Familie Dr. Norden Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Hier verstummte Yasmin. Dieses kleine Paket hatte sie noch nicht geöffnet und nahm zuerst einmal die Karte zur Hand. Als sie sie gelesen hatte, standen ihr Tränen in den Augen.
»Was ist denn, Kind?« fragte Marlene, als sie es bemerkte.
»Es ist von Frau Weinzierl. Sie entschuldigt sich bei mir für ihr Verhalten und hofft, daß ich ihr verzeihen kann. Sie möchte gern mit mir sprechen, damit ich ihr sagen kann, was sie alles falsch gemacht hat.« Yasmin versagte die Stimme.
Um ihre Rührung zu verbergen, griff sie zu dem Geschenk und öffnete es vorsichtig. Eine kleine Schmuckschatulle kam zum Vorschein, und darin lag ein Goldkettchen, an dem ein Anhänger befestigt war. Bei näherem Betrachten, stellte Yasmin fest, daß es sich um einen Schutzengel handelte. Ein kleiner Zettel lag bei, auf dem stand in geschwungenen Buchstaben:
Für Benjamin. Möge der Engel ihn allzeit behüten!
»Das ist ein wahrhaft kostbares Geschenk«, bekannte Marlene leise, und Yasmin nickte nur stumm. Es dauerte eine Weile, ehe sie sich wieder gefangen hatte, dann warf sie Marlene einen hilflosen Blick zu.
»Wie kann ich mich nur bei allen bedanken? Immerhin sind sie maßgeblich daran beteiligt, daß sich mein Schicksal zum Guten gewendet hat.«
»Ich glaube, ich habe eine Idee«, sagte Marlene auf einmal. »Wie sieht es aus? Möchtest du Benjamin eigentlich taufen lassen? Darüber haben wir noch gar nicht geredet.«
»Ich bin evangelisch getauft und habe am evangelischen Religionsunterricht teilgenommen. In der Kirche war ich allerdings nicht so oft. Was meinst du, was ich tun soll?«
»Glaubst du denn an Gott?«
»Es gab eine Zeit, in der ich viel gezweifelt habe. Aber nach all dem Wunderbaren, was mir in letzter Zeit widerfahren ist, muß ich doch an eine höhere Macht glauben, findest du nicht?«
»Dann solltest du Benjamin taufen lassen. Viele junge Eltern sind ja der Ansicht, daß die Kinder die Möglichkeit haben sollten, sich erst später zu entscheiden, ob sie getauft werden wollen oder nicht. Ich hatte dabei immer meine Zweifel, weil diese Kinder dann auch keinen Religionsunterricht und keinen Gottesdienst besuchen. Wie sollen sie sich also für oder gegen etwas entscheiden, was sie nie kennengelernt haben?«
»Von dieser Warte aus habe ich das noch nie betrachtet«, gab Yasmin zu. Dann lächelte sie und griff nach Marlenes Hand. »Ich glaube, ich kann noch viel von dir lernen, und ich freue mich schon jetzt auf die Taufe. Und zu dem Fest laden wir alle ein, die uns geholfen haben«, erklärte sie enthusiastisch. »So hattest du es doch gedacht, nicht wahr?«
Marlene nickte lächelnd. Aber plötzlich verfinsterte sich Yasis Miene.
»Was ist denn los, Liebes?« erkundigte sich Marlene besorgt.
»So eine Feier kostet doch sicher sehr viel Geld. Das kann ich euch doch gar nicht zumuten«, sagte sie unsicher.
»Du bist ein kleines Dummerchen«, erwiderte Marlene zärtlich. Ohne ein weiteres Wort schloß sie das Mädchen, das bald ihre Tochter sein sollte, in die Arme.
*
Als sich Fee wieder ganz gesund fühlte, erwartete sie ungeduldig den Tag ihrer Entlassung. Immer wieder fragte sie bei Jenny Behnisch nach, wann es denn endlich soweit wäre.
»Daniel hat mir ans Herz gelegt, dich erst zu entlassen, wenn du vollkommen gesund bist«, erklärte sie resolut.
