Die Mohicaner von Paris. Александр Дюма
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Justin hörte aber nicht mehr; er öffnete die Thüre und schloß sie wieder vor der Nase des Knaben, der bei einem Spezereihändler das Zehn-Sous-Stück gegen zehn Sous wechseln ließ oder vielmehr gegen neun und einen halben, denn unter dem Titel von Mäklergebühr ohne Zweifel kaufte er sich für zwei Liards Zuckersyrup.
Dann schlug er im Galopp den Weg nach der Rue Triperet ein.
Justin aber, statt zu den Frauen hinaufzugehen und seinen Abend vollends in Familie zuzubringen, ging in sein Zimmer, schloß sich ein, warf sich in einen Lehnstuhl und blieb hier unbeweglich und das Herz voll der finstersten Ahnungen.
Seine Liebe gehörte nicht ihm; sein Geheimnis war in Jedermanns Händen.
Er war für den ganzen Faubourg Saint-Jacques der Liebhaber der Kleinen!
XXIII
Die Moschiten
Es gibt in Indien, besonders in Korrah, ein häßliches Insekt, eine Art von Mücke genannt Moschit, dessen Stich höchst gefährlich ist; es begnügt sich nicht damit, daß es das Blut aussaugt wie der Zinzaro, oder mit einem Stachel sticht wie die Wespe; es legt in das Loch, welches es seinem Opfer ins Fleisch gemacht hat, ein kleines Ei, das in drei Tagen auskriecht, und einen Wurm gebiert, der wiederum eine Anzahl anderer Würmer erzeugt, die Euch bei lebendigem Leibe verzehren.
Meistens stirbt man hieran in zwölf bis dreizehn Tagen.
Um diesem Unfall zuvorzukommen, muß man, sobald man sich gestochen fühlt auf der mit einem Bistouri losgestrammten Wunde ein Blatt Kautabak ausbreiten.
Es gibt rings um uns her, in Europa, in Frankreich, in Paris, allerdings unter einer andern Form, aber noch gefährlichere Insekten in der Art der Maschiten von Korrah: das sind die Nachbarn.
Gefährlicher haben wir gesagt, denn man weiß, welchen Balsam man auf die von der Mücke gemachte Wunde anzuwenden hat, während die von den Nachbarn gemachten Wunden tödtlich sind.
Der Nachbar ist ohne Mitleid. ohne Gemüth, ohne Herz; er tritt bei Euch durch die Thüre ein, wenn Ihr die Thüre offen laßt; durch das Fenster, wenn Ihr das Fenster offen laßt; durch das Schlusseilloch, wenn Ihr das Fenster schließt. Er stiehlt Euch Euer Geheimnis mit derselben Frechheit, mit der Euch der abgefeimteste Dieb in der Nacht Euer Geld stiehlt; dabei findet in dessen ein Unterschied zwischen den Nachbarn und den Dieben zum Vortheil des Diebes statt: der Dieb setzt wenigstens sein Leben aufs Spiel, während der Nachbar das Leben der Andern aufs Spiel setzt.
Man würde sich mit einem Seufzer begnügen und sich in diese Geißel fügen, wie sich Indien in die Cholera fügt, wie sich Aegypten in die Pest fügt, wie die Engländer sich in den Nebel fügen, wenn in der Naturgeschichte nachgewiesen wäre, das Gebrechen, das man die Nachbarschaft nennt, klebe der ganzen Gattung an; aber keines Weges; es ist dem privilegierten Lande, das man Frankreich nennt, eigenthümlich; überall, in Deutschland, in England, in Spanien, hat man die Achtung von den Andern, weil man die Selbstachtung hat.
In unserem Frankreich allein, in sein Zimmer zurückgezogen, bei verschlossener Thüre und verschlossenen Läden fühlt man um sich her das Auge und das Ohr des Nachbars.
Nicht als wäre er Euch gerade gehässig, nein – dann würde der Strafcodex eine Rechtfertigung für ihn zulassen; oft sogar, wenn er Euch Böses anthut, geschieht es unwillkürlich, obschon er es immer thut; nein: er will ganz einfach sehen, was bei Euch vorgeht; Ihr seid ihm Rechenschaft schuldig über das, was in Eurem Hause gesagt wird, geschieht; Ihr seid sein natürlicher Schuldner; er ist Gläubiger Eures Glückes.
