicht aufsuchen würden, so müssen wir, lieber Leser oder geliebte Leserin, muthig zu ihnen gehen.
Sichern Sie also so viel als möglich Ihren Tritt, um nicht in dem kleberigen Kothe auszugleiten, der den Boden des schmalen, schwarzen Ganges, in welchen wir eindringen, bedeckt; schließen wir unsere Kleider fest an unsern Leib, damit sie nicht an den Wänden der feuchten, schmierigen Treppe, die im Hintergrunde dieses Ganges, wie die Stücke einer schlecht zusammengefügten Schlange, aufwärts kriecht, anstreifen; halten wir an unsere Nase einen Essigflacon oder vor unser Gesicht ein parfümirtes Taschentuch, damit der schärfste und aristokratischste von unseren Sinnen, der Geruch, soviel als möglich der Berührung dieser mit Stickstoff geschwängerten Lust entgehe, die man zugleich durch den Mund, durch die Nase und durch die Augen einathmet, und bleiben wir aus dem Ruheplatze des dritten Stockes vor einer Thüre stehen, auf welche die unschuldige Hand eines jungen Malers mit Kreide Figuren gezeichnet hat, die man Anfangs für kabalistische Zeichen halten könnte, während es nur unglückliche Versuche in der erhabenen Kunst der Leonard da Vinci, der Raphael, der Michel Angelo sind.
Hier angelangt, werden wir, wenn Sie wollen, durch das Schlüsselloch schauen, damit Sie, lieber Leser oder geliebte Leserin, wenn Sie ein gutes Gedächtniß haben, die Personen erkennen, welche Sie treffen werden. Erkennen Sie dieselben aber nicht vom Ansehen, so mögen Sie Ihr Ohr an die Thüre halten und horchen. Dann maß Ihnen wohl, wenn Sie unser Buch: »Das Halsband der Königin,« ein wenig gelesen haben, das Gehör zu Hilfe kommen: unsere Sinne vervollständigen einander.
Sagen wir zuerst, was man sieht, wenn man durch das Schlüsselloch schaut.
Das Innere eines Zimmers, das die Noth bezeichnet und von drei Personen bewohnt wird; diese drei Personen sind ein Mann, eine Frau und ein Kind.
Der Mann ist fünf und vierzig Jahre alt und scheint fünf und fünfzig zu sein; die Frau ist vier und dreißig alt, und scheint vierzig zu sein; das Kind zählt fünf, und sieht aus wie sein Alter; es hat noch nicht Zeit gehabt, zweimal zu altern.
Der Mann trägt die abgenutzte Uniform eines Sergenten bei den Gardes françaises – eine verehrte Uniform seit dem 14. Juli, wo sich die Gardes françaises mit dem Volke verbanden, um mit den Deutschen von Herrn von Lambesc und den Schweizern von Herrn von Besenval Flintenschüsse zu wechseln.
Er hält in der Hand ein vollständiges Kartenspiel, vom Aß an mit dem Zweier, dem Dreier und dem Vierer von jeder Farbe bis zum König; er versucht zum hundertsten, zum tausendsten, zum zehntausendsten Male eine unfehlbare Martingale. Ein Carton, durch den eben so viele Löcher gestochen sind, als es Sterne am Himmel gibt, ruht an seiner Seite.
Wir haben gesagt ruht, und wir beeilen uns, dieses Wort zurückzunehmen, denn es ist ein sehr ungeeignetes auf diesen Carton angewandt, da ihn der Spieler, – er ist unbestreitbar ein Spieler, – unablässig quält, indem er ihn von fünf zu fünf Minuten um Rath fragt.
Die Frau hat ein altes seidenes Kleid an; bei ihr ist das Elend um so erschrecklicher, als sie mit Ueberresten von Luxus erscheint; ihre Haare werden über dem Nacken durch einen kupfernen, ehemals vergoldeten Kamm festgehalten; ihre Hände sind sorgfältig reinlich und haben durch diese große Reinlichkeit ein gewisses aristokratisches Aussehen bewahrt oder vielmehr erlangt; ihre Nägel, welche der Herr Baron von Taverney, in seinem groben Realismus Horn nannte, sind geschickt gegen die Spitze zu gerundet: der Farbe beraubte, an gewissen Stellen verschobene Pantoffeln, welche einst mit Gold und Seide gestickt waren, spielen an ihren, mit Ueberbleibseln von durchbrochenen Strümpfen bedeckten, Füßen.
Das Gesicht ist, wie gesagt, das einer Frau von vier und dreißig bis fünf und dreißig Jahren und würde, wäre es künstlich nach der Mode der Zeit bearbeitet, derjenigen, die es trügt, erlauben, sich das Alter zu geben, an das sich ein Lustrum hindurch und sogar zwei Lustra die Frauen mit aller Hartnäckigkeit anklammern, wir meinen neun und zwanzig, – zeigt aber, der rothen und weißen Schminke beraubt und folglich von allen Mitteln entblößt, die Schmerzen und die Armuth, diesen dritten und vierten Flügel der Zeit, zu verbergen, vier bis fünf Jahre mehr als die Wirklichkeit an.
So entblößt aber auch dieses Gesicht ist, so fängt man doch an zu träumen, wenn man es sieht, und ohne sich Antwort geben zu können, so sehr zögert der Geist, so kühn auch sein Flug sein mag, über eine solche Entfernung zu springen, fragt