»Aber was fehlt mir denn noch?« fragte Fee ungehalten. »Die Lungenentzündung ist vollständig ausgeheilt, meine Blutwerte sind perfekt, wie du mir versichert hast. Warum darf ich dann nicht nach Hause?«
Bei diesen stichhaltigen Argumenten gab sich Jenny geschlagen. »Also gut. Ich werde mit Daniel sprechen. Wenn er damit einverstanden ist, kannst du die Klinik morgen verlassen.«
Ein Lächeln erstrahlte auf Fees Gesicht, und ihre Augen leuchteten.
»Aber nur, wenn du dich noch eine Weile schonst«, schickte Jenny hinterher.
Ihr war das unternehmungslustige Blitzen in Fees Augen nicht entgangen.
»Sie haben mein Ehrenwort, Frau Dr. Behnisch!« erwiderte diese anzüglich.
Ohne ihre Familie war Fee nur ein halber Mensch, deshalb fühlte sie sich nach dieser frohen Botschaft so vergnügt wie schon lange nicht mehr. Als sie beschwingten Schrittes den Krankenhausflur hinabging, um schon einmal ihre Sachen zu packen, blickte ihr Jenny wehmütig hinterher. Sie hatte nicht das Glück gehabt, eine eigene Familie zu haben. Doch ebenso wie Hans-Georg Leitner liebte sie ihren Beruf über alles und war, nachdem sie den plötzlichen Tod ihres geliebten Mannes Dieter verwunden hatte, fast froh darüber, keine Kinder zu haben. So hatte sie wenigstens die Möglichkeit, sein Lebenswerk, die Behnisch-Klinik, in seinem Sinne weiterzuführen. Mit einem wehmütigen Lächeln wandte sie sich schließlich um und ging in ihr Büro, um mit Daniel über die bevorstehende Entlassung von Fee zu sprechen.
*
»Mami kommt morgen nach Hause«, verkündete Daniel Norden seinen Kindern, als er an diesem Abend nach Hause kam. Ein Indianergeheul der Zwillinge Jan und Dési war die Antwort auf diese Nachricht.
Die anderen Kinder freuten sich ebenso, waren sich der Würde ihres Alters aber bewußt und benahmen sich dementsprechend. Anneka verschwand kurz darauf in ihrem Zimmer, um an einem Bild weiterzuarbeiten, das sie ihrer Mami als Willkommensgruß malte.
Danny und Felix ließen sich ausnahmsweise einmal dazu herab, ihre Zimmer freiwillig aufzuräumen, denn selbst Lenni hatte es inzwischen aufgegeben, dort Ordnung zu schaffen.
»Dürfen wir mit dir einen Kuchen backen, Lenni?« bettelte Dési so lange, bis sich die gute Haushälterin geschlagen gab.
»Also gut. Aber nur, wenn dein Papi nichts dagegen hat. Schließlich ist es schon recht spät.«
Doch Daniel hatte nichts dagegen einzuwenden. »Lassen Sie sie nur, Lenni. Morgen vormittag haben die Kinder ja keine Zeit, etwas vorzubereiten, weil sie im Kindergarten sind. Und wenn sie sich so auf ihre Mami freuen, kann man schon mal eine Ausnahme machen«, erklärte er lächelnd.
»Du bist der beste Papi von der ganzen Welt!« rief Dési entzückt und drückte ihm einen dicken Kuß auf die Wange.
Daniel beobachtete gerührt die eifrigen Vorbereitungen, die zur Feier von Fees Genesung im Gange waren und fühlte sich auf einmal genötigt, auch eine kleine Überraschung bereitzuhalten. Er überlegte hin und her, bis er plötzlich die zündende Idee hatte.
Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und wurde an diesem Abend nur noch gesehen, als er den Kindern gute Nacht sagte.
*
Auch der Tag der Entlassung Yasmins war endlich gekommen. Ausgestattet mit einem Baby-Autositz fuhren Sascha und Marlene vor der Klinik vor. Sie hatten die letzten Tage damit verbracht, Yasmins Zimmer für ihren Einzug vorzubereiten und waren sehr gespannt, ob es ihr auch gefallen würde.
»Seid ihr genauso nervös wie ich?« fragte Yasi, als die beiden das Zimmer betraten. Marlene hatte es sich nicht nehmen lassen, für sie ein paar moderne Kleidungsstücke zu besorgen, die Yasmin nun bewundernd