Außerdem sind alle diese Leute redlich, wenn Ihr wollt; sie beobachten die im Bulletin aufgeführten Gesetze; sie unterwerfen sich streng allen Polizeiverordnungen; sie bezahlen pünktlich ihre Steuern, fegen die Schwelle ihrer Bude im Winter, besprengen das Vordertheil ihres Magazins im Sommer, halten ein neues Brunnenfell für den Brandfall bereit, gehen am Sonntag in die Kirche, am Montag ins Theater, beziehen einmal wöchentlich die Wache, kurz, sie führen sich auf wie Jedermann, vergessen jedoch, daß die Discretion eine erhabene Tugend ist, und die Neugierde natürlich ein abscheuliches Laster.
Wir verzweifeln auch gar nicht, binnen einigen Jahren, – das fängt schon an, – die intelligente Bevölkerung von Paris diese Kasernen, welche man die Häuser von vier Stockwerken nennt, verlassen und mit Hilfe der Eisenbahnen sich aus einen Rayon von zehn Stunden um Paris in abgesonderte Wohnungen verbannen zu sehen, wo die Schwächen der Einen verborgen und die Tugenden der Andern vor dem Verdachte geschützt sein werden.
Das Wort, das der Straßenjunge ausgesprochen: der Liebhaber der Kleinen, war übrigens nicht das erste dieser Art, von dem die Ohren von Justin betroffen worden.
Mehr als einmal, wenn er mit dem Mädchen am Arme durch die Vorstadt ging, hatte er in den Augen der Nachbarn spöttische Blicke und auf ihren Lippen zweideutiges Lächeln wahrgenommen.
Dieses schöne Mädchen, am Arme des jungen Mannes, das mit ihm ausging, während er weder der Gatte, noch der Bruder, war das nicht etwas, um darein zu beißen und hieß das nicht die am wenigsten scharfen Zähne der Vorstadt versuchen?
Es ist wahr, man hatte Mina als Kind gekannt; doch plötzlich vergessend, daß man sie nach und nach hatte heranwachsen sehen, wollte man sie nicht für das nehmen, was sie war, nämlich für ein großes, heirathsfähiges Frauenzimmer, das aber nicht heirathete.
Man suchte auf jede Weise die Ursache dieses doppelten Cölibats zu finden; man vergaß, daß keine Zeit verloren war, da Mina kaum fünfzehn und ein halbes Jahr zählte; man dachte, es stecke ein Geheimnis dahinter; die Neugierigsten ließen sich wie diebische Vögel auf die Familie nieder, um ihr ihr Geheimnis zu stehlen; sie wurden sanft zurückgetrieben; man war auf Muthmaßungen reduziert; von Muthmaßungen ging man zu den Geschwätzen über und von den Geschwätzen zum Geschrei. Endlich mischte sich die Verleumdung darein, klopfte an die Schwelle des friedlichen Hauses, stieg von Stufe zu Stufe hinauf, und erstürmte es völlig.
Das Leben war so nicht mehr möglich. Justin hatte den Gedanken, auszuziehen; doch das Quartier verlassen hieß Gefahr laufen, ein schlimmeres zu finden, hieß der Bosheit der Nachbarn Recht geben; und dann, im Grunde war es leicht, von diesem Hause zu scheiden, wo man zugleich so glücklich und so elend gelebt hatte? war es nicht ein Theil von sich selbst, den man so fern von sich werfen sollte? war nicht das ganze Leben dieser vier Personen in unvertilgbaren Charakteren an die Wände dieser zwei Stockwerke geschrieben?
Nein. das war mehr als schwierig, das war unmöglich!
Man verzichtete also darauf, das Haus zu verlassen; da man jedoch einen Entschluß fassen mußte, da man nicht mit einem Rasirmesserschnitte alle schlimme Zungen des Quartiers abschneiden konnte, so beschloß man, den alten Professor um Rath zu fragen.
Dazu griff man übrigens immer in verzweifelten Lagen
Herr Müller kam zur gewöhnlichen Stunde; man ließ das Mädchen in der Wohnung oben: die Mutter ging für dies Mal in das Zimmer ihres Sohnes hinab, und als alle Vier, Herr Müller die Mutter, die Schwester und der junge Mann, versammelt waren, hielt man einen Familienrath.
Der Rath des alten Professors war ganz einfach.
»Laßt Morgen die Kinder als Verlobte aufbieten, und verheirathet sie in vierzehn Tagen.«
Justin gab einen Freudenschrei von sich.
Dieser